# taz.de -- 85. Geburtstag des Schriftstellers Ror Wolf: Das sind die Worte, da… | |
> Dem Dichter der gesprochenen Sprache zum 85. Geburtstag: „Die Gedichte“ | |
> von Ror Wolf sind jetzt vollständig in einem Band erschienen. | |
Bild: „Hans Waldmann: rauchend, stumm und leicht gebogen, / ist jetzt, am End… | |
Für ihn lässt sich schlecht werben. Die Begeisterung, die Freude an Ror | |
Wolfs Worten kann man eigentlich nur weitergeben wie einen Staffelstab. Es | |
muss schon jemand bereitstehen, der ihn nehmen will. | |
Das Einzige, was einem bleibt, ist ihn demonstrativ hochzuhalten. Dass | |
andere ihn sehen und greifen. Ror Wolfs Sprachkunst wird im Feuilleton | |
regelmäßig gelobt, vielen gilt der 1932 geborene Schriftsteller und | |
Künstler als der größte lebende deutsche Dichter überhaupt, unbestritten | |
ist er der größte deutsche Fußballdichter. | |
Ihn auf diesen Teil seines Werks beschränken zu wollen, wäre allerdings ein | |
Fehler, der Großteil seiner Lyrik spielt außerhalb des Fußballfelds, wie | |
der bei Schöffling & Co. erschienene Band „Die Gedichte“ umfassend belegt. | |
Als Dichterfürst taugt er andererseits auch nicht so recht. Große Gesten, | |
Pathos und sonstige Unannehmlichkeiten, die einem mitunter in Gedichtform | |
begegnen, finden sich bei Ror Wolf nicht. | |
Dafür findet sich ein besonders wacher Sinn für die gesprochene Sprache, | |
wie für ihn überhaupt fast alle Wörter der Dichtung würdig sind, verbunden | |
mit einem Formsinn, der keine Furcht vor gereimten Versen im Allgemeinen | |
oder vor Sonetten im Speziellen kennt. Hinzu kommt ein Humor, der Abstand | |
zu reinen Blödeleien wahrt, sich dafür ohne zu zögern mit Drastik, | |
Schrecken oder dem Elend des Menschen paart. Vielleicht ist es diese | |
Eigenart, die manchen kauzig oder gar unheimlich vorkommt. Klamauk ohne | |
Nebenwirkungen ist mit ihm nicht zu haben. | |
Selbst da, wo er sich scheinbar ganz dem Klang des Sprachmaterials hingibt, | |
blitzen Abgründe oder andere Überraschungen auf. Auch in seinen | |
Wiederholungen, unermüdlichen Wiederholungen, wie das legendäre | |
unaufhörliche Fallen seines „Helden“ Hans Waldmann in „ruhe ruhe“, der… | |
Strophe zu Strophe in immer neue Senken, Gruben oder Trichter stürzt, | |
beginnend mit den Zeilen: „aus der ferne grüßt der watzmann spitz / und | |
hans waldmann fällt in einen schlitz“. | |
## Ausschließlich seinem eigenen Programm verpflichtet | |
In Wolfs Poetik können die Grenzen zwischen Worten und dem, was sie | |
bedeuten, schon mal verschwimmen: „Aus den Taschen fällt das Wort Genuß / | |
außerdem Verdruß und Mus und Schluß.“ Wie Friedmar Apel im Nachwort | |
ausführt, lässt sich Wolf mit diesen Verfahren nicht auf einen Begriff wie | |
Surrealismus oder ein anderes literarisches Programm festlegen – er ist | |
ausschließlich seinem eigenen Programm verpflichtet: „Das sind die Worte | |
und das ist die Lage.“ | |
Diesmal sind sie übrigens wirklich vollständig. Zumindest was den | |
bisherigen Stand angeht. Der Band „Die Gedichte“ ist nicht einfach ein im | |
Format verkleinerter Nachdruck des Bands „Im Zustand vergrößerter Ruhe“ v… | |
2009, da sich das publizierte lyrische Werk Ror Wolfs in der Zwischenzeit | |
noch einmal um die Sammlung „Die plötzlich hereinbrechende Kälte im | |
Dezember“ erweitert hat. Dem trägt der neue Band Rechnung. | |
Neben einer Auswahl „Gelegenheitsgedichte aus dem Nachlass“ aus der Zeit | |
von 1959 bis 2013 kommt es noch einmal zu einem Wiedersehen mit Hans | |
Waldmann. Diesmal hat sich Wolf „Hans Waldmanns endgültiges Verschwinden“ | |
und „Fünf letzte Versuche Hans Waldmann endgültig verschwinden zu lassen“ | |
vorgenommen. Eine zunehmende Melancholie lässt sich dabei nicht leugnen. | |
Eine Wolf’sche, lakonische, komische Melancholie. | |
Für den Dichter, der heute 85 Jahre alt wird, ein kompakt-schönes Geschenk. | |
Möge sich nicht bewahrheiten, was er am Ende von „Hans Waldmanns letztes | |
Abenteuer zweite Fassung“ schreibt: „Hans Waldmann: rauchend, stumm und | |
leicht gebogen, / ist jetzt, am Ende, schwarz davongeflogen.“ | |
28 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
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