# taz.de -- Kliniken weisen Schwerbehinderte ab: Hilflos im Krankenhaus | |
> Viele Schwerbehinderte benötigen auch im Krankenhaus eine spezielle | |
> Rundum-Betreuung, die das Klinikpersonal nicht leisten kann. | |
Bild: Dass ein Roboter Menschen mit Schwerbehinderung assistieren kann, ist im … | |
Michael Landers* ist schwerbehindert. Eine fortgeschrittene Muskelschwäche | |
hindert den 21-jährigen Hamburger, der im Rollstuhl sitzt, an fast jeder | |
selbstständigen Tätigkeit. Er kann nicht allein essen, sich nicht | |
selbstständig fortbewegen, sich nicht einmal im Bett ohne fremde Hilfe von | |
der einen auf die andere Seite drehen. Um den Alltag zu bewältigen, braucht | |
der junge Mann rund um die Uhr eine persönliche Assistenz. Die haben ihm | |
die Techniker Krankenkasse (TK), bei der er pflegeversichert ist, und das | |
Fachamt Grundsicherung des Bezirks, auch bewilligt. Außer er muss ins | |
Krankenhaus. | |
Dann, so die Kasse, habe die Klinik alle pflegerischen Leistungen | |
sicherzustellen, eine Doppelversorgung komme nicht infrage. Doch mehrfach | |
schon lehnten verschiedene Krankenhäuser eine Aufnahme von Landers mit der | |
Begründung ab, dass sie für seine notwendige Rundum-Betreuung weder | |
personell und fachlich noch finanziell ausgestattet seien. | |
„Es geht nicht um Doppelversorgung“, betont Gösta Marnau, | |
geschäftsführender Vorstand der Hamburger Assistenz-Genossenschaft, die die | |
Rundum-Betreuung für Schwerstbehinderte wie Landers organisiert. „Ich kann | |
nicht einmal die Klingel drücken, wenn ich dringend Hilfe benötige“, | |
erläutert Landers, warum er permanente Unterstützung braucht. Wenn ihm beim | |
Essen geholfen wird, geht das zudem nur in einer speziellen Sitzhaltung und | |
auch die Umbettung des Mannes funktioniert aufgrund seiner Behinderung | |
anders als bei anderen Krankenhauspatienten – Besonderheiten, für die das | |
Krankenhauspersonal nicht geschult ist. „Eine persönliche Assistenz ist | |
deshalb auch bei einem Krankenhaushalt absolut notwendig“, sagt Marnau. | |
Doch die sei, so teilte die TK Landers mit, laut Sozialgesetzbuch nicht | |
vorgesehen. Landers ist kein Einzelfall. Tatsächlich gibt es hier eine | |
Rechtslücke, gegen die die Behindertenverbände, die Betroffenen und auch | |
ihre Assistenten schon mehrfach auf die Straße gingen. | |
Und auch verschiedene Gerichte haben in ihren Entscheidungen immer wieder | |
betont, dass auch in der Klinik eine zusätzliche Assistenz für Menschen mit | |
Schwerbehinderung notwendig und ihre Bezahlung durch Krankenkassen oder | |
andere Kostenträger geboten sei. | |
So wies das Landessozialgericht Schleswig-Holstein im September 2013 die | |
Beschwerde einer Krankenkasse, die die Kosten einer Assistenz im Hospital | |
nicht übernehmen wollte, zurück und bestätigte den „Anspruch auf | |
Weiterzahlung der Kosten der Assistenz in Krankenhäusern“ (Az.: L5KR | |
144/13B ER). Die existierende „Regelungslücke sei ungeplant“ vom | |
Gesetzgeber und quasi ein handwerklicher Fehler. | |
In einem vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Gutachten kommt | |
die Berliner Sozialwissenschaftlerin Clara Becker zu dem Ergebnis, „dass | |
die deutsche Gesetzeslage den völkerrechtlichen Vorgaben aus der | |
UN-Behindertenkonvention nicht entspricht“. Geändert hat das alles in der | |
Praxis nichts. „Der Gesetzgeber hat das Problem erkannt, handelt aber | |
nicht“, klagt Clara Becker. | |
Als Landers 2015 stationär behandelt werden musste, wurde er ohne jede | |
medizinische Notwendigkeit künstlich ernährt, weil das Krankenhauspersonal | |
sich nicht in der Lage sah, dem jungen Mann fachgerecht das Essen zu | |
reichen. In diesem Jahr lehnten es erst das Asklepios Klinikum | |
Hamburg-Harburg, später dann das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf ab, | |
Landers ohne Assistenz aufzunehmen. | |
Die Hamburger Assistenz-Genossenschaft stellte Landers trotz mehrerer | |
Ablehnungsbescheide von Kasse und Fachamt eine Vollzeitbetreuung, um die | |
notwendige medizinische Versorgung zu gewährleisten. Auf den Kosten dafür – | |
rund 40.000 Euro – blieb sie bislang sitzen. | |
*Name geändert | |
25 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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