# taz.de -- Ausweitung von Zwangsbehandlungen: Bundestag lockert Regelung | |
> Bisher ist eine Zwangsbehandlung nur möglich, wenn jemand zwangsweise | |
> stationär untergebracht ist. Der Bundestag will das nun ändern. | |
Bild: Die Zwangsbehandlung muss richterlich genehmigt werden. Ambulante Zwangsb… | |
Freiburg taz | Der Bundestag wird an diesem Donnerstag die Möglichkeiten | |
zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker ausweiten. Er setzt damit Vorgaben | |
des Bundesverfassungsgerichts um. | |
Anlass der Reform war ein tragischer Fall aus Baden-Württemberg. Eine | |
psychisch kranke Frau war an Brustkrebs erkrankt, lehnte aber jede Therapie | |
ab. Ihr Betreuer wollte in eine Zwangsbehandlung einwilligen, dies war | |
jedoch rechtlich nicht möglich. | |
Nach bisheriger Gesetzeslage ist eine Zwangsbehandlung nur möglich, wenn | |
jemand zwangsweise stationär untergebracht ist. Die krebskranke Frau war | |
jedoch so schwach, dass sie eh nicht hätte weglaufen können. Sie war | |
deshalb nicht zwangsuntergebracht. | |
Das Bundesverfassungsgericht befasste sich im letzten Sommer mit dem Fall | |
und kam zu dem Schluss, dass hier eine „Schutzlücke“ vorliege. Der | |
Gesetzgeber müsse auch bei psychisch kranken Patienten, die nicht weglaufen | |
können, eine Zwangsbehandlung ermöglichen. | |
Dem wird der Bundestag am Donnerstagabend nachkommen. Im Bürgerlichen | |
Gesetzbuch wird ein neuer Paragraf 1906 a eingeführt, der die | |
Zwangsbehandlung künftig nicht mehr an eine Zwangsunterbringung knüpft, | |
sondern nur noch an einen „stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus“. | |
## Verband plädiert für Abschaffung | |
Die Zwangsbehandlung muss richterlich genehmigt werden. Dabei ist zu | |
prüfen, ob die Maßnahme notwendig ist, „um einen drohenden erheblichen | |
gesundheitlichen Schaden abzuwenden“. Außerdem muss versucht worden sein, | |
den psychisch Kranken von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme „zu | |
überzeugen“. Patientenverfügungen, die der Kranke noch mit klarem Kopf | |
verfasst hat, sind zu beachten. | |
„Ambulante Zwangsbehandlungen bleiben ausgeschlossen“, heißt es in der | |
Gesetzesbegründung. Wer also als psychisch Kranker in seinem gewohnten | |
Umfeld lebt und mal bei seinem Arzt vorbeischaut, muss nicht befürchten, | |
dass er dort zwangsbehandelt wird. Für den Umgang mit ambulanten Patienten | |
hatte das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag keine Vorgaben gemacht. | |
Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener kritisiert das geplante Gesetz. Er | |
lehnt jede Ausweitung von Zwangsbehandlungen ab und plädiert im Gegenteil | |
für deren Abschaffung. | |
22 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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