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# taz.de -- Gewalt in Zentralafrikanischer Republik: Ohne Gnade und Menschlichk…
> Ein blutiger Milizenüberfall auf die Stadt Bangassou bringt den Horror
> des Bürgerkrieges zurück. Die gewählte Regierung hat das Land nicht im
> Griff.
Bild: Im Kampfeinsatz: UN-Blauhelme in der Zentralafrikanischen Republik
Berlin taz | Es war ein Angriff wie in den schlimmsten Zeiten des
Bürgerkrieges vor drei Jahren, als innerhalb weniger Monate fast alle
Muslime der Zentralafrikanischen Republik von Milizen vertrieben oder
getötet wurden. 115 Leichen hat das zentralafrikanische Rote Kreuz laut
einer am Mittwoch vorgelegten „vorläufigen“ Bilanz in der Kleinstadt
Bangassou geborgen, nachdem die Milizen, die den Ort in der Nacht zum
Samstag überfallen hatten, am Montagabend in den Rückzug eingewilligt
hatten.
„Sie sind auf unterschiedliche Weise gestorben“, erklärte der lokale
Rotkreuz-Direktor Antoine Mbao Bogo. „Mit Messern erstochen, mit
Eisenstangen erschlagen oder von Gewehrkugeln getroffen.“
Die Milizen, die das 40.000 Einwohner zählende Bangassou in der Nacht zum
13. Mai überfielen, gehören nach Mutmaßungen der UN-Mission in der
Zentralafrikanischen Republik (Minusca) im weitesten Sinne zu den
Anti-Balaka – der Sammelbegriff für die antimuslimischen Milizen, die
entstanden waren, als 2013 die muslimische Rebellenkoalition Séléka neun
Monate lang das Land beherrschte.
Nach dem Rückzug der Séléka im Januar 2014 infolge einer französischen
Militärintervention wüteten diese Milizen monatelang gegen Muslime. Seit
2016 hat die Zentralafrikanische Republik wieder eine gewählte Regierung,
aber die diversen aus Séléka und Anti-Balaka hervorgegangenen bewaffneten
Gruppen bekämpfen sich weiterhin gegenseitig.
## „Die Stadt blieb zwei Tage leer“
Das Massaker von Bangassou war das blutigste seit Langem, und der
Milizenangriff einer der schwersten. 600 Bewaffnete stürmten gegen drei Uhr
morgens das muslimische Stadtviertel Tokoyo und belagerten zugleich die
UN-Basis in Bangassou, um die Blauhelme am Eingreifen zu hindern. Ein
marokkanischer UN-Soldat wurde getötet.
„Als die Schüsse einsetzten, flohen die Menschen in alle Richtungen und
rannten in die Nacht, um Schutz zu suchen, wo sie konnten“, berichtete
Ärzte ohne Grenzen (MSF) „Die Stadt blieb zwei Tage leer. Nur bewaffnete
Männer trauten sich auf die Straßen.“
MSF nahm in seiner Klinik 500 Menschen auf. 1.000 suchten Zuflucht in der
Moschee der Stadt, 1.500 in der Kathedrale. Erst am Montag konnten die
Geflüchteten in der Moschee von UN-Soldaten evakuiert werden. 17 von ihnen
waren mittlerweile gestorben – zwei Tage lang hatten sie ohne Nahrung und
Wasser ausgeharrt, in 30 Grad Hitze, und manche waren schwer verwundet. Wer
sie zu versorgen versuchte, wurde beschossen.
2.750 Stadtbewohner flohen über den Grenzfluss in die Demokratische
Republik Kongo. Laut UN-Mission zerstörten die Milizionäre alle Brücken und
Straßen, die nach Bangassou hineinführen.
Die Blauhelme haben Bangassou inzwischen zurückerobert, aber die Lage
bleibt gespannt. Am Abend des 8. Mai waren im Dorf Yogofongo 20 Kilometer
außerhalb von Bangassou fünf UN-Soldaten aus Marokko und Kambodscha in
einem Hinterhalt getötet worden, vermutlich von Anti-Balaka-Milizen. In den
Folgetagen gab es schwere Kämpfe in der Kleinstadt Alindao westlich von
Bangassou – mindestens 37 Menschen wurden getötet.
## Viele bewaffnete Gruppen
Keine Gruppe hat sich zu irgendeinem dieser Angriffe bekannt. Die Nationale
Anti-Balaka-Koalition weist jede Verantwortung von sich, ebenso die beiden
Séléka-Splittergruppen UPC (Union für Frieden in Zentralafrika) und FPRC
(Volksfront für die Renaissance Zentralafrikas), von denen letztere,
geführt von den historischen Chefs der ehemaligen Séléka, punktuell mit
Anti-Balaka zusammenarbeitet.
Möglicherweise verübten angeworbene Söldner aus Südsudan für einen noch
unbekannten Auftraggeber den Überfall auf Bangassou, der in seiner
Systematik und in seinem Ausmaß an Südsudans Bürgerkrieg erinnert.
In jedem Falle steht der im Februar 2016 gewählte zentralafrikanische
Präsident Faustin-Archange Touadéra vor seiner bisher größten
Bewährungsprobe.
19 May 2017
## AUTOREN
Dominic Johnson
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