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# taz.de -- Trumps Polen-Besuch: Chaotisch, pathetisch, durchdacht
> Der US-Präsident lässt sich in Warschau frenetisch feiern – und deutet
> einen Kurswechsel der amerikanischen Außenpolitik an.
Bild: „Die Polen stellen für uns die Seele Europas dar“, sagte Trump zur F…
Warschau taz | Wie ein Fanal sollte die Warschauer Rede Donald Trumps
wirken. Und viele hatten tatsächlich auf einen Durchbruch gehofft. Denn die
als „weltpolitische Grundsatzrede“ angekündigte Ansprache vor dem Denkmal
des Warschauer Aufstandes von 1944 sollte dem US-Präsidenten auf seinem Weg
zum G20-Gipfel in Hamburg vorauseilen und bislang kontroverse Punkte in
seiner Haltung zur Nato-Beistandspflicht und zu Russland klarstellen.
„Arm in Arm verteidigen wir Artikel 5 der Nato-Charta“, sagte der
US-Präsident denn auch tatsächlich in Warschau. Dabei forderte er
allerdings erneut die europäischen Partner auf, sich finanziell stärker zu
engagieren. Ob die USA – im Fall des Falles – ein Nato-Mitglied verteidigen
würden, das nicht jährlich 2 Prozent des Bruttosozialprodukts in Armee und
Rüstung steckt, ließ er offen. Ein Fanal klingt dann doch anders.
Für die vor dem Denkmal versammelten Polen hatte Trump hingegen viele warme
Worte übrig. Zum Dank dafür feierten sie ihn mit frenetischen „Donald
Trump! Donald Trump!“-Rufen. Der Verdacht, dass es sich dabei um von Polens
Regierung bestellte Claqueure handeln könnte, erhärtete sich, als Trump
nach Präsident Andrzej Duda und Premier Beata Szydło auch den ehemaligen
Gewerkschaftsführer und Freiheitshelden Lech Wałęsa begrüßte.
Die Warschauer Trump-Fans dagegen pfiffen den Mann aus, dem Polen seine
1989 wiedergewonnene Freiheit und Unabhängigkeit verdankt. Trump, der davon
gehört haben mag, dass die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und
Gerechtigkeit (PiS) versucht, die Geschichte Polens umzuschreiben und
Wałęsa als Stasi-Spitzel hinzustellen, hielt kurz inne. Fragend sah er in
die Runde. Die Pfiffe irritierten ihn sichtlich.
## Polen als „geografisches Herz Europas“
Dann ließ er die Geschichte Polens Revue passieren, erinnerte daran, dass
Polen in der Zeit der Teilungen für 120 Jahre von der Landkarte Europas
verschwunden und 1939 erneut von seinen Nachbarn Deutschland und Russland
überfallen und geteilt worden war. Obwohl er vor dem Denkmal des Warschauer
Aufstandes 1944 sprach, erinnerte er auch an die Ghettos, den Warschauer
Ghetto-Aufstand 1943 und den fortwährenden Widerstand gegen Unterdrückung
und Besatzung.
Obwohl in Trumps Worten viel Pathos mitschwang und die Rede insgesamt
leicht chaotisch klang, wirkten diese Worte doch sehr durchdacht. Dies mag
auch daran liegen, dass neben der First Lady Melania auch Trumps Tochter
Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner mit nach Warschau gekommen waren.
Die Großmutter von Jared Kusher überlebte die Schoah in der jüdischen
Partisanengruppe der Bielski-Brüder im weißrussisch-polnischen Grenzgebiet.
Während Donald Trump als Ehrengast für eine knappe Stunde am
Drei-Meeres-Gipfel teilnahm, seine Frau gemeinsam mit Polens First Lady
Agata Kornhauser-Duda das Kopernikus-Zentrum besuchte, nahmen Ivanka und
Jared an einer religiösen Zeremonie vor dem Denkmal der Warschauer
Ghettohelden von 1943 teil. Polens Oberrabbiner Michael Schudrich sprach
das Kaddisch, das jüdische Totengebet. Die Geschichte Polens dürfte den
Trumps also geläufig sein.
„Polen ist das geografische Herz Europas“, fiel der US-Präsident in seiner
Rede am Krasinski-Platz wieder ins Pathos. „Und die Polen stellen für uns
die Seele Europas dar!“ Sie hätten sich ihren Freiheitswillen nie nehmen
lassen. Wieder jubelten die Claqueure „Donald Trump! Donald Trump!“, und so
ging unter, dass es mit Rechtsstaat und Demokratie in Polen zurzeit nicht
zum Besten steht. Trump kritisierte auch nicht, dass die derzeitige
Regierung Polens die Freiheiten seiner Staatsbürger immer mehr einschränkt
und nun auch die Zivilgesellschaft unter ihre Kontrolle stellen will.
## „Destabilisierendes Verhalten“ Russlands
Statt dessen forderte Trump Russland und Wladimir Putin auf, die Ukraine
nicht mehr weiter zu destabilisieren. Tatsächlich hat die USA den Ukrainern
zugesagt, demnächst Defensivwaffen gegen die Separatisten in der Ostukraine
zu liefern. Diese werden von Russland mit schwerem Gerät und Soldaten ohne
Hoheitsabzeichen unterstützt. Der Satz über das „destabilisierende
Verhalten Russlands in der Ukraine“ wurde von Moskau umgehend
zurückgewiesen. „Mit dieser Sichtweise sind wir nicht einverstanden“,
empörte sich Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag.
Auf dem G20-Treffen in Hamburg trifft Trump als Erstes mit Bundeskanzlerin
Angela Merkel zusammen, direkt danach aber auch mit Russland Präsidenten
Putin. Hierzu tönte die Fanfare Trumps in Warschau laut und vernehmlich.
„Lasst uns alle gemeinsam so kämpfen wie die Polen!“, beendete der
US-Präsident seine Rede. „Für die Familie, für die Freiheit, für das Land
und für Gott. Gott segne die Polen, unsere Bündnispartner und die
Vereinigten Staaten von Amerika.“
6 Jul 2017
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Patriot-Raketen
Russland
Nato
Polen
Donald Trump
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Donald Trump
Bundesrepublik Deutschland
Polen
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