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# taz.de -- Familienbetrieb in Oberfranken: Die Brauerinnen
> Als Sigi Friedmann 1982 anfing, musste sie sich den Respekt der
> Biertrinker erst erkämpfen. Heute braut ihre Tochter mit.
Bild: Barbara Friedmann ist Brauerin in fünfter Generation
Gräfenberg/Nürnberg taz | Als die fränkische Kleinstadt Gräfenberg an
diesem Julimorgen langsam erwacht, ist Barbara Friedmann schon seit Stunden
bei der Arbeit. Es ist 8.45 Uhr, die Sonne kommt kaum hervor, ein erstes
Grüppchen Wanderer kreuzt den Marktplatz. Barbara Friedmann aber ist um
halb fünf aufgestanden, hat die Maschinen zum Abfüllen angeschmissen, ist
von ihrer Wohnung in den Gärkeller rüber und hat einen Blick in die
stählernen 4000-Liter-Bottiche geworfen. Es schäumt darin hellbraun, ein
süßlicher Duft.
Nun sitzt Friedmann in ihrem Büro, gerade legt sie das Telefon aus der
Hand. Sie stöhnt: „Der will ein Zehn-Liter-Fass Dunkles. Das füllen wir
extra ab. Und jetzt hat der schon das dritte Mal angerufen. Für zehn Liter
Bier.“
Friedmann ist Braumeisterin, das Unternehmen, das ihren Namen trägt, ist
auf halbem Weg zwischen Ortseinfahrt und Stadtmitte in einen Hügel
hineingebaut. Holzverschnörkelte Häuser, enge Gassen, viel zu wenig
Parkplätze, Ortskern mit Kopfsteinpflaster, 4000 Einwohner. Gräfenberg ist
eine typische Kleinstadt im Idyll Oberfranken.
Diese Gegend ist ja auch das deutsche Bierland Nummer 1. Auf eine Million
Einwohner kommen 178 Brauereien, sogar weltweit ist das Spitze. Die meisten
sind Mittelständler und brauen nach traditionellen Verfahren. Das
Liefergebiet der Brauerei Friedmann reicht nur 30 Kilometer um Gräfenberg
herum, weiter will man gar nicht wachsen. Der Kundenstamm sind Wirte,
Privatleute, Getränkemärkte. Was die Gräfenberger Brauerei aber von den
meisten der Region unterscheidet: Sie wird von Frauen geführt. Von Sigi und
Barbara Friedmann, Mutter und Tochter.
## Eine Frauenstimme sagt, sie sei der Braumeister
Sigi Friedmann steht nun vor der braun gefliesten Fassade mit der breiten
Laderampe, man hört hier noch die Abfüllanlage rattern und ächzen. Die
56-Jährige trägt ein weißes Poloshirt und Sportschuhe. Mit lauter Stimme
ruft sie knappe Anweisungen. Ihre Brauerei wurde 1875 erstmals in den
Urkunden der Stadt erwähnt, mindestens so lange ist sie im Familienbesitz.
Barbara Friedmann, 31, ist die fünfte Brauer-Generation. Als ihre Mutter
Sigi 1982 von der Brauerei-Akademie kam, war sie die jüngste Braumeisterin
Deutschlands. 20 Jahre jung, und sofort schmiss sie mit ihrem Vater Ludwig
den Betrieb.
Ihr Anfang war nicht leicht. Da gab es argwöhnische Kunden, die meckerten,
ihr Bier schmecke nicht mehr, seit Sigi im Betrieb sei. Oder Anrufer, die
stotterten, wenn eine Frauenstimme am Telefon ihnen sagte, sie sei der
Braumeister. Den Geschäftsführer möchte man dann bitte sprechen, hieß es
oft. Auch Sigi. Einige legten auf. „Frauen können das mindestens genauso
gut wie Männer“, sagt Sigi Friedmann. Ein Satz, eine Selbstverständlichkeit
– sie musste sie erkämpfen.
## Regionale Stammkunden
Dabei wollte Sigi Friedmann eigentlich gar nicht Brauerin werden. Sie
wollte reisen und Zeit für die Familie haben, niemals den harten Job ihres
Vaters übernehmen. Doch der hatte andere Pläne für seine Tochter: Er
schickte sie nach München, sie sollte Chemisch-Technische Assistentin
werden, im Labor arbeiten, wie sie es sich wünschte. Was sie nicht wusste:
Insgeheim schreibt er sie als Braumeisterin ein. An der Fachakademie kann
man beide Berufe lernen. Doch nach einiger Zeit flog der Schwindel auf.
Zuerst ging die Tochter auf die Barrikaden. „Doch die anderen Lehrlinge
haben alle von einer eigenen Brauerei geträumt“, erzählt sie. Sie blieb
beim Familienfach.
