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# taz.de -- Profisportler zu Sozialarbeitern: Mehr als die Summe der Würfe
> In der Doku „Starting 5“ erzählt Milan Skrobanek die noch junge
> Geschichte des Basketballvereins Hamburg Towers, der Profisport mit
> Sozialarbeit verbindet.
Bild: Basketball in Wilhelmsburg: Mitgründer und Geschäftsführer der Hamburg…
Die Profispieler spielen keine große Rolle. Und das ist ungewöhnlich bei
einer Sportdokumentation, die eine Basketballmannschaft eine Saison lang
bei ihren Spielen, den Siegen und Niederlagen begleitet. Filmemacher Milan
Skrobanek konzentriert sich in „Starting 5“ auf den Mitgründer und
Geschäftsführer der Hamburg Towers Marvin Willoughby, den Trainer Hamed
Attarbashi sowie die beiden Nachwuchsspieler Louis Olinde und Lenny Larysz.
Wenn er noch einen Spieler der Mannschaft dazugenommen hätte, wäre die im
Filmtitel versprochene Handvoll perfekt gewesen. So aber erschließt sich
die Bedeutung des Titels nur Eingeweihten: Starting 5 ist ein Fachbegriff
für die Startaufstellung beim Basketball.
Skobanek hat die richtige Entscheidung getroffen. Denn im Grunde geht es in
seinem Film gar nicht darum, ob die Hamburg Towers in der Saison 2015/16
die Playoffs erreicht und so ihre Chance, in die Bundesliga aufzusteigen,
genutzt haben. Das ist zwar der Spannungsbogen, aber wichtiger ist es
Skrobanek, den Verein vorzustellen. Und dazu eignen sich seine
Protagonisten viel besser als die Spitzensportler, die meist nur einen
Jahresvertrag unterschrieben haben und das Image des Vereins bisher nicht
wirklich prägen konnten. Der Basketballverein wurde erst 2014 gegründet und
ist ein ungewöhnliches Projekt, in dem Sozialarbeit mit Profisport
verbunden wird.
Vereinsgründer und Geschäftsführer Marvin Willoughby spielte in der
deutschen Nationalmannschaft und konzentrierte sich nach seiner aktiven
Sportlerkarriere auf die Sozialarbeit mit Jugendlichen. Als nach der
internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg die Mehrzweckhalle
Inselpark entstand, sah Willoughby die Chance, in der Stadt wieder eine
Basketball-Profimannschaft zu etablieren, die im Inselpark ihre Heimspiele
austragen kann. Dort sitzt nun auch das Sport- und Schulungszentrum
Inselakademie, das junge Talente der Stadt im Basketball fördert und zu
dessen Gesellschaftern Willoughby ebenfalls gehört.
Im Film spielt er auch unvermeidlich die Hauptrolle und ist zum Glück
sympathisch und charismatisch genug, um diesen Part auszufüllen, ohne dabei
je angestrengt oder zu ehrgeizig zu wirken. Er trainiert
Schülermannschaften, leitet Schnupperkurse mit Kindern, ist bei den
Verhandlungen mit einem Sportagenten zu sehen und während der Büroarbeit,
bei der er in der Rolle des mit mehreren ständig klingelnden Telefonen
jonglierenden Managers für einen Lacher sorgt.
Natürlich gibt es auch spektakuläre Aufnahmen der Spiele. Die ersten Bilder
etwa sind Nahaufnahmen von Spielzügen in Zeitlupe, die dann allerdings sehr
schnell geschnitten und mit drängender Musik unterlegt sind. Skrobanek
wollte hier „die Essenz des Spiels“ spürbar machen, wie er sagt. Die liege
in der Schnelligkeit und Dynamik der Bewegungen und deren Nuancen seien
eben nur in verlangsamten Bewegungsstudien erkennbar.
Im Grunde ist es ja paradox, Schnelligkeit in Zeitlupe zeigen zu wollen.
Aber der 34-jährige Filmemacher weiß, was er tut. Er hat seine Diplomarbeit
an der Hamburger Hochschule für bildende Künste zum Thema „Visualisierung
von Sportarten im Film“ geschrieben und „Starting 5“ ist bereits seine
dritte Sportdokumentation nach „Die Chinesen Europas“ über Tischtennis und
„Im Derby-Dreieck“ über Fußball.
„Starting 5“ ist nun der dritte und letzte Teil seiner Trilogie. Skrobanek
blickt nicht mit den Augen eines Fans, sondern mit denen eines neugierigen
Beobachters auf den Sport. Er zeigt statt der athletischen Sprünge der
Basketballer lieber den Trainer Hamed Attarbashi, wie er am Spielrand
ständig taktische Anweisungen schreit, die seine Spieler bei dem Lärmpegel
in der Halle unmöglich hören können. Ein anderes Spiel der Hamburg Towers
hat er mit sechs Kameras gedreht, um dann aus den vielen Stunden
Filmmaterial die paar Momente herausfiltern zu können, bei denen
entscheidende Spielzüge präzise auf den Punkt gebracht werden.
Die beiden Nachwuchsspieler Louis Olinde und Lenny Larysz waren die
Begabtesten ihres Jahrgangs, und der Film zeigt, wie sie über das Jahr
immer besser und selbstbewusster werden. Dabei wird deutlich, dass genau
dies ein Problem für die Hamburg Towers war, denn am Ende ihrer Ausbildung
waren sie schon zu gut und teuer, um von dem Verein, der sie entdeckt und
gefördert hat, gehalten zu werden.
Alle Protagonisten der Dokumentation haben einen Migrationshintergrund,
sind Teil der zweiten oder dritten Generation und haben daher auch
Geschichten von erfolgreicher Integration zu erzählen. In einem eher
konventionell gemachten Sportfilm wäre es ein großes Manko, dass am Ende
kein großer Sieg oder keine dramaturgisch oft noch wirkungsvollere knappe
Niederlage steht, sondern die schlichte wie realistische Erkenntnis, dass
die Hamburg Towers noch am Anfang ihres Weges stehen.
Doch Milan Skrobanek hat die ersten Schritte dieses Wegs und das Potenzial
des Projekts so eindrucksvoll dokumentiert, dass klar wird, dass der Erfolg
hier eben nicht nur an der Zahl der Korbwürfe zu messen sein dürfte.
6 Apr 2017
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Basketball
Profisport
Sozialarbeit
Doku
Basketball
Fußball-Bundesliga
Petition
Basketball
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