# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Keine Brasilianer mehr im Breisgau | |
> Die Bundesligaklubs mit dem wenigsten Geld hängen ganz hinten. Nur der SC | |
> Freiburg nicht. Trotz drittniedrigstem Etat liegt er auf Rang 7. | |
Bild: Cheftrainer Christian Streich zeigt seinen Spielern, wo es langgeht | |
Früher nannte man die Spieler des SC Freiburg Breisgaubrasilianer. Das traf | |
es nie so richtig und trifft es jetzt gar nicht mehr. Das Problem fängt | |
schon damit an, dass die Brasilianer auch keine Brasilianer mehr sind. | |
Jedenfalls nicht mehr in der früher mitschwingenden Bedeutung der schön | |
spielenden Ballkünstler. In der komplexen Fußballmoderne muss man schon | |
etwas genauer hinschauen, wenn man das Alleinstellungsmerkmal der | |
Freiburger erkennen will. | |
Tabellarisch ist es evident: Von den fünf Teams der Bundesliga mit den fünf | |
niedrigsten Spieler-Durchschnittsgehältern liegen vier vor dem 28. Spieltag | |
auf den letzten vier Plätzen: das ökonomisch weit abgeschlagene Darmstadt, | |
Ingolstadt, Augsburg, Mainz. Aber der SC mit dem drittniedrigsten Etat | |
liegt auf Rang 7. | |
Nun sind gerade Mainz und Augsburg, mit Abstrichen Ingolstadt, die | |
gelungenen Modernisierungsprojekte des letzten Jahrzehnts. Orte, an denen | |
man nicht von Fußballtradition geschwafelt, sondern sie geschaffen hat. | |
Dass alle drei gegen den Abstieg kämpfen, zeigt, wie wichtig Einzelne in | |
Fußballunternehmen sind, hier die zu Saisonbeginn gewechselten Ralph | |
Hasenhüttl, Markus Weinzierl, Christian Heidel. | |
Wie fragil Fußballgebäude sind, die durch winzige Risse implodieren können. | |
Und dass es immer auch ökonomisch Potentere braucht, die unfassbar viel | |
falsch machen. In dieser Beziehung ruhen die Hoffnungen der drei auf dem | |
HSV und auf Wolfsburg. | |
Augsburg ist im sechsten Jahr, Mainz im elften (bei einem Abstieg), der SC | |
ist bei 17 Jahren Bundesliga angekommen. Die größte Leistung besteht darin, | |
dass kaum einer weiß, dass er im Moment offiziell mal wieder „Aufsteiger“ | |
ist. | |
## Cheftrainer Streich ist der Kopf | |
Dank Volker Finke hat man eine Struktur schaffen können, die den Abstieg | |
genauso beinhaltet wie den Wiederaufstieg. Die nicht nur eigene Spieler | |
entwickelt, sondern auch eigene Trainerteams und Manager. Cheftrainer | |
Christian Streich ist der Kopf, der die Kultur nach außen verkörpert und | |
nach innen lebt. | |
Selbstverständlich spielt der SC nicht mehr nach dem scheinbar | |
brasilianischen Kurzpassdogma aus Finkes Zeiten. Die Basis des Erfolgs ist | |
gemeinsames Verteidigen, wie überall. Aber er spielt eben nicht nur gegen | |
den Ball und auf der Lauer nach dem Fünf-Sekunden-Tempokonter, dieses | |
angstgetriebene „Gemurkse“ (Mario Gómez), das die meisten Kleinen prägt u… | |
daher nun auch Teams wie Werder Bremen. | |
Streich dagegen pflegt die Varianz, die heute auch den Oben-Fußball der | |
Großen auszeichnet. Gegen den Ball laufen wie um das eigene Leben – der SC | |
läuft mit Abstand am meisten in der Liga. Aber phasenweise auch | |
leidenschaftlich kombinieren. | |
Es war schon selbstbewusst, wie Streich nach dem niederschmetternden 2:5 | |
gegen Bremen im daraus resultierenden Zitterspiel an diesem Mittwoch zwei | |
Antilieblinge der eigenen Anhängerschaft (Guédé und Ignjovski) aufstellte | |
und in Wolfsburg einen mutigen Matchplan vorgab, den das Team nach einigem | |
Holpern immer besser erfüllte. Am Ende machte man den Plan mit Glück und | |
Niederlechners Treffer zum 1:0-Sieg sogar rund. | |
Die Vorlage kam vom just eingewechselten Nils Petersen, dem Streich | |
offenbar identitär eingepflanzt hat, dass er sein fußballerisches Maximum | |
im Dienst des Teams, aber auch für sich selbst dann erreicht, wenn er von | |
der Bank kommt. Petersens wahrhaftiger Glaube daran steht für den | |
exzeptionellen Teamspirit des SC Freiburg 2017. | |
So rum ist es also heutzutage richtig: Hätten die Brasilianer das | |
Freiburger Know-how und den Spirit, dann wären sie Weltmeister. | |
8 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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