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# taz.de -- Juventus Turin und Mafia-Kontakte: Verdächtige Nähe
> Juventus Turin muss vor die Anti-Mafia-Kommission. Der Klub soll seine
> Fan-Abteilung der ’Ndrangheta anvertraut haben.
Bild: Gibt es zu viel Nähe bei Juventus – zur Mafia?
TURIN taz | Der italienische Rekordmeister Juventus Turin hat beim heutigen
Achtelfinalrückspiel gegen den FC Porto gute Aussichten auf ein Verbleiben
in der Champions League. Ganz sicher ist, dass der Klub ein
Untersuchungsgegenstand der Antimafiakommission des italienischen
Parlaments bleibt. Für den Tag nach dem Match hat die Unterkommission
„Mafia und Sport“ einen Klubvertreter bestellt. Es ist ein erfahrener Mann:
Luigi Chiappero vertrat die Bianconeri schon im Dopingprozess und beim
Manipulationsskandal Calciopoli. Jetzt kommt also noch die Mafia hinzu.
Hintergrund ist, dass Juve das Management der Fanszene einem Spross einer
’Ndrangheta-Familie anvertraute und ihm auch noch fleißig Tickets zum
Weiterverkauf auf dem grauen bis schwarzen Markt überließ. Rocco Dominello
gründete sogar einen eigenen Fanklub, die „Gobbi“. Die sind inzwischen in
der wichtigsten Fanvereinigung, den „Drughi“, aufgegangen. Deren Banner
beherrschen die Kurve.
Dominello selbst wird keine Fahne schwenken. Er ist Angeklagter in einem
Prozess der Turiner Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft. Ihm und seinem Vater
Saverio werden unter anderem eine Entführung und ein versuchter Mord
vorgeworfen. Die Gewalttaten erfolgten im Zuge einer
Einschüchterungskampagne, mit der sich der Dominello-Clan die
Vormachtstellung im Nachtklubgewerbe eroberte. Der Prozess beginnt am 23.
März in Turin.
Im Fußball hingegen erwarb sich Dominello Meriten als Ruhestifter. So
schilderte es jedenfalls Klubpräsident Andrea Agnelli in einem Brief an die
Staatsanwaltschaft. Denn Dominellos „Autorität“ zwang die anderen Gruppen,
im Stadion Ruhe zu bewahren. Agnellis Brief ist zugleich ein interessanter
Blick ins italienische Fußballmilieu. „Die Nachfrage für Tickets vonseiten
der Ultras ist oft durch einen stillen Druck charakterisiert, der sich aus
der in der Vergangenheit umfangreich gezeigten Fähigkeit speist,
gewalttätiges Verhalten auszuüben oder sich auch nur verbal tadelnswert zu
benehmen, was für den Verein schwere Strafen durch das Sportgericht nach
sich zieht“, formulierte Agnelli etwas umständlich. Die Kurzfassung:
Dominello sorgte dafür, dass dem Klub Strafzahlungen wegen Randale erspart
blieben.
## Die Anti-Mafia-Kommission
Zum Brief genötigt sah sich Agnelli, weil der direkte Ansprechpartner
Dominellos seitens des Klubs sein alter Jugendfreund Alessandro d’Angelo
ist. D’Angelo wuchs als Sohn des Chauffeurs von Umberto Agnelli im
Industriellenhaushalt auf und verdient seine Brötchen jetzt als
Sicherheitsbeauftragter von Juventus.
Ob er und ob gar Agnelli vom kriminellen Gewicht dieses Subunternehmers in
Sachen Sicherheit wussten und ihn genau deshalb mit den Aufgaben betrauten,
ist Gegenstand der Befragungen der Anti-Mafia-Kommission. Die
Disziplinarkammer des Fußballverbands FIGC prüft derzeit ebenfalls die
Eröffnung eines Verfahrens.
Die Causa Dominello ist nur das letzte Glied einer ganzen Serie der
Delinquenz von Teilen der organisierten und vom Klub eben auch geduldeten
Fanszene. Drughi-Boss Gerardo „Dino“ Mocciola saß wegen eines Postraubs mit
Todesfolge eine Gefängnisstrafe von fast 20 Jahren ab. Während er im Knast
war, eroberten die „Bravi Ragazzi“ die Vorherrschaft in der Kurve. Die
nannten sich gewiss nicht nur aus Liebe zum Kino nach Martin Scorceses Film
„Goodfellas“. Einige von ihnen überfielen im Zuge von Auswärtsfahrten die
Banken am Wegesrand. Mit Drogen dealten sie ebenfalls. Ein Brand in der
Boxschule des Bosses der „Bravi Ragazzi“ war dann Teil der
Wiedereroberungsstrategie der Kurve durch die Drughi.
Ein ’Ndrangheta-Clan passt da prima rein ins Szenario. Laut Auskunft der
Anti-Mafia-Staatsanwältin Monica Abbatecola entstand das Interesse der
Mafia-Familie Dominello vor allem angesichts der Gewinnspannen im
Ticketweiterverkauf. „Sie haben Tickets für 100 Euro erworben und für 600
Euro weiterverkauft. Sie machen alles, was Geld bringt“, sagte sie der taz.
Solche Gewinnspannen sind allerdings nur in der Champions League möglich.
Wie Dienstagabend. Es dürfte gewiss manchen Kriminellen geben, der allein
aus Geschäftsinteresse Juventus das Weiterkommen wünscht.
14 Mar 2017
## AUTOREN
Tom Mustroph
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