# taz.de -- Bohrschlamm auf Schleswig-Holsteins Böden.: Öl auf dem Acker | |
> In 100 Gemeinden in Schleswig-Holstein lagert Bohrschlamm – wie | |
> gefährlich die Altlasten sind, ist unbekannt. | |
Bild: Sieht lecker aus, die grüne Wiese für die Kühe: In Etzel aber ist der … | |
KIEL taz |Er lagert an zahlreichen Orten: im beschaulichen Idstedt unweit | |
von Schleswig, in der Landeshauptstadt Kiel oder in Wacken, wo jüngst noch | |
Zehntausende Metal-Fans ihre jährliche Acker-Party feierten – an insgesamt | |
100 Orten in Schleswig-Holstein ist Bohrschlamm aus ehemaligen | |
Ölförderstätten deponiert. Vier dieser Standorte befinden sich in | |
Wasserschutzgebieten oder Bereichen, in denen Trinkwasser gewonnen wird. An | |
einigen Orten wird Landwirtschaft betrieben. Allerdings: Eine Aussage | |
darüber, ob von den Stoffen eine Gefahr für Natur und Mensch ausgeht, ist | |
„pauschal nicht möglich“, heißt es in der Antwort des Umwelt- und | |
Energieministeriums auf eine Anfrage der Piraten-Partei. | |
Dass Bohrschlämme an zahlreichen Orten in Norddeutschland lagern, ist seit | |
Jahren bekannt. Schließlich wird seit über eineinhalb Jahrhunderten in der | |
norddeutschen Tiefebene nach Öl gesucht (siehe Kasten). Erst seit wenigen | |
Jahrzehnten wird der mit Mineralölen und Chemikalien durchsetzte Schlamm | |
als giftiger Abfall behandelt und entsorgt. „Früher wurde das Zeug auch | |
kurzerhand vor Helgoland verklappt“, so Claudia Bielfeldt, | |
Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND. Oder der Schlamm wurde eben auf | |
Felder geschüttet. | |
Das vom Grünen Robert Habeck geführte Ministerium verweist nun darauf, dass | |
das Land nicht mehr zuständig sei: Mitte 2014 wurde die letzte Schlammgrube | |
in Schleswig-Holstein aus der Aufsicht des Bergbauamts entlassen. Alles | |
Weitere sei Sache der Kreise und deren unterer Naturschutzbehörden. | |
Bielfeldt kritisiert, dass sich das Land damit die Sache zu einfach mache: | |
„Das Umweltministerium ist die Fachaufsicht für die Naturschutzbehörden. | |
Gäbe es den politischen Willen, sich der Sache anzunehmen, fände sich auch | |
ein Weg.“ Aber offenbar scheine nach der Maxime verfahren zu werden: „Aus | |
den Augen, aus dem Sinn.“ | |
Eine aktuelle Brisanz bekam das Thema jüngst durch den Fund giftiger | |
Abfälle im Landkreis Wittmund in Niedersachsen: Hier werden die | |
Lager-Stätten landwirtschaftlich genutzt, unter anderem weiden Kühe auf | |
schlammbelasteten Wiesen. Ob der Schlamm gesundheitsgefährlich ist oder das | |
Trinkwasser belastet, ist nicht bekannt – eben das macht Patrick Breyer | |
(Piraten) „sprachlos“. Er fordert, landwirtschaftlich genutzte Flächen | |
vorsorglich stillzulegen, solange Gefahren durch giftigen Bohrschlamm nicht | |
auszuschließen seien. | |
Der Agrarexperte der CDU-Landtagsfraktion, Heiner Rickers, hatte bereits im | |
April eine Anfrage zum Giftschlamm auf dem Acker gestellt. Er bringt ins | |
Spiel, den verunreinigten Boden abzutragen und zu deponieren. Das | |
Ministerium sieht allerdings Probleme, die Mengen unterzubringen: „In | |
einigen Landesteilen werden die Kapazitäten knapp.“ | |
In den vergangenen zehn Jahren hat es landesweit nur wenigen | |
Sanierungsmaßnahmen an alten Schlammgruben gegeben, allerdings wird in | |
Einzelfällen geprüft und auch das Trinkwasser regelmäßig untersucht. Müsste | |
entsorgt werden, lägen die Kosten bei den Betreibern der Bohrungen – falls | |
es die Firmen nach so langer Zeit noch gibt. Ansonsten wäre die | |
Allgemeinheit gefordert. | |
Im Zuge der Debatte wird nun auch lokal verstärkt nachgefragt, an welchen | |
Stellen Altlasten lagern. Etwa im Kreis Dithmarschen, wo es fünf Standorte | |
gibt. Die untere Naturschutzbehörde sieht für die Orte Delve und | |
Fedderingen einen „Altlastenverdacht“ – der Bohrschlamm lagert auf den | |
früher gemeindlichen Müllkippen. Darüber seien die Gemeinden bereits 2003 | |
unterrichtet worden, erklärte ein Kreissprecher. Die heutigen | |
Bürgermeisterinnen beider Orte allerdings sagten auf Anfrage der | |
Dithmarscher Nachrichten, ihnen sei davon nichts bekannt. Immerhin: Im | |
Grundwasser sind nach neuen Messungen keine Anzeichen auf giftige | |
Rückstände zu finden. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
## TAGS | |
Bunker | |
Fossile Rohstoffe | |
Robert Habeck | |
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