# taz.de -- „Oldschool Society“-Mitglieder verurteilt: „Moschee reinrenne… | |
> Die Rechtsterroristen der „Oldschool Society“ hatten alle einen | |
> gebrochenen Lebenslauf. Waren ihre Pläne nur Gerede? Das Gericht sah das | |
> anders. | |
Bild: Sprach von Sprengstoff und Anschlägen: Markus W., „Vize-Präsident“ … | |
München taz | Ganz am Ende macht der „Präsident“ nochmal eine Runde. Als | |
Richter Reinhold Baier sein Urteil gesprochen hat, läuft Andreas H. – weit | |
aufgeknöpftes Streifenhemd, auf die Nase gerutschte Lesebrille – noch | |
einmal die Anklagebank ab. Nickend gibt der 58-jährige Markus W. und Olaf | |
O. die Hand, drückt Denise G. an sich. Es ist quasi seine letzte | |
Amtshandlung. Dann geht die Fahrt für Andreas H. zurück in die JVA. Für | |
eine Weile. | |
Eine rechtsterroristische Vereinigung habe Andreas H. mit den anderen | |
Dreien gebildet, hatte Richter Baier im Saal des Münchner | |
Oberlandesgerichts am Mittwochvormittag geurteilt. Gemeint ist H.s | |
„Oldschool Society“. Die Gruppe habe Anschläge auf Flüchtlingsheime gepla… | |
und letztlich versucht „ausländische Menschen aus Deutschland zu | |
vertreiben“. Den Tod möglicher Opfer habe sie dabei „billigend in Kauf | |
genommen“. Baier erteilt Haftstrafen von drei bis fünf Jahren. | |
Das Urteil hat Symbolwirkung. Erstmals seit dem Auffliegen des | |
„Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) vor gut fünf Jahren verurteilt | |
ein Gericht eine Gruppierung als rechtsterroristische Vereinigung. Es ist | |
auch ein Signal: gegen die fächendeckende Gewalt gegen Flüchtlinge. | |
Mitte 2014 soll Andreas H. die „Oldschool Society“ gegründet haben, der am | |
Ende rund 30 Mitglieder angehörten. Das jetzt verurteilte Quartett bildete | |
den führenden „Geheimrat“. Die Gruppe existierte vor allem virtuell, nur | |
ein einziges Gruppentreffen gab es, im sächsischen Frohburg. „Aktionen für | |
unser Vaterland“ plane man, hieß es auf der Facebookseite. Geätzt wurde | |
gegen Flüchtlinge, Muslime und Linke. „Eine Kugel reicht nicht“, stand auf | |
einem Logo. | |
## Harmloser Start | |
Zu tatsächlichen Taten kam es nicht mehr: Im Mai 2015, kurz vor einem | |
zweiten Gruppentreffen in Borna, nahmen Spezialeinheiten der Polizei das | |
Quartett fest. Zuvor schon hatte sich der Verfassungsschutz in die | |
Kommunikation der Gruppe eingeklinkt, am Ende auch ein verdeckter Ermittler | |
des BKA. | |
Für Richter Baier startete alles noch harmlos. Um Aktionen wie | |
Denkmalpflege ging es am Anfang, dann schaukelte sich der Ton immer weiter | |
hoch. Plötzlich habe Markus W., ein stämmiger Glatzkopf, Wachmann aus | |
Borna, auch von Sprengstoff und Brandanschlägen gesprochen. Man könne doch | |
Böller mit Nägeln präparieren und dann: „Im Asylheim Fenster eingeschmissen | |
und das Ding hinterhergejagt.“ Olaf O., ein hagerer Bochumer, schlug als | |
Ziele vor: „Asylantenheim, Antifa-Quartier oder Ölaugen umschuppen“. | |
Einer der Antreiber der Hetzspirale für Richter Baier: Andreas H., der | |
selbst ernannte „Präsident“. Immer wieder habe er Gewaltplänen zugestimmt | |
oder diese selbst geäußert: „Waffen besorgen, Moschee reinrennen, bambam, | |
