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# taz.de -- Die Wahrheit: Schinkenschlacht am Boxing Day
> Neues aus Neuseeland: Die Feiertage sind down under alles andere als
> besinnlich. Und zu Silvester gibt es dann nicht mal Böller und Raketen.
Dass wir Down Under gewöhnungsbedürftige Jahresendzeit-Traditionen haben,
da wir keine weiße Weihnacht feiern, sondern Strandpartys schmeißen, das
hat sich herumgesprochen. Verschwiegen habe ich in meiner kleinen
Kulturkunde jedoch, wie es nach dem Christfest in südlichen Breitengraden
weitergeht. Denn der Tag nach der Bescherung am 25. Dezember ist der
ominöse „Boxing Day“.
Unheiliger kann es kaum zugehen als an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag.
Am Boxing Day ist alles nicht nur brutal runtergesetzt, sondern es wird
obendrein auch noch umgetauscht, was zuvor unterm Tannenbaum lag. Diesen
Konsum-Overkill hätte sich Santa Clause in seinen schlimmsten Träumen nicht
ausgemalt. Bereits um sieben Uhr morgens standen die Bürger Aotearoas
diesmal vor den größten Einkaufszentren Schlange, um die besten Schnäppchen
zu kriegen.
Zur Warenschlacht am Boxing Day passt, dass sich Kiwi-Kinder nach all dem
erzwungenen Weihnachtsfrieden gern ausführlich verkloppen („Heute dürfen
wir das!“). Dabei hat „Boxing Day“ nichts mit Boxkampf zu tun, sondern mit
„boxes“. Wie die meisten Kiwis dachte auch ich bis vor Kurzem, dass es ein
englischer Begriff für den „Tag danach“ ist, wenn Geschenkpapier und neu
angeschaffter Krimskrams in Schachteln im Schrank verschwinden. Falsch
gedacht.
„Boxing Day“, so klärte uns neulich der Guardian auf, kommt von einer alten
viktorianischen Sitte: Die Upper-Class-Briten kratzten früher nach dem
Festmahl die Reste in Pappschachteln, die sie am nächsten Tag an die Armen
vor der Tür und an ihre Dienerschaft verteilten. Ja, ein ähnliches Gefäß,
wie man es vom asiatischen Schnellimbiss kennt. Nur gab’s statt Chop-Suey
bei den Adligen eher traditionell Truthahn, Yorkshire Pudding und fetten
Bratschinken.
Damit wären wir dann auch schon bei der letzten Lektion der antipodischen
Feiertagskunde. Die heißt „Schinken“ oder „Yule ham“. Ein
Sechs-Kilo-Schenkel vom Schwein wandert als Weihnachtsbraten in den Ofen.
Darauf kommt eine Glasur aus Whiskey oder Ahornsirup, für die es so viele
überlieferte Rezepte wie für den deutschen Christstollen gibt. Je nach
Familiengröße bleibt mindestens die Hälfte vom Fleischberg übrig, von dem
dann tagelang etwas abgesäbelt wird. Klassisches Strandpicknick-Essen am
Boxing Day: Scheiben vom kalten Schinken mit Mayo zwischen Weißbrot.
Daran kaue ich gerade, während ich mich darauf einstelle, dass auch
Silvester hier unten nicht das hält, was es mir in deutschen Jahren
versprach. In Neuseeland gibt es keine Raketen: Brandgefahr, da Hochsommer
– man ballert dafür am Guy Fawkes Day im November. Bleigießen und die
Sekunden runterzählen? Nix da. Auf vielen Partys gehen die Gäste sogar
schon vor Mitternacht. Sie sind noch immer gezeichnet vom weihnachtlichen
Party-Stress und der Shopping-Orgie danach. Während im Norden die Korken
knallen, ruhen wir uns aus. Stille Nacht, endlich.
29 Dec 2016
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
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