Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der Kotzbrocken und der Rebell
> Mick Jagger kann einfach keine Ruhe geben. Jetzt hat der ebenso steinalte
> wie steinreiche Rolling Stone auch noch ein Lied über den Brexit
> geschrieben.
Bild: Begehrtes Konzert: Die Rolling Stones beim Start ihrer Europa-Tour am 9. …
Ich erinnere mich noch genau, wie mein Grundschulfreund Sebastian Anfang
der sechziger Jahre von einer neuen Band erzählte, deren Mitglieder
Lippenstift trugen und in Schlafanzügen auftraten. Sebastian hatte eine
ältere Schwester und war deshalb besser als ich über neue Musiktrends
informiert. Es ging natürlich um die Rolling Stones, und wir waren von
ihrem rebellischen Auftreten fasziniert.
Vom Rebellentum hat sich die Band vor langer Zeit stillschweigend
verabschiedet. Sänger Mick Jagger ist von der Queen zum Sir befördert
worden. Dennoch kann er nicht in Würde altern. Nachdem Premierministerin
Theresa May im März den offiziellen Antrag auf den Austritt aus der
Europäischen Union in Brüssel eingereicht hatte, schrieb Jagger ein Lied.
„Ich hatte ein Mädchen in Lissabon, ich hatte ein Mädchen in Rom, nun muss
ich zu Hause bleiben“, heißt es in „England Lost“. Okay, im Englischen
reimt sich Rome auf home, aber besser wird das Lied dadurch nicht. Außerdem
plant weder die britische Regierung noch die Europäische Union, Engländern
nach dem Brexit die Ausreise zu verwehren. Bei Jagger könnten sie aber
ruhig eine Ausnahme machen.
Wenn Musiker sich mit Politik beschäftigen, kommt fast immer Murks dabei
heraus. Jagger war lautstarker Fan von Margaret Thatcher und wurde öfter
von ihr zu Privataudienzen in die Downing Street eingeladen. Der Eiserne
Kotzbrocken war, wenn es darauf ankam, proeuropäisch. Ist Jagger deshalb
wegen des Brexit besorgt, wie er behauptet? Oder ist es pure Heuchelei?
Kurz vor dem Referendum im vorigen Jahr hatte er in einem Interview mit
Rupert Murdochs „Sky News“ erklärt, dass der Brexit langfristig vorteilhaft
für das Vereinigte Königreich sein werde. Hat ihn der Zeitgeist, den er
laut Musikzeitschriften mit dem Lied eingefangen habe, zum
Meinungsumschwung bewogen?
„England Lost“ reflektiere die Verletzlichkeit von England: „Ich wollte
England finden, aber es war nicht da. Ich glaube, ich habe es hinten in
meinem Sessel verloren. Ich will nicht mehr über Immigration reden. Du
kannst nicht rein, und du kannst nicht raus.“ In dem Song stecke viel
Humor, sagt Jagger. Tatsächlich? Es muss sich um englischen Humor handeln.
Seine Sorgenfalten wegen England sind rührend. 1971 war ihm das Land
schnuppe. Er zog nach Frankreich, um Steuern zu sparen, die ihm die
damalige Labour-Regierung abknöpfen wollte. Die Stones verlagerten ihren
Hauptsitz nach Amsterdam, weil die niederländischen Steuern auf Tantiemen
viel niedriger sind als in der englischen Heimat. So musste die Band auf
ein Einkommen von 450 Millionen Dollar lediglich 1,6 Prozent Steuern
berappen. Nur Apple zahlt noch weniger Steuern.
Die Plattenfirma wollte das Lied eigentlich erst nächstes Jahr
veröffentlichen, aber Jagger hatte es eilig. „Ich wollte nicht warten, bis
der Song seine Wirkung verloren hat und nichts mehr bedeutet.“ Sorry, Sir
Mick, aber das tut er jetzt schon nicht.
14 Aug 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Großbritannien
Schwerpunkt Brexit
Mick Jagger
Konzert
Irland
Diät
Nordirland
Windsors
Großbritannien
Großbritannien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachspiel für Stadtpark-Konzert: Freikarten bringen Stein ins Rollen
100 Freikarten für die Rolling Stones gingen an die Genehmigungsbehörde.
Nun durchsuchte die Polizei das Bezirksamt. Der Vorwurf: Bestechung
Die Wahrheit: Der Schildawald
Um es kurz zu machen: Irland führt so manches im Schilde. Doch lesen Sie
selbst …
Die Wahrheit: Zehn ganze Portionen am Tag
„Nach zwei Tagen komme ich mir vor wie eine Komposttonne. Wozu ewig leben,
wenn man dafür auf Laub herumkauen muss? …“
Die Wahrheit: Mumien, die auf Ziegen reiten
Einem Mitglied des nordirischen Oranier-Ordens ist etwas Schlimmes
aufgefallen: Ein katholischer Brauch hat sich bei den Protestanten
eingeschlichen.
Die Wahrheit: Langweiler mit schlechten Manieren
Queengemahl Prinz Philip hatte seinen letzten Auftritt. Endlich: Er hat in
seiner Dienstzeit Menschen auf allen Kontinenten beleidigt.
Die Wahrheit: Männer und Würstchen
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie zu ihrem Geburtstag fünf
identische Glückwunschkarten bekommen? Eine bewegende Frage, indeed …
Die Wahrheit: Inzestuöse Stammbäume
Alles Unschöne über Rhodri Colwyn Philipps, Lord St. Davids of Lydstep
Haven in the County of Pembroke, Baron Hungerford … usf. lesen Sie hier.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.