Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Feministisches zwischen Pop und Punk: Ende einer Beziehung
> Die Musikerin Katie Crutchfield verarbeitet mit ihrem neuen Album eine
> Trennung. Am Ende von „Out in the Storm“ ist alles wieder gut.
Bild: Erzeugt auf ihrem Album das Auf und Ab eines Sturms: Katie Crutchfield
Ein bisschen manisch, so bezeichnet Katie Crutchfield die Atmosphäre ihres
neuen Albums. „Out in the Storm“ heißt das neue Werk der 27-Jährigen, die
als Waxahatchee Musik macht. Ihren Künstlernamen hat sie nach dem Fluss,
der in der Nähe ihres Elternhauses, tief im Süden der USA im Bundesstaat
Alabama verläuft.
„I’m fading away“, surrt die Musikerin, die heute in der Ostküstenmetrop…
Philadelphia lebt. Begleitet wird sie dabei nur von ihrer Gitarre. Beim
ersten Hören ihrer neuen Songs kommt man nicht auf die Idee, dass dieses
Mal mehr Menschen an der Produktion des Albums beteiligt gewesen sind als
je zuvor. Für den 2015 erschienenen Vorgänger, „Ivy Tripp“, hatte sich
Katie Crutchfield mit ihrem damaligen Freund Keith Spencer in einem
Vorstadthaus eingemietet. Damals machte sie ein Album übers
Erwachsenwerden. Nach den Aufnahmen trennten sie sich.
Zwei Jahre später handeln die meisten Songs auf „Out in the Storm“ vom Ende
einer Beziehung. Aber es ist weder eine Abrechnung, noch klingt es
trauernd. „Out in the Storm“ erzählt in zehn aufrichtigen Songs, was man
während einer Trennung durchmacht, wie man sich selbst kaum wiedererkennt,
und dabei ist, sich fast aufzugeben: „I was out of my body / I was losing
my mind / I was halfway out the door“, singt Waxahatchee in „Recite
Remorse“.
„Auf dem Album geht es um das ganze Spektrum von Gefühlen, die man am Ende
einer Beziehung erlebt“, sagt sie im taz-Interview. „Ein Sturm bedeutet,
dass alles chaotisch ist, aber auch, dass es ein Ende haben wird. Das hat
etwas Hoffnungsvolles: Der Sturm wird enden, und alles wird wieder gut.“
## Ruhe und Aufbrausen
Ruhe und Aufbrausen, beide Ebenen spiegelt „Out in the Storm“ in seiner
Dramaturgie: In sich gekehrte, stille Songs wechseln sich mit lauten,
energischen Songs ab. „Das Album ist geschlossener als alles, was ich
vorher komponiert habe. Ich mag dieses musikalische Auf und Ab, es passt
zur dramatischen Energie der Songtexte.“
Auch innerhalb der Songs gibt es einen Kontrast zwischen Waxahatchees
klarer Stimme und dem rotzigen Sound der Gitarren. In einer Emulsion von
Punk und Pop beschwört sie US-Indie-Rock der neunziger Jahre herauf,
verbindet Melancholie und Schrammeligkeit. Katie Crutchfield gehört zur
Napster-Generation. Während sich ihre Vorbilder Rilo Kiley, The Slits und
X-Ray Spex Musik noch über Plattenläden erschließen mussten, gehen sie und
ihre Zwillingsschwester Allison Anfang der Nuller ins Netz. „Alles, was du
dir vorstellen konntest, lag unter deinen Fingerspitzen. Filesharing war
das große Ding“, sagt die 1989 geborene Musikerin.
Mit 14 nehmen Katie und Allison selbst Gitarre und Drumsticks in die Hand:
„Wir haben Punk gehört, der von Frauen gespielt wurde. Also haben wir
versucht, solche Musik zu machen.“ Kurz darauf standen sie auch schon auf
den Bühnen ihrer Heimatstadt Birmingham/Alabama, kamen mit anderen Bands in
Kontakt. Sie begründeten die lokale Punkszene, als sie 15 waren.
