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# taz.de -- Personalmangel im deutschen TV: Aufnahmeleitung gesucht
> Die TV-Industrie klagt, dass sie über zu wenig Fachkräfte verfügt. Das
> liegt vor allem an fehlenden Angeboten für Aus- und Weiterbildung.
Bild: Stress und Überstunden gehören zum Jobprofil der Aufnahmeleitung
Robert Groß ist normalerweise gut vernetzt. Aber als der Geschäftsführer
der Act Videoproduktion vor zwei Monaten kurzfristig einen Aufnahmeleiter
für eine WDR-Produktion suchte, wurde es schwierig: „Ich habe mir die
Finger wund telefoniert und konnte trotzdem niemanden finden.“
Über einen Personaldienstleister mit Schwerpunkt Medienberufe hat es dann
in letzter Minute doch noch geklappt. „Ein Glück“, ist Groß erleichtert,
„die Aufnahmeleiter sind wichtig, bekommen alles auf den Tisch, was bei
einem Dreh organisiert werden muss, etwa Locations, Schauspieler oder
Requisiten. Ohne sie läuft nichts.“
Verwunderlich: Act hat seinen Sitz in Köln, der „Fernsehhauptstadt“
Deutschlands, mit Sendern wie RTL und großen Fernsehproduktionsfirmen wie
Tarner TV Deutschland, die tausende von Medienleuten beschäftigen. Dort
sollte es eigentlich kein Problem sein, Arbeitskräfte zu finden. Ist es
aber.
## Projekte werden verschoben
Von einem „frappierenden Mangel“ spricht Sybille Steinfartz. Sie arbeitet
in Köln bei der ZAV-Künstlervermittlung der Arbeitsagentur und ist dort für
die Vermittlung der Film- und Fernsehschaffenden im Stab/Technik-Bereich
zuständig. „Wir haben einen unglaublichen Bedarf in diesen
logistisch-organisatorischen Bereichen“, sagt sie, „teilweise überlegen
Produktionen ihre Projekte zu verschieben, weil das benötigte Personal
fehlt“.
Paradox: Schuld an der Misere soll die Einführung des Mindestlohns sein.
Denn früher hat die Branche ihren Nachwuchs über Praktika rekrutiert. Und
weil TV-Produktion oft Projektgeschäft ist, waren es meistens mehrere
Praktika. Die Einsteiger waren sicher auch billige Arbeitskräfte, die
vielleicht um die 500 Euro pro Monat erhielten.
Aber nach einer gewissen Zeit waren sie fit für gut bezahlte Funktionen.
Ein erster Aufnahmeleiter etwa kann nach Tarif 1.500 Euro pro Woche
verdienen. Seit 2015 ist diese Art der Ausbildung nicht mehr möglich, denn
für Einsteiger wird nach drei Monaten Praktikum der Mindestlohn fällig. Und
das können oder wollen die Unternehmen sich nicht leisten.
„Ich höre aus der Branche oft Klagen über extrem steigende Lohnkosten, aber
das ist auch logisch, wenn sich zu wenige qualifizierte Fachkräfte auf dem
Markt befinden“, stellt Aurel Beck von Sony Pictures Television fest. Dabei
klingt auch Kritik an der eigenen Zunft mit. Denn würde der Bedarf besser
gedeckt, würde sich diese Situation ändern. Aber dafür müssten die Firmen
selbst stärker in die Nachwuchsförderung investieren, beispielsweise mit
mehr Ausbildungsplätzen.
„Finden, ausbilden und halten“, darin sieht der Geschäftsführer von Warner
TV Deutschland, René Jamm, eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Zurzeit
werden in seinem Unternehmen 21 Auszubildende als Mediengestalter Bild und
Ton, Kaufleute für audiovisuelle Medien sowie Mediengestalter Print und
Digital ausgebildet. „Wir bieten auch Quereinsteigern die Möglichkeit, sich
in manche Berufsfelder einzuarbeiten“, ergänzt der Film- und
Fernsehproduzent.
## Mehr Hochschulangebote
Einer der größten Studiobetriebe Europas, die MMC, beschäftigt 126
Mitarbeiter, darunter 25 Auszubildende, Trainees, Umschüler sowie
berufsbegleitende und duale Studenten. Seit 2013 hat das Unternehmen eine
Ausbildungsinitiative in Zusammenarbeit mit Hochschulen und privaten
Bildungsträgern gestartet.
Überhaupt haben sich die akademischen Möglichkeiten inzwischen wegen der
Nachfrage vermehrt. Die Internationale Filmschule Köln beispielsweise ist
vor 17 Jahren überhaupt erst entstanden, weil die Branche über mangelnden
gut ausgebildeten Nachwuchs geklagt hatte.
Die Möglichkeiten für Fort- und Weiterbildungen jenseits der künstlerischen
Medienberufe sind aber immer noch rar gesät. So beschreibt es Vera
Schöpfer: „Junge Menschen wollen nach wie vor gerne in Film und Medien
arbeiten, dabei ist die Konkurrenz in den Bereichen Kamera und Regie sehr
groß, doch es gibt auch andere Berufe, die ebenfalls wichtig und spannend
sind, aber nicht so sehr im Fokus stehen.“
## Kurse der Arbeitsagentur
Als Geschäftsführerin des Scope Institute organisiert sie zurzeit einen
Weiterbildungskurs zum Aufnahmeleiter in TV und Film, der ab November in
Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur starten soll. Die Branche, so
Steinfartz, soll darüber hellauf begeistert sein.
Sie betont: „Auch wenn Jobs in der Film- und Medienbranche immer noch eine
große Faszination ausüben – aktuell befinden wir uns in einer Phase der
geburtenschwachen Jahrgänge, da werden überall Fachkräfte gesucht.“
Die Chancen für einen Einstieg angesichts händeringend suchender Sender,
Produktions- und Postproduktionsunternehmen sind jedenfalls gestiegen. Aber
der vermeintliche Traumjob könnte sich dennoch als Illusion erweisen.
Denn Stress, unsichere Arbeitsverhältnisse und immense Überstunden sind
besonders bei den Berufen, in denen organisatorische oder logistische
Tätigkeiten durchgeführt werden müssen, an der Tagesordnung. In anderen
Branchen finden die „TV-Arbeiter“ dann doch bessere Konditionen.
18 Aug 2017
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Fernsehen
Medien
Agentur für Arbeit
Fachkräftemangel
Weiterbildung
Fernsehen
Minderjährige Geflüchtete
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Pflege
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