# taz.de -- Unterhauswahl in Großbritannien: Theresa May liebäugelt mit DUP | |
> Bei der Wahl geht die Mehrheit der Tories verloren, Labour triumphiert. | |
> Die Premierministerin hofft nun, die Regierung umbilden zu können. | |
Bild: Auszählung in Glasgow: Das hätte Theresa May sich auch sparen können | |
LONDON taz | Großbritanniens Premierministerin Theresa May ist mit dem | |
Versuch gescheitert, mit einer vorgezogenen Parlamentswahl ihre Mehrheit im | |
britischen Unterhaus auszubauen. Nach Auszählung von 649 der 650 Wahlkreise | |
war am frühen Freitag klar, dass die regierenden Konservativen ihre | |
Mehrheit im Parlament verlieren. Sie lagen bei 318 Mandaten und konnten | |
damit rechnerisch die Marke der absoluten Mehrheit von 326 nicht mehr | |
erreichen. Prognosen gaben ihnen insgesamt 318 bis 319 Wahlkreise – bisher | |
hatten die Tories 330 Mandate gehalten. | |
Gewinner des Abends ist die Labour-Opposition, die sich zeitweise sogar | |
Hoffnungen machen konnte, die nächste Regierung zu stellen. Nach den | |
Prognosen werden sie von bisher 229 auf 261 bis 262 Sitze zulegen. | |
Theresa May schien einen Rücktritt zunächst auszuschließen. „Das Land | |
braucht eine Zeit der Stabilität“, erklärte sie in ihrem Wahlkreis | |
Maidenhead nach Bekanntgabe ihrer eigenen Bestätigung als | |
Wahlkreisabgeordnete tief in der Nacht. „Es wird uns als Konservativen | |
obliegen, diese Stabilität zu liefern, und das werden wir tun.“ | |
Zum Regieren werden die Konservativen in Ermangelung einer eigenen Mehrheit | |
auf die nordirischen Unionisten der DUP (Democratic Unionist Party) | |
angewiesen sein, die auf 10 Sitze kamen, zwei mehr als bisher. Da außerdem | |
die katholische nordirische Sinn Fein ihre 7 Sitze nicht einnehmen wird, | |
wie immer, werden real weniger als 650 Abgeordnete im Unterhaus sitzen und | |
eine Mehrheit wird bereits mit 323 Mandaten erreicht. Eine stabile | |
Regierung sieht anders aus. | |
## „Im Amt, aber nicht an der Macht“ | |
Aus Mays Partei wurde massive Kritik an ihr laut: Sie war nicht gezwungen, | |
diese Neuwahl anzusetzen und damit die bestehende Mehrheit der | |
Konservativen aufs Spiel zu setzen, und sie habe einen desaströsen | |
Wahlkampf geführt. Ihre Autorität in der Partei ist auf jeden Fall jetzt | |
sehr geschwächt. Der frühere Finanzminister George Osborne, der nicht mehr | |
für das Parlament angetreten war, sagte ihr voraus, Theresa May werde „im | |
Amt, aber nicht an der Macht“ sein. Andere prophezeiten, May werde einen | |
neuen Führungsstreit in ihrer Partei nicht vermeiden können und womöglich | |
ihr Amt niederlegen müssen. | |
Zweiter Wahlverlierer neben den Konservativen sind die schottischen | |
Nationalisten der Scottish Nationalist Party (SNP), die mehr Sitze einbüßte | |
als jede andere Partei. Hatte die SNP vor zwei Jahren noch 56 der 59 | |
schottischen Wahlkreise erholt, fiel sie nun auf 35 zurück. Die | |
deutlichsten Zugewinne erzielten dort die Konservativen, deren schottische | |
Führerin Ruth Davidson mittlerweile populärer ist als die | |
SNP-Regierungschefin Nicola Sturgeon. Sowohl der ehemalige schottische | |
Regierungschef Alex Salmond als auch der SNP-Fraktionsführer im britischen | |
Unterhaus, Angus Robertson, verloren ihre Parlamentssitze an Konservative. | |
Davidson erklärte, damit sei der Drang zu einem zweiten schottischen | |
Unabhängigkeitsreferendum tot. | |
## Corbyn konnte die Jugendlichen mobilisieren | |
Es ist allein dem Erfolg in Schottland zu verdanken, dass die Konservativen | |
überhaupt noch in Großbritannien weiterregieren können. Denn in England | |
erzielte Labour unter Jeremy Corbyn größere Erfolge, als die Partei selbst | |
es erwartet hatte. Reihenweise fielen städtische Wahlkreise, teils bisher | |
sicheres Tory-Terrain, an die linke Opposition: Bedford, Brighton, Halifax, | |
Ipswich, Lincoln, Peterborough, Plymouth – sogar die südenglische | |
Kathedralstadt Canterbury, seit 1918 ununterbrochen konservativ. | |
Grund dafür war die starke Mobilisierung der Corbyn-begeisterten | |
Jugendlichen. Besonders hoch waren die konservativen Verluste im Großraum | |
London. Dort verloren die Konservativen weitere Sitze, teils an Labour, | |
teils an die Liberaldemokraten, die ihre Parlamentsfraktion leicht auf 12 | |
Sitze ausbauen konnten. | |
„Die Leute haben gesagt, dass sie von der Sparpolitik genug haben“, | |
erklärte Labour-Chef Corbyn in seinem Londoner Wahlkreis Islington North. | |
Es sei eine „Wahl für Hoffnung und für Zukunft“ gewesen. | |
Neben der Mobilisierung der Jugend identifizierten Beobachter einen anderen | |
Grund für das gute Labour-Abschneiden: Anders als erwartet wanderten die | |
Wähler der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (UKIP) | |
nicht geschlossen zu den Konservativen über, sondern verteilten sich etwa | |
gleichermaßen auf die beiden großen Parteien. Das durchkreuzte Mays Kalkül | |
auf einen konservativen Durchbruch in nordenglischen Wahlkreisen, die zwar | |
Labour-Hochburgen sind, aber 2016 massiv für den Brexit gestimmt hatten. | |
An Stimmen insgesamt legten im Endergebnis sowohl die Konservativen als | |
auch Labour deutlich zu, auf Kosten von UKIP und SNP. Aber Labour wuchs | |
stärker als die Tories und kam den Prognosen zufolge auf 40,5 Prozent (plus | |
9,5) gegenüber rund 42,5 Prozent (plus 5,5) für die Konservativen. Letztere | |
müssen damit akzeptieren, dass ihr Zuwachs in Stimmen einen Verlust an | |
Sitzen bedeutet. | |
UKIP holte keinen einzigen Sitz. Die Grünen behielten ihr einziges Mandat | |
in einem der beiden Wahlkreise des südenglischen Brighton, wo ihre Cochefin | |
Caroline Lucas ihre Mehrheit deutlich ausbaute. | |
9 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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