# taz.de -- Sondermüll in Schleswig-Holstein: Schlamm nicht so schlimm | |
> Weil er oft giftige und radioaktive Rückstände enthält, lässt | |
> Schleswig-Holstein alte Bohrschlamm-Gruben unter die Lupe nehmen. | |
Bild: Lässt Bohrschlamm auf giftige Rückstände überprüfen: Umweltminister … | |
GÖTTINGEN taz | Es sind Hinterlassenschaft der Ölförderung in | |
Schleswig-Holstein: Umweltschädliche Bohrschlämme wurden jahrzehntelang in | |
Gruben gekippt. Etwa 100 Verdachtsflächen sind in dem Bundesland bekannt, | |
rund ein Dutzend davon liegen in Trinkwassereinzugs- oder in | |
Wasserschutzgebieten, an einigen Orten wird Landwirtschaft betrieben. Im | |
Nachbarland Niedersachsen gibt es sogar an die 500 Verdachtsflächen. Viele | |
Schlammgruben sind vergleichsweise klein mit nur wenigen Hundert | |
Kubikmetern abgelagertem Schlamm, andere mit mehr als 10.000 Kubikmetern | |
Abfall deutlich größer. | |
Bohrschlämme gelten als gefährlicher Sondermüll. Denn sie können nicht nur | |
verschiedene Öl-Rückstände wie zum Beispiel krebserregende polyzyklische | |
aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten, sondern in vielen Fällen auch | |
giftige Schwermetalle wie Quecksilber und Arsen sowie radioaktives Radium | |
226. | |
Sie seien eine latente Gefahr für Mensch und Umwelt, sagt Professor | |
Wolfgang Calmano, der in Hamburg Umwelttechnik lehrt. Deshalb komme es sehr | |
darauf an, dass diese Stoffe sicher entsorgt würden „und nicht einfach in | |
der Gegend rumliegen“. „Und wenn man das richtig macht, dann müssten die in | |
einer Untertagedeponie sicher endgelagert werden.“ | |
Für Schleswig-Holstein gab das Umweltministerium in Kiel jetzt vorsichtig | |
Entwarnung: Lediglich in acht von bislang 42 untersuchten Gebieten hat sich | |
demnach der Verdacht auf solche Altlasten erhärtet. Weitere Untersuchungen | |
müssten nun klären, ob von den Ablagerungen eine Gefahr für die Umwelt | |
ausgehe, so Minister Robert Habeck (Grüne). | |
## „Die meisten Bohrschlammgruben unproblematisch“ | |
Das Ministerium hatte im August vergangenen Jahres einen Gutachter damit | |
beauftragt, 82 Standorte mit bis dahin nicht weiter überprüften Hinweisen | |
auf Öl- und Bohrschlammablagerungen systematisch unter die Lupe zu nehmen. | |
Für die 42 Flächen in den Kreisen Segeberg und Plön liegen nun die | |
Ergebnisse vor. Bald sollen auch die Arbeiten in den Kreisen | |
Rendsburg-Eckernförde und Pinneberg abgeschlossen werden, danach folgt | |
Schleswig-Flensburg. | |
Das komplette Gutachten soll im kommenden Sommer vorliegen. „Dem Ziel, ein | |
vollständiges Bild über die damaligen Hinterlassenschaften zu bekommen, | |
sind wir mittlerweile ein gutes Stück näher“, sagt Habeck. Die bisherigen | |
Ergebnisse bestätigen seine Einschätzung, „dass die meisten | |
Bohrschlammgruben unproblematisch sind“. Oft seien nur kleine Ablagerungen | |
entdeckt worden. Zum Teil sei der Bohrschlamm nach Ende der Förderung auch | |
wieder entfernt worden. An einigen Standorten habe es fachgerechte | |
Sanierungen gegeben. Das Wasser sei auch auf den Verdachtsflächen in | |
Wasserschutzgebieten und Trinkwassereinzugsgebieten sicher. | |
Das ist natürlich nur ein vorläufiges Ergebnis. Abgesehen von den noch | |
ausstehenden Untersuchungen der bekannten Verdachtsflächen gibt es bei der | |
Thematik eine Dunkelziffer. Über viele Ablagerungen ist im doppelten Sinne | |
Gras gewachsen. Die Gruben sind eine Hinterlassenschaft der industriellen | |
Vergangenheit, einige wurden schon vor 60 oder 70 Jahren geschlossen. Eine | |
behördliche Dokumentation ist in vielen Fällen gar nicht mehr vorhanden. | |
Auch Anwohner wissen oft nicht, dass dort überhaupt einmal Schlamm | |
abgekippt oder im Boden vergraben wurde. | |
Für umso wichtiger hält Patrick Breyer (Piraten) Transparenz: Alle | |
Bohrschlamm-Verdachtsflächen sollten grundstücksgenau im Internet | |
veröffentlicht werden, fordert er. Landwirte, Pächter und Käufer von | |
Ackerflächen hätten nur so eine Chance, potenziell belastete und vergiftete | |
Flächen zu erkennen und zu meiden. | |
10 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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