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# taz.de -- Comic „Dylan Dog“ auf Deutsch: Jäger des Grauens
> Was Umberto Eco gerne las: die ab- und tiefgründige Comicserie „Dylan
> Dog“ des italienischen Autors Tiziano Sclavi.
Bild: Szene aus Sclavis „Dylan Dog“, Band 16, „Das Schloss der Angst“
Manche Comics besitzen in ihrem Herkunftsland einen legendären Ruf, dem
deutschen Publikum sind sie aber nur schwer zu vermitteln. Das ist
nachvollziehbar, wenn die Zielgruppe begrenzt und die kulturellen
Differenzen erheblich sind.
Der satirische Comicstrip „Doonesbury“ etwa, der seit 1970 von Gary Trudeau
geschrieben und gezeichnet wird, ist zwar genial, erfordert aber eine große
Vertrautheit mit den Wechselfällen der US-amerikanischen Politik und
Gesellschaft.
Aber auch Comics, die sich an eine breite Leserschaft richten und wegen
ihres universalen Appeals wenig voraussetzen, tun sich bei uns nicht
zwangsläufig leicht – ein Beispiel hierfür ist die italienische Serie
„Dylan Dog“. Erfunden wurde sie vor 31 Jahren von dem 1953 geborenen
Romanautor und Szenaristen Tiziano Sclavi. Die Hauptfigur ist ein in London
lebender Privatdetektiv, der sich auf das Paranormale spezialisiert hat,
daher sein Spitzname „Jäger des Grauens“.
## Ein südländischer Beau
Dylan Dog weist zunächst einmal viele Merkmale einer klassischen
Heldenfigur auf. Er schaut blendend aus – wie ein südländischer Beau – und
hat entsprechenden Erfolg bei Frauen. Seine immer gleiche Kleidung ist
symbolisch aufgeladen: Blue Jeans und Sportschuhe signalisieren Lässigkeit,
rotes Hemd und schwarzes Sakko sorgen für eine Anmutung des Diabolischen.
Einen kuriosen Sidekick hat Dylan auch: Sein Gehilfe Groucho ist ein
Doppelgänger von Groucho Marx; mit Herumgehampel und irrwitzigen
Wortspielen kommt ihm die Aufgabe zu, für comic relief zu sorgen.
Zugleich wäre die Serie aber nicht denkbar ohne das italienische Horrorkino
der Sechziger bis Achtziger, das die englischen und amerikanischen
Genremuster gern auf die trashig-manieristische Spitze treibt. Die ersten
drei Geschichten orientieren sich sehr eng an einschlägigen Vorbildern.
In „Morgendämmerung der Untoten“ taumeln Zombies durch die englische
Provinz; in „Jack the Ripper“ beschwören Okkultisten leichtfertig den Geist
des Berühmtesten aller Serienmörder. „Vollmondnächte“ spielt in einem
Mädcheninternat im Schwarzwald, das direkt aus Dario Argentos „Suspiria“
(1977) in den Comic transferiert worden ist.
In späteren Folgen agiert Sclavi freier. Er plagiiert und kombiniert,
variiert und zitiert in der kühnsten Weise. In „Die Schönheit des Dämons“
verfällt ein Gangster einer attraktiven Teufelin, die einer Film-
noir-Femme-fatale gleicht. In „Alpha und Omega“ verbinden sich Motive aus
„Flying Saucers Attack!“-Filmen der Fünfziger, aus Kubricks „2001“ und…
Lovecrafts Cthulhu-Storys. Besonders bizarr: In „Killer!“ kommt es zu
einem Mash-up von Terminator- und Golem-Mythos.
Dass Umberto Eco ein begeisterter, regelmäßiger „Dylan Dog“-Leser war,
verwundert nicht. Faszinierend an dieser Serie ist, dass sich in ihr etwas
zutiefst Widersprüchliches manifestiert, etwas, das es eigentlich gar nicht
geben kann: eine naive Postmoderne. Dem etwas altklugen, sich selbst auf
die Schulter klopfenden Hipstertum, das mit Hyperreferenzialität sonst
einhergeht, steht diese Ästhetik sehr fern: Sie zeugt von einer gleichsam
naturwüchsigen Gefräßigkeit.
Wie in jedem Horror, der seinem Namen gerecht werden will, wird in „Dylan
Dog“ zudem an Urängste gerührt. In Splatterszenen werden Körper furchtbar
versehrt. Hilfloses, albtraumhaftes Ausgeliefertsein und die
Unausweichlichkeit des Todes sind ebenfalls wiederkehrende Motive.
Einmal finden sich erst ein Mann, dann seine Tochter kommunikationsunfähig,
aber mit wachem Bewusstsein auf einem OP-Tisch wieder. Ein anderes Mal
springt Dylan durch einen splitternden Spiegel der Sensenmann entgegen:
„Keine Angst, wir sehen uns wieder“, versichert der bleiche Geselle dann
zum Abschied mit grimmiger Miene.
## Patchwork-Exzesse
Tiziano Sclavi hat „Dylan Dog“ lange fast allein geschrieben; die Zeichner
dagegen wechselten sich von Anfang an ab. Es gibt bessere und schwächere
unter ihnen, aber ein solides handwerkliches Niveau unterschreitet keiner.
Ungewöhnliche Perspektiven und Einstellungsgrößen werden zumeist gemieden.
Die Seitenaufteilung ist streng; meistens besteht sie aus drei Reihen zu je
zwei Panels. Die Bilder treten in den Dienst der Handlung, indem sie zu
deren Patchwork-Exzessen kein visuelles Äquivalent bilden, sondern an eine
Tradition anschließen, die in die Zeit zurückreicht, als Comics noch
ausschließlich in Zeitungen erschienen.
Bisherige Anläufe, „Dylan Dog“ in Deutschland zu etablieren, sind recht
kläglich gescheitert. Dies ist nun der dritte und ambitionierteste Versuch.
Die Serie wird erstmals in der korrekten Reihenfolge veröffentlicht; jedes
der solide designten Hardcoverbücher enthält drei Abenteuer.
Ein wenig bedauern muss man die Kolorierung – das ursprüngliche
Schwarz-Weiß ist doch wesentlich atmosphärischer. Unbedingt zu wünschen ist
aber, dass deAbbildung: Libellusr kleine Münchener Libellus Verlag das
langjährige Unternehmen, auf das er sich da eingelassen hat, durchhalten
wird. In Italien erscheint „Dylan Dog“ monatlich: Es liegt also Material
für über 120 Sammelbände vor.
26 Jul 2017
## AUTOREN
Christoph Haas
## TAGS
Comic
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