# taz.de -- Besucher beim Barenboim-Konzert: Ziemlich verstimmt | |
> Viele Besucher des Open-Air-Klassikkonzerts in der Waldbühne kamen mit | |
> den verschärften Sicherheitsvorkehrungen nicht zurecht – und gingen vor | |
> Beginn. | |
Bild: Ein toller Ort für ein Konzert – wenn man reingelassen wird: die Berli… | |
Selten hat man so viele Musikfans gesehen, die schon vor Beginn eines | |
Konzerts das Weite suchen. Noch seltener hat man so viel weißhaariges | |
Berliner Bürgertum getroffen, das sich so richtig – sagen wir es auf | |
berlinerisch – auskotzt über die Umstände eines Konzerts, für das die | |
meisten 50 Euro und mehr gezahlt hatten. | |
In der ja wirklich wunderschönen Waldbühne spielte am Sonntagabend – zum | |
achten Mal – das West-Eastern Divan Orchestra sein Sommerkonzert unter | |
Leitung von Daniel Barenboim. Der wird in Berlin als eine Art Heiliger | |
verehrt. Sogar die Wettervorhersage ist gut. Den musikalischen Genuss unter | |
freiem Himmel verpassen dennoch einige, obwohl das Klassikkonzert mit | |
15.000 Besuchern nicht ausverkauft ist. | |
Da ist etwa die Familie mit Kleinkind im Tragetuch, die am Eingang | |
abgewiesen wurde. „Kinder unter drei Jahren dürften nicht aufs Gelände“, | |
sei ihnen erklärt worden, berichtet der Vater verärgert. Dabei habe er hier | |
schon einige Konzerte erlebt, wo das möglich gewesen sei. | |
Da sind viele ältere Damen, die empört nach Hause gehen, weil sie ihre | |
Handtaschen, die mehr sind als Handtäschchen, nicht mitnehmen dürfen, und | |
die keine Lust haben, sich in die 100 Meter lange Schlage an dem einen | |
Container für die Taschenaufbewahrung anzustellen. Immerhin ist es | |
inzwischen 18.45 Uhr; um sieben soll das Konzert beginnen. | |
Drinnen kennen die Musiker kein Erbarmen mit den draußen wartenden | |
Klassikfreunden: Kurz nach sieben beginnt das Konzert. Da warten noch viele | |
auf den Rängen auf ihre Freunde vor der Tür. Die mosern später etwa | |
darüber, wie sie mit ihrer Tasche an zwei Vorkontrollen durchgelassen | |
wurden, an der letzten – entscheidenden – aber scheiterten. Nur die | |
Fledermaus, die zu den Klängen von Tschaikowski einsam ihre Runden durch | |
den Himmel über der Bühne fliegt, stört das alles nicht. | |
Noch vor einigen Jahren waren Klassikkonzerte in der Waldbühne große | |
Picknicke, zu der die Besucher mit ganzen Körben voller Essen und Trinken | |
anrückten. Irgendwann wurden die Weinflaschen aus Glas verboten, später die | |
Körbe. Und seit dem Anschlag auf den Breitscheidplatz im Dezember ist alles | |
noch viel schlimmer: Seitdem dürfen auf so gut wie alle Konzerte nur noch | |
Din-A4-große Rucksäcke mitgenommen werden oder Taschen mit nur einem Fach. | |
Und es ist fast schon rührend anzusehen, wie die Sicherheitsmitarbeiter am | |
Sonntagabend 80-jährigen Besuchern die Tasche vermessen – und wegen zwei | |
Zentimetern Übergröße abweisen. | |
Viele der Einschränkungen sind kleingedruckt auch auf den Tickets vermerkt. | |
Offenbar haben diese Hinweise aber nur wenige gelesen. | |
Am Montag ist man sich auch beim Konzertveranstalter Semmel Concerts – der | |
laut eigenem Logo „premium entertainment“ anbietet – bewusst, dass viele | |
Besucher merklich verstimmt waren. „Das tut uns leid“, sagt eine | |
Mitarbeiterin am Telefon. Man bitte aber um die „Einsicht in die | |
Notwendigkeit“ für die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen – und kündigt | |
an, dass die Abläufe intern ausgewertet werde. | |
Das Konzert war übrigens toll. | |
14 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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