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# taz.de -- Gute Schule in Göttingen: Aufstand der Eliteschulen
> Die Göttinger Gymnasien fühlen sich bei den Anmeldeterminen für die
> fünfte Klasse benachteiligt. Denn die Vorauswahl treffen die
> Gesamtschulen.
Bild: Schule des Jahres: Schüler und Lehrer der Georg-Christoph-Lichtenberg-Ge…
Göttingen taz | Die Göttinger Gymnasien haben Angst, im Wettbewerb mit den
Gesamtschulen zu einer „Resterampe“ zu verkommen. Gegen den erklärten
Willen der Stadt wollen sie deshalb zeitgleich mit den Gesamtschulen
Anmeldungen für die künftigen fünften Klassen annehmen. Zu diesem Zweck
führen sie sogenannte Reservierungstage zwei Wochen vor den eigentlichen
Anmeldetagen ein.
Die Stadt Göttingen als Schulträger legt seit Jahren getrennte
Anmeldetermine fest, für die Gesamtschulen meistens zwei Wochen früher als
für die Gymnasien. Die fünf Göttinger Gymnasien fühlten sich dadurch
benachteiligt, sagt die Leiterin des Theodor-Heuß-Gymnasiums, Ulrike
Koller. Denn wenn Schülerinnen und Schüler von den Gesamtschulen abgewiesen
werden, können sie sich zwei Wochen später an einer anderen Schule anmelden
– sprich an einem der Gymnasien. Haupt- und Realschulen gibt es nicht mehr.
Damit sehen sich die Göttinger Gymnasien einem Phänomen ausgesetzt, mit dem
andernorts die Gesamtschulen zu kämpfen haben: Eltern, die sich um das
Fortkommen ihres Nachwuchses kümmern, schicken diesen auf die „guten“
Schulen – in der Regel die Gymnasien. Nun sind die „guten“, zum Teil sogar
ausgezeichneten Schulen in Göttingen aber die Gesamtschulen. Deshalb
möchten die Gymnasien wenigstens die gleichen Startbedingungen bei der
Anmeldung haben.
In diesem Jahr liegen die Anmeldetermine für die Gesamtschulen am 25. und
26. April, die Gymnasien sollen am 4. und 5. Mai folgen. Die Gymnasien
verlangen einen zeitgleichen Termin, wie er vom Land Niedersachsen
vorgesehen ist und andernorts praktiziert wird. Weil die Stadt nicht auf
diese Forderung eingegangen ist, laden die Gymnasien Eltern und Kinder nun
zu ihren „Reservierungstagen“ ein. Wenn die Erziehungsberechtigten dann bis
zum eigentlichen Anmeldetermin im Mai nicht absagen, werden die
Reservierungen verbindlich.
In Göttingen gibt es neben den fünf Gymnasien schon länger zwei
Gesamtschulen. Zwei weitere sind erst kürzlich hinzugekommen – eine davon
im Flecken Bovenden, der zum Schulbezirk Göttingen gehört. Wegen ihrer
Unterrichtskonzepte, aber auch weil sie eine Ganztagsbetreuung anbieten,
waren die beiden „alten“ Gesamtschulen, die Integrierte Gesamtschule (IGS)
im Ortsteil Geismar und die Kooperative Geschwister-Scholl-Gesamtschule
(KGS) stets sehr gefragt. Die IGS wurde 2011 sogar zur deutschen „Schule
des Jahres“ gewählt.
Viele Kinder mussten von den beiden Gesamtschulen abgewiesen werden. Sie
wurden von den Eltern an anderen Schulen, sprich den Gymnasien, angemeldet
oder per Losverfahren dorthin verteilt. Aus Sicht von Rektorin Koller hat
das keinen Sinn: Es müsse doch darum gehen, für jede Schülerin und jeden
Schüler die bestmögliche Schulform zu finden, sagt sie. Während die
Gymnasien schon durch ihren Auftrag auf das Ziel Abitur hinarbeiteten,
böten Gesamtschulen mehr Möglichkeiten mit Haupt- und Realschulabschlüssen
und einem darauf abgestimmten Unterricht.
Tatsächlich, argumentieren die Gymnasien, hätten sie zuletzt immer mehr
Jugendliche beschult, die das Abitur absehbar nicht erreichten.
Leidtragende seien die Schüler selbst. Sie würden am Gymnasium überfordert
und seien eigentlich in den auslaufenden Haupt- und Realschulen, in
Oberschulen oder eben Gesamtschulen besser aufgehoben.
Ob die nun von den Gymnasien zusätzlich festgelegten Reservierungstage
rechtens sind, wollte Göttingens Schuldezernent Siegfried Lieske (Grüne)
nicht kommentieren. Die Stadt und der Kreis Göttingen hätten die
Gesamtschulen gebeten, etwa 30 schwächere Schüler mehr aufzunehmen als
bislang üblich.
In der vergangenen Woche beschloss der Göttinger Stadtrat eine neue
Schulsatzung. Sie sieht ausdrücklich vor, dass Kinder, die keinen Platz an
einem der städtischen Gesamtschulen bekommen, die neue IGS in Bovenden
besuchen sollen.
21 Mar 2017
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Schule
Göttingen
Gymnasium
CDU Schleswig-Holstein
Ganztagsschule
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