# taz.de -- Kommentar Parlamentsrechte: Am Herz der Demokratie | |
> Das Bundesverfassungsgericht befasst sich mit Informationsrechten von | |
> Abgeordneten. „Geheim“-Stempel müssen die Ausnahme bleiben. | |
Bild: Oben gläsern, unten geheim? So geht es nicht, sagt das Bundesverfassungs… | |
Das Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten muss auch für | |
privatisierte Unternehmen gelten. Es darf nicht durch übertriebene | |
Geheimhaltung entwertet werden. [1][Durch eine Klage der Grünen] zur | |
Auskunftspflicht hat das Bundesverfassungsgericht jetzt die Chance, die | |
Demokratie zu stärken. | |
Eines der wichtigsten Oppositionsrechte ist das Frage- und | |
Informationsrecht. Damit kann die parlamentarische Minderheit Missstände | |
thematisieren und aufdecken. Sie kann auch Informationen als Grundlage für | |
eigene Initiativen einfordern. Die Regierung muss wahrheitsgemäß und | |
vollständig antworten. Aber natürlich versucht sie häufig, sich zu drücken | |
und beruft sich dabei auf Grenzen des Fragerechts. | |
Diese Grenzen muss nun das Bundesverfassungsgericht bestimmen. Andreas | |
Voßkuhle, der Präsident des Gerichts, hat nicht übertrieben, als er von | |
einer „Operation nahe am Herzen der Demokratie“ sprach. | |
Das erste Problem betrifft die Deutsche Bahn AG, ein privatisiertes | |
Unternehmen, das aber zu 100 Prozent dem Bund gehört. Ein Ziel der | |
Privatisierung in den 1990er-Jahren war, der Bahn das starre Behördendenken | |
auszutreiben. Die Bahn sollte ein dynamisches Unternehmen werden, das | |
Gewinne anstrebt und eines Tages an die Börse geht. Sie sollte sich im | |
Wettbewerb mit anderen Bahnunternehmen messen, die Politik sollte ins | |
tägliche Geschäft nicht hineinreden. | |
## Legitime Kontrolle der Opposition | |
Solange aber alle Aktien beim Bund liegen, wird auch die Bundesregierung | |
für Erfolge und Missstände verantwortlich gemacht. Das ist auch nicht | |
verkehrt. Schließlich ist die Bahn nicht irgendein Unternehmen, sondern ein | |
wichtiger Teil der deutschen Infrastruktur. Zumindest beim Schienennetz ist | |
kein Wettbewerb möglich. Solange also die Bahn unter politischem Einfluss | |
steht, ist es nur legitim, dass die Opposition kontrollieren kann – obwohl | |
die Bahn formal ein Privatunternehmen ist. | |
Das zweite Problem betrifft die staatliche Aufsicht über private | |
Unternehmen, etwa über die Banken. Hier hat das Parlament zwar | |
grundsätzlich Informationsrechte. Umstritten ist jedoch, in welcher Form | |
die Regierung antworten muss – ob öffentlich oder nur zur Kenntnis der | |
Abgeordneten. | |
Antworten mit „Geheim“-Stempel müssen aber die seltene Ausnahme bleiben. | |
Die Demokratie ist auf Öffentlichkeit angelegt. Die Bürger sollen sehen, | |
wie Regierung und Opposition arbeiten, und darauf ihre Entscheidung bei der | |
Wahl der Abgeordneten stützen. | |
Ob die Bankenaufsicht in Deutschland gut funktioniert, ist eine Frage von | |
öffentlichem Interesse. Die Grünen wollen zu Recht über die Leistung der | |
Bafin vor und während der Bankenkrise diskutieren. Es kann nicht sein, dass | |
die Geschäftsgeheimnisse von Banken – die gerade mit Milliarden Euro vom | |
Steuerzahler gerettet wurden! – öffentliche Antworten der Regierung | |
verhindern. | |
## Vorbild USA | |
Deutschland hat bisher eine Bankenaufsicht, die vor allem auf ein | |
(schutzbedürftiges) Vertrauensverhältnis zwischen Aufsicht und Banken | |
setzt. Von den Maßnahmen der Aufsicht sollen die Finanzmärkte möglichst | |
wenig mitbekommen, weil sie möglicherweise alles falsch verstehen würden. | |
Doch dieser deutsche Weg ist nicht alternativlos, wie in der Karlsruher | |
Verhandlung deutlich wurde. | |
In den USA etwa macht die Bankenaufsicht ihre Maßnahmen selbst öffentlich. | |
Dort geht man davon aus, dass die Öffentlichkeit mehr Vertrauen in das | |
Finanzsystem entwickeln kann, wenn die Aufsicht sichtbar zupackt. Zwar hat | |
auch dies den großen Crash ab 2008 nicht verhindert, aber heute stehen die | |
Banken in den USA wohl stabiler da als die verhätschelten deutschen | |
Kreditinstitute. | |
Damit ist klar: Wenn der deutsche Weg einer im Verborgenen wirkenden | |
Aufsicht nicht zwingend ist, sondern nur eine Art Kulturfrage, darf er | |
nicht Verfassungsrechte der Opposition aushebeln. Nach dem ersten von zwei | |
Verhandlungstagen besteht gute Hoffnung, dass die Mehrheit der | |
Verfassungsrichter das auch so sieht. | |
10 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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