Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Suizidversuch wegen Abschiebung: „Mein Leben zog vor meinen Augen…
> Ali Reza Karimi ist knapp seiner Abschiebung nach Afghanistan entkommen.
> In der Ausländerbehörde wollte man in festnehmen. Daraufhin versuchte er,
> sich umzubringen
Bild: „Es gibt keine Sicherheit, nirgends“, sagt Ali Reza Karimi über die …
taz: Herr Karimi, wo sind Sie gerade?
Ali Reza Karimi: In der Klinik, im UKE.
Was fehlt Ihnen?
Ich habe versucht, mich umzubringen. Ich habe große Angst, abgeschoben zu
werden. Ich bin müde und ich habe keine Hoffnung mehr.
Sie sind Ihrer Abschiebung schon mindestens ein Mal entkommen, vielleicht
sogar zwei Mal.
Das erste Mal war bei der zweiten bundesweiten Abschiebung am 14. Dezember.
Ich war zufällig gerade bei der afghanischen Botschaft in Berlin, um meine
Heiratsurkunde abzuholen.
Ist Ihre Ehefrau auch in Deutschland?
Ja, seit einem Jahr. Sie ist in einer Unterkunft in Lübeck, ihr
Asylverfahren läuft noch.
Warum ist sie in Lübeck und Sie sind in Hamburg?
Sie wurde dorthin umverteilt, ich bin in Hamburg gemeldet und muss hier
bleiben. Ich hatte auch bis vor Kurzem einen Job, ich habe vier Jahre hier
gearbeitet.
Und jetzt nicht mehr?
Als ich aus Berlin wieder gekommen bin und gehört habe, dass die Polizei
mich gesucht hat um mich abzuschieben, bin ich untergetaucht. Ich bin nicht
mehr zur Arbeit gegangen, weil ich Angst hatte, vom Arbeitsplatz
abgeschoben zu werden.
Wenn das Asylverfahren Ihrer Frau noch offen ist, können Sie als Ehemann
doch gar nicht abgeschoben werden.
Die Ausländerbehörde erkennt die Heiratsurkunde aber nicht an. Sie sagt, es
sei eine religiöse Urkunde. Aber es ist ein offizielles Dokument. Da steht
drauf: „Heiratsbescheinigung der Botschaft der Islamischen Republik
Afghanistan, Berlin“, und dass wir die Ehe nach afghanischem Recht
geschlossen haben.
Was hatte die Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde daran auszusetzen?
Als ich am Dienstag in der Behörde war, um meine Duldung zu verlängern, hat
sie die Urkunde nicht anerkannt, und auch mein ärztliches Attest nicht.
Auch dass ich seit vier Jahren hier arbeite, zählt nicht. Was soll ich
machen?
Was hat sie gesagt?
Sie hat mich gefragt, ob ich freiwillig ausreisen will. Ich habe gesagt,
ich muss erst mit meinem Anwalt sprechen. Sie hat gesagt: Dann nehmen wir
Sie jetzt fest. Ich hatte eine Rasierklinge in der Hand und habe es einfach
gemacht. Ich habe sie zwanzig Sekunden lang in meinen Arm gedrückt. Mein
Leben ist vor meinen Augen vorbeigezogen.
Wie geht es Ihrem Handgelenk?
Es hat sechs Schnitte. Sie haben mein Handgelenk versorgt und mich zur
Haftanstalt gebracht. Ein Psychotherapeut hat mit mir gesprochen und
gesagt: „Du kannst nicht nach Afghanistan fliegen, du bist krank.“
Zur Haftanstalt – warum?
Ja, vom Krankenhaus zu einer Haftanstalt, wo ein Richter war. Sie haben
gesagt: „Jetzt kommt ein Dolmetscher und du musst vor das Gericht.“ Ich
habe gesagt: „Ich muss mit meinem Rechtsanwalt sprechen.“ Sie wollten aber
nicht warten. Ich durfte auch nicht telefonieren. Dann kam jemand mit einem
Schreiben von der Klinik und sie haben mich ins UKE gebracht, ohne dass ich
zum Haftrichter musste.
Warum sollten Sie in Haft – weil Sie sich der Abschiebung entzogen haben?
Ich weiß es nicht.
Aus welcher Region in Afghanistan kommen Sie?
Ich bin Hazara und komme aus Daikundi in Zentralafghanistan.
Ist das eine sichere Region?
Ganz Afghanistan ist kaputt. Es gibt keine Sicherheit, nirgends.
Der Innenminister behauptet das aber.
Ja, ich weiß, er sagt viel. Aber immer, wenn er gefragt wird, welche
Regionen sicher sein sollen, sagt er nichts. Er weiß es auch nicht. Die
Ausländerbehörde schickt einfach alle nach Afghanistan, aber es ist
nirgendwo sicher.
Wohin gehen Sie, wenn Sie aus der Klinik kommen?
Erst mal zu meinem Rechtsanwalt. Ich respektiere das Gesetz, aber ich
erwarte, dass andere es auch respektieren. Die Ausländerbehörde respektiert
das Gesetz nicht.
24 Feb 2017
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Abschiebung
Schwerpunkt Afghanistan
Suizidversuch
Interview
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Afghanistankrieg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abschiebungen nach Afghanistan: Weniger sicher geht nicht
Die Bundesregierung äußert sich verwirrend und hält sich nicht an die
eigenen Kriterien. Andere EU-Staaten würden weitaus rigider abschieben.
Doppelanschlag der Taliban in Kabul: Ein Toter und viele Verletzte
Eine Autobombe explodierte vor einer Militärschule. Kurze Zeit später
sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor einem Büro des Geheimdienstes in
die Luft.
Abschiebung nach Afghanistan: Keine Kekse für die Rückkehrer
Der dritte deutsche Abschiebeflug nach Kabul zeigt große Lücken in der
Nachbetreuung. Die Unterbringung ist nur für zwei Wochen geklärt.
Abschiebungen nach Afghanistan: „Alles andere als ein sicheres Land“
Am Mittwoch wurden erneut 18 Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Mehrere
Bundesländer kritisieren die Maßnahmen.
Norddeutsche Abschiebepolitik: Albig bleibt vernünftig
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig hält trotz großer
Kritik am Abschiebestopp nach Afghanistan fest. Die Grünen in Niedersachsen
taktieren noch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.