| # taz.de -- Die Wahrheit: Maori-Mythos in Israel | |
| > Neues aus Neuseeland: Die Erinnerungen an eine Reise ins Heilige Land – | |
| > umzingelt von deutschem Brot und ganz viel israelischem Hummus. | |
| Ich war letztes Jahr zum ersten Mal in Israel. Ist ja kein Katzensprung. | |
| Drei Tage Anreise, aber wert war sie es. Denn das Heilige Land ist der | |
| beste Kontrast zu meiner neuen Heimat. Nicht, weil es dort so staubig, | |
| braun, heiß und trocken ist – Negev-Wüste statt Regenwald. Sondern wegen | |
| der Menschen. So direkt! So unverblümt! | |
| Keine Verklemmung und Bescheidenheit wie bei den Kiwis, die ich ja sehr für | |
| ihr unaufdringliches, freundliches Wesen schätze. Aber ihr Smalltalk nimmt | |
| oft kein Ende. Jetzt also ein Volk mit politischer Leidenschaft, Intellekt | |
| und keiner Spur von falscher Höflichkeit. Dazu gerne ein Joint. Meine | |
| deutsche Seele fühlte sich auf Umwegen fast wieder angekommen und blühte | |
| nach all den Jahren in der Diaspora auf. Wenn da nur das kleine | |
| Herkunftsproblem nicht gewesen wäre. | |
| „Where are you from?“, fragten sie mich. Manchmal ist es kompliziert mit | |
| der Heimat. „Aus Neuseeland“, sagte ich, was ja auch stimmt. „Du hast ein… | |
| komischen Akzent“, sagten sie dann. Wie gesagt, erfrischend direkt, aber | |
| nicht unbedingt charmant. Ich fühlte mich ertappt. Meinten sie mein | |
| Kiwi-Englisch? Einmal nannte ich meine Flip-Flops aus Versehen „jandals“, | |
| was außer den Australiern nun niemand auf der Welt kapiert. Mein Gegenüber | |
| verstand erst „genitals“, aber ließ sich davon nicht weiter aus der Fassung | |
| bringen. Peinliche Momente gibt es bei so viel verbaler Offenheit selten. | |
| Aber zurück zum komischen Akzent: Wahrscheinlich hörte man mir deutlich | |
| meine deutsche Kinderstube an. War das Etikettenschwindel, mich als Kiwi | |
| auszugeben – trotz Doppelpass? Und hatte das etwa mit dem Holocaust zu tun? | |
| Die deutschen Freunde, die ich in Jerusalem traf, sagten auf die | |
| Inländer-Frage „Where are you from“ stets „from Berlin“, was ja auch | |
| stimmt. „From Germany“ nimmt wohl einfach niemand von uns so gerne in den | |
| Mund. Typisch deutsch. | |
| Da hatte ich mir nun was eingebrockt. Ich war die Kiwianerin und damit | |
| Expertin für Hobbits und Maori. Die Augen der Israelis leuchteten auf. | |
| „Kannst du uns diesen Tanz zeigen?“ Den Haka? Nicht wirklich, sorry. Eine | |
| Frau erzählte mir von ihrem Traum, ein Wal kam darin vor. Dass ich in ihrer | |
| Community auftauchte, war für sie eine spirituelle Botschaft – von den | |
| Maori! Sie hatte „Whale Rider“ gesehen. | |
| Und dann die Sache mit dem Hummus. Auf den schwört jeder Israeli: dass der | |
| aus seiner Stadt oder in dem Lokal der allerbeste sei. Ist so was wie ein | |
| Sport. „Gibt es das auch bei euch, diese Gerichtepassion?“ Wieder musste | |
| ich mich rausreden. Auch nach 13 Jahren Auswanderung kann ich nicht mit | |
| Inbrunst die Pavlova-Baisertorte als mein Nationalgericht verteidigen. Ewig | |
| hätte ich dagegen über deutsches Brot dozieren können. Wie ein falscher | |
| Fuffziger kam ich mir vor. In Schekel. | |
| Das nächste Mal in Israel lieber gleich die volle Offenbarung. Es werden | |
| sicher keine Nachfragen nach Grimms Märchen, Weißwurst oder Schuhplattler | |
| kommen. Und Berlin lieben ja alle. | |
| 12 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Richter | |
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