fertig.“ | |
H. verfolgt die Ausführungen stirnrunzelnd, immer wieder schüttelt er den | |
Kopf. Als Baier die Gewaltaufrufe zitiert, blickt er manches Mal fast | |
staunend drein – als höre er diese zum ersten Mal. Aus seiner Rolle als | |
„Präsident“ scheint er indes bis heute nicht geschlüpft. Als der Richter | |
betont, es sei Andreas H. gewesen, der in der Gruppe stets das letzte Wort | |
hatte, nickt dieser zufrieden. | |
## Diebstahl, Drogen, Arbeitslosigkeit | |
Mit dem NSU-Trio, das fast 14 Jahre im Untergrund lebte und zehn Menschen | |
erschoss, haben die vier Verurteilten dennoch wenig gemeinsam. Andreas H. | |
ist verheiratet, arbeitete als Maler in Augsburg. Wegen Diebstählen saß er | |
vor Jahren in Haft, später sammelte er Waffen und NS-Devotionalien, machte | |
auch bei der NPD mit. Man habe „viel Unsinn“ geredet, sagte H. im Prozess | |
über die „Oldschool Society“. Ernst gemeint sei das alles nicht gewesen. | |
Gebrochene Lebensläufe auch bei den anderen Verurteilten. Markus W., 41 | |
Jahre, schmiss zwei Lehren, nahm Drogen, hat drei Kinder mit drei Frauen, | |
ohne Kontakt zu ihnen. Denise G., seine Freundin, 24 Jahre alt, nahm schon | |
als Jugendliche Crystal Meth, brach die Schule ab, beging Suizidversuche. | |
Einen Job fand sie nie. Und zuletzt Olaf O., 48 Jahre: Nach einem Hirntumor | |
verlor der Bochumer seine Arbeit als Opel-Arbeiter, dann auch seine Frau. | |
Er mischte bei Hogesa-Aufmärschen mit. | |
Knapp ein Jahr war gegen das Quartett verhandelt worden. Die Frage blieb | |
bis zum Schluss: Waren ihre Pläne wirklich Terrorismus? | |
## Unmittelbar bevorstehender Anschlag | |
Michael Rosenthal, Verteidiger von Andreas H., bestreitet das auch am | |
Mittwoch. „Das Gericht schießt übers Ziel hinaus.“ Ein „virtueller | |
Stammtisch“ sei die „Oldschool Society“ gewesen. „Schmächtige Herren in | |
Jogginghosen“, die Geltung suchten. Die aber, außer großspuriger Worte, | |
letztlich nichts getan hätten, so Rosenthal. Auf ihrem einzigen Treffen | |
habe die Gruppe vor allem eines getan: hemmungslos gesoffen. Alle | |
Verteidiger hatten Freisprüche gefordert. | |
Richter Baier sieht es anders. Dass alles nur Gerede war, sei eine | |
Schutzbehauptung. „Es gab ernsthafte, verbindliche Ziele.“ Die Gruppe habe | |
detailliert Anschläge besprochen, konspirativ kommuniziert und sich bereits | |
mehr als 70 illegale Böller aus Tschechien besorgt. Bei Sprengversuch | |
hätten Ermittler festgestellt, dass damit tödliche Lungenverletzungen | |
möglich waren. „Das war den Angeklagten auch bewusst.“ | |
Zudem wurden vor dem zweiten Gruppentreffen die Mitglieder aufgefordert, | |
nüchtern, schwarz gekleidet und bewaffnet zu erscheinen. Dies, so Baier, | |
spreche dafür, dass ein Anschlag unmittelbar bevorstand. Alles zusammen | |
rechtfertige die Verurteilung als rechtsterroristische Gruppe. Genau so sah | |
es auch die Bundesanwaltschaft, die mit den Richtern in nur einem Punkt im | |
Dissens lag: Sie hatte gar Haftstrafen bis zu sieben Jahren gefordert. | |
15 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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