Bei den ersten Gigs außerhalb der 200.000-Seelen-Stadt ändert sich ihr
Verhältnis zu den Bühnen der Jugend: „Da waren so viele Jungs. Zuerst waren
wir beflügelt, überhaupt Musik machen zu können, aber mit den Jahren haben
wir angefangen, uns fremd zu fühlen.“ Ihr zweischneidiges Verhältnis zur
lokalen Musikszene brachte die Crutchfield-Schwestern schließlich dazu,
Birmingham zu verlassen. Mit ihrer Band P. S. Eliot hatten sie sich einige
Fans erspielt, auch in Großstädten wie Philadelphia – nicht nur eine
mehrtägige Busreise entfernt, sondern eigene Universen, in denen
feministische Theorien und Gedanken an der Tagesordnung waren.
Heute steht Waxahatchee mit Katie Harkin im Studio, Tour-Gitarristin von
Sleater-Kinney. Vergangenes Jahr war Crutchfield auch der Star in einem
Video von The Julie Ruin, der aktuellen Band von Kathleen Hanna von Bikini
Kill. Könnte man in diesem Aufeinandertreffen zweier Generationen von
angrrry girls, von einer Art zweiter Riot-Welle sprechen?
„Absolut!“, findet Crutchfield. „Das spricht doch für die Egos dieser
Bewegung: Musikerinnen, die zusammenhalten und einander unterstützen. Das
ist so inspirierend! Wenn die Zeit kommt, möchte ich mich jungen Frauen,
die Bands gründen wollen, gegenüber genauso verhalten.“
Nachdem die Zwillingsschwestern ihre Punkband P. S. Eliot 2011 aufgelöst
haben, um etwas kreativen Abstand zu bekommen, gehen sie heute wieder
gemeinsam ins Studio. Allison Crutchfield spielt auf „Out in the Storm“
Keyboard, dazu kommen Katherine Simonetti (Bass), Ashley Arnwine
(Schlagzeug) und die zweite Lead-Gitarristin Katie Harkin. Produzent John
Agnello überzeugte Waxahatchee, das Album mit ihrer Band im Studio live
einzuspielen.
## Gebündelte Energie
Dank ihm und Harkin ist „Out in the Storm“ nicht nur ein introvertiertes
Trennungsalbum geworden, sondern es bündelt auch die Energie von
Waxahatchee im Zusammenspiel mit ihrer Band. Das Ergebnis ist ein
gitarrenlastiges Album. „Auf welche Weise die beiden im Studio gearbeitet
haben, war magisch“, sagt Waxahatchee. „Wie sie mit den Gitarren und
Effekten gearbeitet haben – diese Atmosphäre ist absolut einzigartig.“
Diese Klangsignatur umspielt das Laute und Leise der Waxahatchee-Songs, in
denen die Künstlerin Fragen nach dem Selbstbild stellt. Fragen, die
Crutchfield sich und anderen bereits auf drei Alben zuvor gestellt und
beantwortet hat. Nun ist sie wieder an so einem Punkt.
„Ich habe mich am Ende unserer Beziehung selbst nicht unbedingt gemocht“,
sagt Waxahatchee. Schließlich ist es ihre Zwillingsschwester, die zu ihrem
emotionalen Spiegel wird und sie wieder zu der fröhlichen und unbeschwerten
Person macht, die Katie Crutchfield sein will.
In „Sparks Fly“ heißt es: „I see myself through my sister’s eyes / I�…
live wire, electrified.“
Manchmal braucht man die Perspektive einer anderen, um sich selbst wieder
richtig zu sehen – und dann ein zutiefst offenes Album zu schreiben. Beides
ist Waxahatchee mit „Out in the Storm“ geglückt.
16 Jul 2017
## AUTOREN
Diviam Hoffmann
## TAGS
Punk
Feminismus
Musik
Feminismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Doku zu 40 Jahre „Rockpalast-Nacht“: Rock mit Schnauzer
Sechs Stunden Musik im TV, das würde es heute nicht mehr geben. Die
ARD-Doku „40 Jahre Rockpalast-Nacht“ erinnert an eine legendäre Sendung.
Riot Grrrl Carrie Brownstein: „Feminismus wurde Teil des Pop“
Die US-Musikerin und Autorin Carrie Brownstein über Schreiben als roter
Faden, Humor in Portland und die Wucht ihrer Band Sleater-Kinney.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.