| # taz.de -- Strandbad Weißensee: Schöne Scheiße | |
| > Der Sommer am Weißensee könnte zu Ende sein, bevor er begonnen hat. Beim | |
| > Bau von Luxuswohnungen wurde die Abwasserleitung des Strandbads zerstört. | |
| Bild: Der ultimative Treffpunkt in Weißensee vor dem Aus? | |
| Die Füße in den Sand stecken oder ins Wasser tauchen, ein Getränk zur Hand | |
| oder ein Buch, Seeblick inbegriffen: Das ist kein Versprechen aus dem | |
| Katalog eines Bauherren, sondern eines für alle, die im Einzugsbereich des | |
| Weißen Sees im Nordosten Berlins leben. | |
| Seitdem das Strandbad Weißensee von den Berliner Bäderbetrieben an einen | |
| privaten Pächter übergeben wurde, ist die mehr als hundert Jahre alte und | |
| denkmalgeschützte Badeanstalt zu neuem Leben erwacht. Denn das Strandbad, | |
| weithin sichtbar an den weißen Lettern mit dem Schriftzug „Weißensee“, ist | |
| nicht nur ein Treffpunkt für Badefreunde und Sonnenanbeter. Auf der | |
| Terrasse trifft man sich auch zum Kaffee oder Aperitif. Mit seinen | |
| Konzerten und Events ist das Strandbad in den vergangenen Jahren zudem zu | |
| einem kulturellen Treffpunkt im sonst eher beschaulichen Pankower Ortsteil | |
| Weißensee geworden. | |
| Und nun das: Bei Baggerarbeiten für das private Bauvorhaben „Pure 173“ an | |
| der Berliner Allee ist das Rohr, das das Abwasser des Strandbads in die | |
| Berliner Kanalisation leitet, zerstört worden. Weil das Wasser in den | |
| Toiletten und in der Küche nicht mehr ablief, musste der Bezirk Pankow das | |
| Strandbad schließen. Ein Schock für Alexander Schüller und seine 40 | |
| Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wenn es bis Mittwoch keine Lösung gibt, | |
| müssen wir Insolvenz anmelden“, so der Pächter des Strandbads. | |
| Die Beine baumeln lassen und den Seeblick genießen, das ist auch das Credo | |
| des Investors Alpha Invest. Auf dem Grundstück Berliner Allee 173 entstehen | |
| 18 luxuriöse Eigentumswohnungen. Die Zielgruppe des Bauvorhabens „Pure 173“ | |
| beschreibt der Investor so: „Gedacht für Menschen, denen der bedachte | |
| Wechsel von Spannung, Entspannung und Krafttanken wichtig für ein | |
| glückliches Dasein ist.“ Müssen wegen 18 Glückssuchern nun Tausende | |
| Normalbürger ihren Sommer abhaken? | |
| Kaum war die Ursache für den stauenden Abfluss gefunden, hatte Pächter | |
| Schüller zu einem Krisentreffen geladen, bei dem neben den Berliner | |
| Wasserbetrieben und den Bäderbetrieben auch ein Vertreter der Architekten | |
| anwesend waren. „Dabei wurde deutlich, dass die Reparatur der Leitung | |
| 125.000 Euro kosten und über ein Jahr dauern würde“, so Schüller zur taz. | |
| Rechnet man noch den Umsatzausfall dazu, beläuft sich der Schaden auf | |
| 300.000 Euro. Schüller fürchtet nun, dass sich Investor und Baufirma | |
| gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. „Die drücken sich.“ | |
| Tatsächlich hat Schüller von Alpha Invest bislang nicht mehr als eine Email | |
| bekommen. Darin heißt es: „Die Gesamtkosten, die auch die provisorische | |
| Inbetriebnahme mit WC- und Ausschankwagen beinhalten, sowie die | |
| Versicherungsdeckung werden aktuell beim Bauherren noch diskutiert.“ | |
| ## Provisorium ist möglich | |
| Immerhin, ein provisorischer Betrieb ist denkbar. „Dazu braucht es einen | |
| WC-Container, einen Abwassertank und mobile Schankwägen“, sagt Alexander | |
| Schüller. Die Kosten dafür belaufen sich auf 7.000 Euro plus monatliche | |
| Beträge von 4.000 Euro. Was aber, wenn der Bauherr nicht für diese Kosten | |
| aufkommt? Selbst kann Schüller diese Kosten nicht stemmen. Immerhin hat er | |
| vom Bezirk das Signal bekommen, dass ein provisorischer Betrieb nicht an | |
| einer langwierigen Antrags- und Genehmigungsprozedur der Ämter scheitern | |
| würde. | |
| Auch das Bezirksamt Pankow hat sich auf seiner Sitzung am Dienstag mit dem | |
| Thema beschäftigt. „Die Lage ist beschissen“, erklärt Bezirksbürgermeist… | |
| Sören Benn (Linke) der taz. Er habe alle beteiligten Ämter angewiesen, den | |
| Pächter so gut es geht zu unterstützen. In Vorleistung aber könne der | |
| Bezirk nicht gehen. „Dafür haben wir keinen Haushaltstitel“, sagt Benn. | |
| „Hier ist der Bauherr in der Pflicht. Er muss für eine provisorische Lösung | |
| und die Behebung des gesamten Schadens aufkommen.“ | |
| Gute Erfahrungen mit dem Bauherrn und seinen Baufirmen hat der Bezirk | |
| bislang nicht gesammelt. Bei den Bauarbeiten wurden auch eine öffentliche | |
| Grünfläche und der Rosengarten zerstört. Als der Bezirk daraufhin das | |
| Gelände abzäunte, waren die Zäune am nächsten Tag niedergerissen. | |
| Von Alpha Invest gab es am Dienstag bis Redaktionsschluss keine | |
| Stellungnahme. Umso skurriler wirkt deshalb der Werbeauftritt für „Pure | |
| 173“: „In aufstrebenden Vierteln wie Weißensee entstehen besondere Orte, wo | |
| sich die Qualitäten Berlins im Laufe der Zeit neu definieren.“ | |
| 9 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
| ## TAGS | |
| Pankow | |
| Weißensee | |
| Weißensee | |
| Global Pop | |
| Wannsee | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Festival im Strandbad Weißensee: Was für die Ohren mit Seeblick | |
| Eine Feier des Randständigen: etwas entfernt vom Zentrum in Weißensee, mit | |
| einer Musik abseits des Mainstreams – das By the Lake Festival. | |
| Streit um Strandbad Weißensee in Berlin: Wasser marsch! | |
| Am Freitag soll das Strandbad Weißensee wieder öffnen – mit | |
| Toilettencontainern. Der Investor eines Bauprojekts zahlt für den Schaden | |
| an der Abwasserleitung. | |
| Global Pop-Festival in Berlin: Regenguss und Sufi-Trance | |
| Das „By The Lake“-Festival ist wie ein Weltmusik-Festival für Leute, die | |
| das Wort „Weltmusik“ hassen. | |
| Warum Berliner Seen so toll sind: Auf, ihr Seepferdchen! | |
| Neid! Berliner können in so viele Seen hüpfen. Wer hier aufwächst, lernt | |
| schon früh, die Nixen zu kitzeln und mit den Fröschen zu tuscheln. Eine | |
| Liebeserklärung. | |
| Bezirksserie Pankow: Boomtown im Osten | |
| Nach Prenzlauer Berg und Alt-Pankow ist jetzt der Ortsteil Weißensee im | |
| Kommen.Über diesen Stadtteil ist noch längst nicht alles gesagt. |