| # taz.de -- Türkischer Geheimdienst MIT: Noch mehr Berliner ausspioniert | |
| > Auf der Liste angeblicher Gülen-Unterstützer stehen erheblich mehr | |
| > BerlinerInnen als bisher bekannt – aber wohl keine weiteren | |
| > Parlamentarier. | |
| Bild: Gibt es das noch, Demokratie in der Türkei? | |
| Die Zahl der vom türkischen Geheimdienst MIT überwachten Berliner ist | |
| deutlich höher als bisher gedacht. Bis Freitag seien vom polizeilichen | |
| Staatsschutz auf der sogenannten Gülen-Liste mehr als 60 Personen oder | |
| Institutionen mit Berlin-Bezug identifiziert worden, teilte die Berliner | |
| Polizei am Wochenende mit. Bisher hatte es geheißen, rund 25 Berliner | |
| stünden auf der rund 400 Eintragungen umfassenden Liste, die erst durch | |
| Medienrecherchen bekannt geworden war. Darunter befindet sich auch die | |
| CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner, in der vergangenen | |
| Legislaturperiode Staatssekretärin für Gesundheit. | |
| Inzwischen habe man fast alle Betroffene informieren können, sagte | |
| Polizeisprecher Winfried Wenzel am Sonntag der taz. Unter den neu | |
| ermittelten Personen seien keine weiteren Mitglieder des Abgeordnetenhauses | |
| oder deren Mitarbeiter. Der MIT soll die Menschen als mutmaßliche Anhänger | |
| des Predigers Fethullah Gülen in Deutschland ausspioniert haben. Ankara | |
| macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 | |
| verantwortlich. | |
| ## Zu spät informiert | |
| Der türkeistämmige Abgeordnete und innenpolitische Sprecher der | |
| Linksfraktion, Hakan Taş, vermutet, dass das Ausmaß der Überwachung noch | |
| größer ist: „Ich denke, es gibt noch andere Listen, die die deutschen | |
| Behörden aber nicht haben“, sagte er der taz. Mehr als 6.000 Menschen | |
| würden in Deutschland „richtige und falsche Informationen an die türkische | |
| Regierung weitergeben“, darunter professionelle Agenten, aber auch Imame, | |
| Lehrer und einfache Erdoğan-Anhänger. | |
| Taş kritisierte, dass die Polizei die Betroffenen und die Innenverwaltung | |
| zu spät informiert habe, bei Demirbüken-Wegner habe das mehrere Wochen | |
| gedauert: „Das kann gefährliche Folgen haben.“ Schließlich sei die | |
| Situation in der Türkei unberechenbar. Taş kündigte an, dass sich das | |
| Parlament nach den Osterferien noch einmal intensiv mit dem Umgang mit der | |
| Liste beschäftigen werde. Der kurdischstämmige Abgeordnete, der lediglich | |
| noch den deutschen Pass besitzt, will am heutigen Montag in die Türkei | |
| fliegen – „ob ich einreisen darf, werde ich erst am Flughafen erfahren“. | |
| ## Betroffene schützen | |
| Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, forderte | |
| von Innensenator Andreas Geisel (SPD) schnellstmögliche Aufklärung. Geisel | |
| habe die rechtzeitige Information und Beratung der bisher bekannten | |
| Betroffenen „verschlafen“. Jetzt kenne er offenbar die genaue Zahl der | |
| Betroffenen nicht oder wolle sie verheimlichen. Zudem müsse geklärt werden, | |
| wie die Betroffenen besser betreut und geschützt werden könnten. | |
| Die MIT-Liste ist offenbar unvollständiger, als man das bei einem | |
| Geheimdienst vermuten würde. Laut Polizeisprecher Wenzel stehen teilweise | |
| nur Namen ohne Adresse und Firmennamen ohne Bezugsperson darauf. „In | |
| vielen Fällen mussten wir erst in Zusammenarbeit mit den Behörden der | |
| anderen Länder ermitteln, wer gemeint sein könnte“, so Wenzel. Sind Schulen | |
| oder Kitas angegeben, müsse man sehr vorsichtig recherchieren, aus welchen | |
| Motiven das geschehen sein könnte – in Deutschland ist die Unterstützung | |
| für Gülen nicht strafbar. | |
| Den identifizierten Personen rät die Polizei von Türkeireisen ab. „Zudem | |
| machen wir deutlich, dass wir Ansprechpartner sind, wenn sich Menschen | |
| bedroht fühlen – auch unter der 110“, so Wenzel. Die Polizei geht davon | |
| aus, dass noch mehr Menschen ins Visier des MIT geraten sind. Die Liste sei | |
| „keineswegs als statisch und abschließend zu betrachten“, heißt es in der | |
| Mitteilung vom Wochenende. | |
| 9 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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