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# taz.de -- Profite der globalen Modeindustrie: Kapitalisten sind auch nur Bett…
> Wenn die Milliardengewinne der Modefirmen gerechter verteilt würden,
> hätte niemand genug zum Leben. Diese Industrie gehört verboten.
Bild: Schuften, aber nicht davon leben können: Textilarbeiter*innen in Vietnam
Inditex hat im Jahr 2016 3,16 Milliarden Euro Gewinn gemacht, hieß es am
Mittwoch. Der Konzern, dem auch die Modemarke Zara gehört sowie Massimo
Dutti, Bershka und Pull&Bear. Mehr noch: Der Gewinn stieg um 10 Prozent im
Vergleich zu 2015 und war sogar höher als der des Konkurrenten H&M, der
2016 nur 2 Milliarden Euro Gewinn machte. Milliardengewinne in der
Industrie also, die sonst mit schlechten Arbeitsbedingungen in ihren
Fabriken Schlagzeilen macht.
Der krasse Gegensatz fasst den Widerspruch des Kapitalismus symbolisch
zusammen: Die Kapitalist*innen verdienen Milliarden im Jahr, während die
Arbeiter*innen kaum über die Runden kommen. Die Konzerne wirtschaften
Milliarden in ihre Taschen und haben Schwierigkeiten, 30 Millionen Dollar
zusammenzubekommen, um die [1][Opfer des Rana-Plaza-Einsturzes zu
entschädigen]. Während der Inditex-Besitzer Amancio Ortega im Jahr 2016 um
rund 1,8 Milliarden Euro reicher wurde, wurden [2][in Bangladesch
Gewerkschafter illegal verfolgt], weil Näher*innen eine Gehaltserhöhung
forderten.
Die Verhältnisse sind krank. Und bei näherer Betrachtung sind die
Verhältnisse noch kränker. Denn obwohl einzelne Personen in dieser
Industrie Milliardensummen verdienen, ist es keine, in der wirklich
lebenswerte Arbeit organisiert wird. Selbst wenn diese Gewinne gerechter
verteilt würden, hätte niemand genug zum Leben.
Machen wir mal das Gedankenexperiment: Die 20 größten Bekleidungsfirmen der
Welt machen jährlich einen Gewinn von rund 30 Milliarden Dollar. Wie viele
Menschen sie beschäftigen, ist unklar, weltweit arbeiten laut Schätzungen
der ILO rund 60 Millionen Menschen in der Industrie. Selbst wenn man
annimmt, dass nur ein Viertel dieser Menschen für diese zwanzig Firmen
arbeitet, kommt man auf einen Gewinn von rund 2.000 Dollar pro Jahr pro
Person. Wenn man dieses Gewinn ganz egalitär an alle, vom Vorstandsmitglied
bis zur Näher*in, auszahlen würde, bekäme jede Person rund 150 Dollar.
Würde man weltweit die Gehälter der Modeangestellten noch in den Topf
werfen, würde sich diese Summe vielleicht auf 300 Dollar verdoppeln.
Für eine Näher*in in Bangladesch, die derzeit 60 Dollar verdient, hätte
sich der Lohn versechsfacht, würde aber noch immer nicht zu ihrer
gesellschaftlichen Absicherung oder für eine saubere Umwelt ausreichen –
auf diese Kosten baut ja die Lohndrückerei.
Den Kapitalist*innen der Industrie entstünden aber erhebliche
Einkommensverluste. Auch die Fabrikbesitzer*innen in Bangladesch, von denen
ein paar Dutzend derzeit ein- bis zweistellige Millionenbeträge einnehmen,
wären so arm wie ihre Angestellten. Statt in Europa und in Nordamerika
Urlaub zu machen oder zu studieren, hätten sie kaum genug Geld, sich etwas
zu essen zu kaufen oder ihre Kinder auf eine Universität zu schicken.
Noch krasser wäre der Einkommensverlust für die Besitzer*innen der globalen
Modemarken. Statt Millionen zu bekommen, hätten sie nur noch 300 Dollar im
Monat. Ebenso die vielen Angestellten und Verkäufer*innen in den Läden in
Europa und Nordamerika: Für einen Vollzeitjob bekämen sie 300 Dollar –
brutto wie netto, ohne Kranken-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherung.
Solche Arbeitsbedingungen wären in Deutschland zu Recht schlicht verboten.
## Gerechte Verteilung ist nicht möglich
Umgekehrt heißt das: Alle, die in der Modeindustrie nicht nur
Millionenbeträge, sondern einfach nur ein europäisches Einkommen
verdienen, leben davon, dass die Näher*innen in Ländern wie Bangladesch,
Vietnam oder Indien auf ihr Einkommen verzichten müssen. Das Gehalt basiert
auf der direkten Ausbeutung ihrer Kolleg*innen.
Was bedeutet das also? Wem daran gelegen ist, dass Menschen unabhängig
davon, wo auf der Welt sie geboren sind, in Würde arbeiten können, wer
nicht nur auf eine saubere Umwelt und gesellschaftliche Absicherung in
Industrieländern wert legt, kann eine solche Industrie nicht tolerieren.
Die Profite gerechter zu verteilen ist ein guter erster Schritt, aber er
genügt nicht, weil die Profite dieser Industrie nicht ausreichen. Auch
Überlegungen, dass man ja ein paar Cent mehr zahlen könnte, um die
Bedingungen der Arbeiter*innen marginal zu verbessern, sind
Gedankenverschwendung. Eigentlich müssten wir nackt herumlaufen.
15 Mar 2017
## LINKS
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[2] /Gewerkschafter-in-Bangladesch/!5384587/
## AUTOREN
Lalon Sander
## TAGS
Textilindustrie
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Unternehmen
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Zara
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