| # taz.de -- Abschiebung von afghanischem Künstler: Integrierter geht's nimmer | |
| > Da hat ein aus Afghanistan geflohener Künstler sich so integriert, wie es | |
| > die CSU will. Trotzdem schickt Bayern Ahmad Shakib Pouya zurück nach | |
| > Kabul. | |
| Bild: Ahmad Shakib Pouya im September 2015 bei Markus Lanz | |
| Ob doch noch ein Wunder passiert? Natürlich hofft Ahmad Shakib Pouya. Aber | |
| die Hoffnung schwindet immer mehr, je näher der Termin rückt. Heute Abend, | |
| um 18.30 Uhr, wird das Flugzeug Richtung Kabul abheben. Und wenn es nicht | |
| passiert, das Wunder, dann wird auch er darin sitzen. Pouya hat sich schon | |
| ein Ticket gekauft, seine Ausreise ist freiwillig. Freiwillig – was für ein | |
| tückischer Begriff, denn es gibt eine Sache, die der 33-jährige Afghane auf | |
| gar keinen Fall will – nach Kabul fliegen. Er macht es trotzdem. Nur indem | |
| er seiner Abschiebung zuvorkommt, kann er ein Wiedereinreiseverbot | |
| vermeiden. Und Bayerns Behörden sind fest entschlossen, den Afghanen | |
| abzuschieben, falls er nicht freiwillig geht. | |
| Ahmad Shakib Pouya ist das Paradebeispiel eines erfolgreich integrierten | |
| Flüchtlings. Er spricht Deutsch, er arbeitet als Dolmetscher. Pouya | |
| engagiert sich in kulturellen Projekten, tritt als Schauspieler und Sänger | |
| auf. Und Pouya hat in Deutschland geheiratet – wenn auch nur vor einem | |
| islamischen Geistlichen, für eine standesamtliche Trauung, so sagt er, habe | |
| ein Papier gefehlt. Bei Markus Lanz saß er in der Talkshow, in Schloss | |
| Bellevue trat er vor Bundespräsident Joachim Gauck auf. Integrierter als | |
| Pouya – das geht nicht. | |
| Mit der Integration ist das so eine Sache in Bayern. Sie wird von der | |
| regierenden CSU mindestens so sehr gefordert wie gefördert – und | |
| gleichzeitig als Abschiebungshemmnis gefürchtet. Unvergessen das Zitat von | |
| Generalsekretär Andreas Scheuer, wonach das Schlimmste ein | |
| fußballspielender, ministrierender Senegalese ist, der über drei Jahre da | |
| ist, weil man den nicht mehr abschieben werde – obwohl er ein | |
| Wirtschaftsflüchtling sei. | |
| An Menschen wie Pouya, so fürchten seine Freunde, solle nun ein Exempel | |
| statuiert werden. Und er ist kein Wirtschaftsflüchtling. 2008 ist der | |
| gelernte Zahnarzt aus seiner Heimat geflohen – vor den Taliban. Die, so | |
| erzählt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, hätten ihn bedroht, | |
| weil sie ihn beschuldigten, mit Ausländern zusammenzuarbeiten. Dann flog | |
| eine Granate durchs Fenster, als er gerade mit seinen Eltern zusammensaß. | |
| Sein Vater bekam einen Herzinfarkt. Und starb. Pouya packte seine Sachen, | |
| kam nach Deutschland – und begann ein neues Leben. | |
| Er habe doch gezeigt, was ein Flüchtling hierzulande schaffen könne, sagt | |
| Ahmad Pouya im Interview mit der Münchner Abendzeitung. „Das Einzige, was | |
| ich hatte, war ein Duldungsstatus, der alle drei Monate verlängert werden | |
| musste.“ Was Pouya am wenigsten versteht: Sein Fall liegt aktuell der | |
| Härtefallkommission des Bayerischen Landtags zur Entscheidung vor. Warum | |
| kann man nicht wenigstens diese Entscheidung abwarten? Einmal immerhin | |
| wurde ihm Aufschub gewährt. Da stand Pouya kurz vor Weihnachten schon mit | |
| seiner Frau in Frankfurt am Flughafen, als ihn die Nachricht erreichte: | |
| Drei Wochen dürfe er noch bleiben – gerade bis zur letzten Aufführung der | |
| „Zaide“. | |
| Die Opernsängerin Cornelia Lanz hatte die Mozart-Oper mit Flüchtlingen aus | |
| dem Irak, Afghanistan, Syrien und Nigeria neu komponiert und interpretiert. | |
| In der Rolle von Zaides Geliebtem Gomatz: Ahmad Shakib Pouya. Dass Pouya | |
| Aufschub gewährt wurde, ist einer Vielzahl von Unterstützern zu verdanken – | |
| von der grünen Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth bis zum ehemaligen | |
| Minister und CSU-Landtagsabgeordneten Thomas Goppel. Beide waren in „Zaide“ | |
| – und dem Vernehmen nach begeistert. Am Schluss des Stücks singt Pouya ein | |
| Lied für Zaide. Über ihm erscheint ein Erklärtext: „Mozart hat der Zaide | |
| kein Ende geschrieben. Der Ausgang ist unklar.“ | |
| 19 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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