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# taz.de -- Freies Theater in Leipzig: Über Mensch und Übertier
> Im Lofft präsentieren die Performer von friendly fire mit „Zooropa“ eine
> Vision vom Ende der menschlichen Herrschaft über den Planeten.
Bild: Entdecke das Tier in dir!
LEIPZIG taz | Silberne, enganliegende Anzüge, darüber eine schwarze Weste,
mit gerafften Schultern. Futuristisch, mit Glitzer geschminkt singen die
drei Tour-Guides zu lauten Synthesizer-Klängen: „I can hear it calling in
the air tonight“. Ihr Gesang steigert sich. Ihre zierlichen Körper
erscheinen größer, als sie sind.
Der Raum, dunkel, mittendrin Nebelschwaden. Die Guides springen auf
Reifenstapel und wieder runter, erheben sich über die Zuschauer, gehen auf
sie zu. Begleitet von der „Final Countdown“-Melodie aus den Achtzigern.
Sie heißen das Publikum willkommen: „Als das Abendland längst Nachtland
geworden / Und DAS MENSCH aus den großen Städten verschwunden war / Als die
Zukunft die Gegenwart berührte / Und die Gegenwart zu fiebern begann / Als
DAS NEUE TIER sein Antlitz unter neuen, fremden Sternen zeigte / Bauten die
Tiere der Zukunft einen großen Park, in dem DAS MENSCH von diesem Tag an
lebte / Und sie nannten diesen Ort: ZOOROPA“
„Das Mensch“ ist in einer fernen Zukunft fast ausgestorben. An seine Stelle
tritt das neue „Übertier“. Weil die Übertiere wissen wollen, wie „Das
Mensch“ früher gelebt hat, haben sie für die letzten ihrer Art ein Refugium
namens Zooropa gebaut. Jedes Übertier kommt im Leben einmal dorthin, um
über „Das Mensch“ zu lernen.
## Von einem Stück zum nächsten
„Zooropa“ ist eine Koproduktion des Lofft-Theaters und der
Performancegruppe friendly fire. Deren Kern besteht aus Melanie Albrecht
und Helena Wölfl, zwei der Guides, sowie Michael Wehren. Für ihr Stück
werden sie von Isabel Soares aus São Paulo unterstützt, auch sie ein Guide.
Die Übertiere werden von einem neunköpfigen Chor dargestellt.
Es ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen dem Lofft und „friendly
fire“. Gemeinsam haben sie schon die Produktion „Secret Secrets of the
Beehive“ realisiert, in der die deutsch-brasilianische Geschichte des 20.
und 21. Jahrhunderts thematisiert wurde. Nachbarschaften der
brasilianischen Mittelschicht – Häuser, die durch große Zäune umfriedet
waren – haben die Macher_innen auch zu Zooropa inspiriert.
Diese Nachbarschaften vertreten eine Logik der Inklusion und Exklusion:
„Man kann denken, dass diese Häuser wie Käfige aussehen, in denen die
brasilianische Mittelklasse gehalten wird“, so Wehren. Seit einer Weile sei
es das Gruppenmotto, dass die letzte Probe der letzten Inszenierung die
Premiere eines neuen Stückes sei.
In drei Akten oder besser Nächten führen die Guides durch den Erlebnispark
von morgen. Die erste führt in die Ethnosoziologie ein. Begriffe wie
„Anthropocene“ werden auseinandergenommen, mit einem eingeschobenen „ob“
verkettet und so zum Wort „Anthropobcene“ umgeformt.
Was aber ist diese(s) „Anthropobcene“? Es ist eine vielschichtige
Anspielung, beispielsweise auf das Anthropozän, die Idee einer geologischen
Epoche, die durch das Wirken des Menschen charakterisiert wird. Ebenso auf
die Off-Szene des freien Theaters, genau wie auf jene dahinter gelegenen,
generell nicht sichtbaren Dinge abseits der Szene („off the scene“),
zuletzt auch auf „obscene“ (dt.: „obszön“), auf Ekelerregendes und
Widerwärtiges.
## Was will das Tier?
Besonders stark wird die Aufführung in der zweiten Nacht, wenn die
Übertiere mit menschlicher Gewalt konfrontiert werden, wenn etwa
historische Aufnahmen einer Schweineschlachtung projiziert werden. Leid und
Schmerz konfrontieren die Besucher und zwingen sie, die Perspektive zu
wechseln. Sie selbst sind „das Mensch“.
Doch was macht das Übertier aus? Ist es eine Weiterentwicklung, eine
moralische Verbesserung des Menschen oder lediglich dessen Kopie? Man muss
aufpassen, dass man sich während des Stücks in diesen Fragen nicht
verliert. Sich Gedanken über menschliche Vergangenheit und Zukunft zu
machen ist aber letztlich das Ziel von „Zooropa“.
15 Jan 2017
## AUTOREN
Edgar Lopez
Trang Dang
## TAGS
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Tierhaltung
Science-Fiction
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Staatstheater Braunschweig
Critical Whiteness
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