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# taz.de -- Gewalt im Amateurfussball: Schiri-Streik mit Folgen
> Nachdem der Schiri-Beleidigung „Sowas wie euch sollte man vergasen“
> streikten die Unparteiischen im Bezirk Weser-Ems. Der Verband zeigt kein
> Verständnis.
Bild: Stress auf dem Platz: Einige Vereine versuchen, Zuschauer und Spieler mit…
BREMEN taz | Am kommenden Spieltag ist der Protest schon wieder vorbei:
„Der Streik war eine einmalige Aktion, in der Hoffnung, dass sich etwas
ändert“, sagt Georg Winter, der beim Verband Weser-Ems für
Fußball-Schiedsrichter und deren Ausbildung zuständig ist. Seine
Schiedsrichter haben mit Billigung des Bezirksverbandes am vergangenen
Wochenende sämtliche Spiele der Bezirksligen eins bis fünf sowie die
Landesliga der Herren bestreikt. Dem Präsidenten des niedersächsischen
Fußballverbandes (NFV), Karl Rothmund, gefiel das nicht. Er hat deswegen am
heutigen Freitag eine außerordentliche Präsidiumssitzung einberufen, an der
sämtliche Bezirksvorsitzenden Niedersachsens teilnehmen müssen.
Der Protest entzündete sich an der Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn
ein Fan nach einem Bezirksligaspiel zum Schiedsrichter sagt: „So etwas wie
euch sollte man vergasen.“ So geschehen im September 2016 beim Spiel von
Grün-Weiß Firrel gegen TuRa Westrhauderfehn. Der Zuschauer war nicht zu
ermitteln, also verurteilte das Bezirkssportgericht die Heimmannschaft
Firrel zunächst zu einer Geldstrafe von 400 Euro. Weil niemand außer den
Schiedsrichtern die Beleidigung mitbekommen hatte, fühlte sich der Verein
am Verhalten eines einzelnen Zuschauers unschuldig und legte Einspruch beim
Verbandssportgericht ein.
Nach einer für Firrel erfolgreichen Berufung landete der Fall zur Revision
vorm Obersten Verbandssportgericht. Das kassierte das Urteil endgültig:
Firrel sei nicht schuld an den Fan-Äußerungen, weil der Täter nicht zu
ermitteln und der Schiri den Vorfall nicht direkt den Ordnern gemeldet
hatte, hieß es.
Dieter Ohls, Verbandsvorsitzender des Bezirks Weser-Ems, kritisiert, dass
das Urteil angesichts zunehmender verbaler Gewalt gegenüber Schiedsrichtern
„der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, gewesen sei. Auf
Initiative der Schiedsrichter billigte er den Streik. Und der Bezirk
Weser-Ems gab am vergangenen Freitag eine solidarische Pressemitteilung mit
der Überschrift „Schiedsrichter auch durch Sportgerichtsbarkeit nicht
geschützt“ heraus.
Übergriffe wie in Firrel sind weder Einzelfälle noch bleibt es immer bei
Bedrohungen oder Beschimpfungen. Eine wissenschaftliche Befragung von 2015
zu Gewalt gegen Amateurschiedsrichter hatte 915 Unparteiische befragt: 62
Prozent wurde demnach schon mal Gewalt angedroht, ein Viertel der
Schiedsrichter haben schon Gewalt erlebt – wurden angespuckt, über den
Platz gejagt, unter Polizeischutz vom Platz geführt oder von Betrunkenen in
ihrer Kabine bedrängt. Laut Umfrage seien Aussagen wie „Schiri, wir warten
auf dich auf dem Parkplatz“ häufig.
Ausbilder Georg Winter leitete selbst 40 Jahre lang Spiele und kennt den
Alltag in den Amateurligen. Er müsse nach Spielen oft Nachsorge bei jungen
Schiedsrichtern betreiben: „Die sind 16 oder 17 und hängen bei mir heulend
am Telefon“, sagt er. „Müssen wir uns das gefallen lassen? Wir bilden so
viele aus, die meisten springen wieder ab – wegen solcher Beleidigungen.“
Deswegen haben die Unparteiischen aus dem Bezirk Weser-Ems nach dem Urteil
beschlossen, „dass sie ein Zeichen setzen wollen“.
Als Verbandspräsident Karl Rothmund von dem Streik erfahren hat, rief er
sofort die Präsidiumssitzung ein. „Derjenige, der die Presseerklärung
gemacht hat, wird sich zu verantworten haben“, sagt er. Zwar solle „keiner
geköpft werden“, aber bei ihm herrsche „völliges Unverständnis“, warum…
Bezirksverband sich gegen den Beschluss des Obersten Verbandssportgerichts
stelle.
Den Frust der Schiedsrichter könne er verstehen, aber die Juristen hätten
kein schuldhaftes Verhalten des Vereins festgestellt. Der Fall sei anders
als bei Bundesligisten, die für Pyrotechnik oder beleidigende Spruchbanner
ihrer Fans bestraft würden, weil die Sicherheitskontrollen versagten, sagt
Rothmund. Ein Verein könne nicht für die nicht vorhersehbare
Diskriminierung eines Zuschauers bestraft werden.
Der Vereinsvorsitzende von Grün-Weiß Firrel, Johannes Poppen, ärgert sich
darüber, dass die Unparteiischen den Ordnern nicht gleich von der
Beleidigung berichteten: „So ein Ausspruch darf nicht fallen, aber die
Schiris hätten selber für Aufklärung sorgen können.“ Dann hätte der Vere…
„den Verantwortlichen greifen können“.
Firrel musste schon im vergangenen Jahr eine einjährige Heimsperre für
Bezirkspokalspiele absitzen. Ein Spielervater hatte bei einem Pokalspiel
den Schiedsrichter und dessen 16-jährigen Assistenten angegriffen. „Wir
haben der Person ein Jahr Stadionverbot gegeben“, sagt Poppen. Die
Bezirksleitung Weser-Ems glaubt, dass dieselbe Person auch für die jüngste
Verbalentgleisung verantwortlich sein könnte. Der Schiri will den Mann
anhand eines Fotos erkannt haben. Laut Poppen ist dessen Sperre abgelaufen:
„Der ist zwischendurch wieder da.“
16 Mar 2017
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Anti-Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Amateurfußball
Beleidigung
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Fußball
Deutscher Fußballbund (DFB)
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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