# taz.de -- „Tagesanzeiger“ hält Porträt zurück: Lieber nicht verscherzen | |
> Ein Autor des Schweizer „Tagesanzeiger“ schrieb ein Porträt über den | |
> „NZZ“-Chef – und ließ ihn gegenlesen. Erschienen ist der Text nie. | |
Bild: Der „Tagesanzeiger“ hat einen Rückzieher gemacht. Musste das wirklic… | |
Berlin taz | Schreibt ein Journalist über den anderen, dann kann es | |
passieren, das es hinterher Stunk gibt. Und KollegInnen kann man auf Dauer | |
schlecht ausweichen, vor allem, wenn sie Chefposten bekleiden. Also lieber | |
vorsichtig sein, mit der Kritik in der eigenen Branche? | |
Der Schweizer Tagesanzeiger hat offenbar in letzter Minute ein Porträt über | |
den Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung, Eric Gujer, zurückgezogen. Das | |
berichtet das Branchenportal [1][persoenlich.com] und bezieht sich auf | |
„übereinstimmende Quellen“ aus dem Umfeld des Tagesanzeigers. | |
Das Portal berichtet, der NZZ-Chef habe das Portrait des | |
Tagesanzeiger-Autors Thomas Widmer gegengelesen und als | |
„persönlichkeitsverletzend“ bezeichnet. Aus Angst vor einer Klage habe man | |
daraufhin beim „Tagi“ auf den Druck des Textes verzichtet. | |
Der Text kursiert allerdings inzwischen im Netz. Darin charakterisiert der | |
Autor Gujer als „kalt“ und „unnahbar“, sowie als „überaus autoritär… | |
Vorgesetzten“, wobei er stets betont, dass es sich um Einzelaussagen | |
handele, bei denen „Vorsicht geboten ist“. Des weiteren wird Gujer im Text | |
unterstellt, er habe aus Deutschland, wo er lange gelebt hat, | |
„hierarchische Prinzipien in die Schweiz importiert“. Sicher Grund für den | |
Portraitierten, sich zu ärgern – aber zu klagen? Und warum durfte Gujer | |
überhaupt vorweg den Text lesen? | |
„Tagi“-Chefredakteur Arthur Rutishauser wollte sich auf Anfrage der taz | |
nicht zur Sache äußern. Auf die Frage allerdings, ob es üblich sei, | |
Portraitierten den Text über sie zum Gegenlesen zu geben – also nicht nur | |
wörtliche Zitate, sondern den kompletten Artikel – sagt Rutishauser: | |
„Artikel werden manchmal freiwillig vorgelegt. Das ist nicht verpönt.“ | |
Erstaunlich, denkt man an journalistische Distanz und die stets prekäre | |
Grenze zur PR. | |
Denkbar, dass es sich Autor und Chefredaktion nicht mit einem der | |
wichtigsten Arbeitgeber im Schweizer Journalismus verscherzen wollten. So | |
etwas kann schließlich Konsequenzen haben. Nur hat es wenig Sinn, überhaupt | |
Portraits zu schreiben, wenn man hinterher nur die druckt, die der | |
Portraitierte okay findet. | |
28 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.persoenlich.com/medien/portrat-uber-eric-gujer-kurzfristig-gekip… | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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