Als gegen Mittag die Abfüllanlage verstummt, hält ein dunkelblauer
Kleinwagen vor einem weißen Schild: „Bitte hier läuten!“ Daneben, in gro�…
Lettern: „Getränkeverkauf direkt ab Brauerei. Mo – Fr: 7.00 – 18.00 Uhr.…
Jürgen Wild, 73, bestellt vier Kästen Lager. „Ich hab' in der fränkischen
Schweiz schon ungefähr 50 Brauereien durchgemacht“, sagt er, „das hier ist
hängengeblieben“. Der Nürnberger macht alle paar Wochen seine Landtour:
Metzger, Markt, Brauerei. Die Kästen rattern auf rostigen Metallrohren,
links um die Ecke, bis vor den Kofferraum. Vier Kästen. Bei den Friedmanns
geht es um Kleinstmengen, nicht um den Weltmarkt.
## Lange lagert das Getränk nie
Barbara und Sigi arbeiten seit Jahren an der Kapazitätsgrenze. 500.000
Liter pro Jahr, mehr geht kaum noch. Und auch wenn sie ständig in neue
Technik und Maschinen investieren: Die Arbeit wird nicht weniger. Sie
arbeiten keine Großaufträge ab, sondern stehen in engem Kontakt mit ihrem
regionalen Kundenstamm. Der ist zwar treu, doch er will gepflegt werden und
hat Sonderwünsche. Zum Beispiel der Gastronom, der sein Bier partout per
Whatsapp bestellen will, nicht übers Telefon. Aus diesem alltäglichen
Hickhack kommen die Friedmanns nicht heraus, bei aller Automatisierung.
Was aber unterscheidet das Friedmann-Bier von dem der Großbrauereien?
Barbara Friedmann geht hastig ins Detail, sie spricht nun schnell,
enthusiastisch, erklärt, dass der Verzicht auf Kurzzeiterhitzung und
Stabilisation eine Qualitätsfrage sei. Dass die begrenzte Haltbarkeit, die
sich dadurch ergibt, im regionalen Markt eine untergeordnete Rolle spiele.
Denn dort lagert das Bier nicht lange.
## Ganz ohne Craft-Beer-Hype?
Aber auch am Bierland Oberfranken ging das Brauereisterben nicht spurlos
vorbei. Sinkender Bierkonsum und die Kampfpreise der Großen drückten viele
kleine Betriebe ins Aus. Doch das auflebende Interesse an regionalen
Produkten und der Trend, aus den fränkischen Städten – Bamberg, Bayreuth,
Nürnberg, Fürth – am Wochenende aufs Land zu fahren, bringt Entlastung.
In Berlin oder München heißt der Trend gerade Craft Beer, auch in
Oberfranken fasst er Fuß. Barbara Friedmann aber ist skeptisch: „In einem
normalen Hellen schmecke ich jeden Fehler. Aber in einem modernen
Craft-Bier, das ist so hopfenbetont, so bitter, da sag ich: Das gehört so.“
## „Deine Mutter mag mich eh nicht“
In der Nürnberger Altstadt quellen die Ströme von Touristen und Radfahrern
unablässig durch das Tiergärtnertor Richtung Zentrum. 19 Grad, zu kalt für
einen Juliabend, und auch die graue Wolkendecke verheißt nichts Gutes. Doch
auf dem Platz vor dem Tor reihen sich die Menschen um eine Kastanie. Reger
Betrieb. Barbara Friedmann sitzt mit ihrem Mann und den beiden Töchtern am
Rand und beobachtet. Später wird sie sagen: „Das würde bei uns auf dem Land
nie gehen. Auf der Straße sitzen und ein Bier für 3,20€ kaufen, das würde
kein Mensch machen. Und noch ein Pfand zahlen für das Glas!“
Als Barbara Friedmann zum ersten Mal hier, in der Gastronomie Bieramt,
vorbeischaute, hatte sie einen Kasten dabei. Sie wusste nicht, dass der
Mann hinter der Theke sie schon kannte. Er heißt Boris Braun und gibt einen
Brauereiatlas für Franken heraus. Auf Friedmanns Werbeofferte reagierte er
so: „Du kannst den Kasten schon da lassen, aber deine Mutter mag mich eh
nicht. Also das wird nix.“ Sigi hatte sich bei ihm telefonisch beschwert:
Das Foto ihrer Brauerei im Atlas sei hässlich. Die Bierwelt in Franken ist
eben überschaubar klein.
Heute aber ist das Friedmann-Bier ein Klassiker im Programm von Braun.
„Jeder, der ein Helles mag, freundet sich damit an. Nicht zu malzig, nicht
zu bitter. Trotzdem merkt man: Ein handgemachtes Bier“, sagt der Gastronom.
Nun setzt der Nieselregen ein. Barbara Friedmann zieht ihren Strickcardigan
zu, schaut rüber zu den beiden Töchtern. Eine könnte die Dritte in der
Riege der Friedmann-Braumeisterinnen werden. Noch toben die Kleinen
ausgelassen über das rutschig-nasse Kopfsteinpflaster. Barbara Friedmann
schickt vorsichtshalber ihren Mann zum Spielen.
18 Aug 2017
## AUTOREN
Ken Münster
## TAGS
Bier
Franken
Brauerei
Dorf
Humboldt-Universität
Schwerpunkt Angela Merkel
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