# taz.de -- Kolumne „Rollt bei mir“: Sieht aus wie Chucks, sind aber keine | |
> Heiraten möchte ich in weißen Turnschuhen. High Heels kann ich nicht | |
> tragen. Über Mode, Schönheitsideale und Behinderung. | |
Bild: Auf medizinisch heißen sie Orthesenschuhe | |
„Silvester verbrachte ich auf einer Party. Trotz Böllerangst und | |
Jahresendzeitmüdigkeit. Ein Typ meinte da zu mir: „Boah, deine Schuhe, voll | |
die coolen Chucks.“ Es war schon jetzt das Kompliment des Jahres. Denn | |
meine Schuhe sind keine Chucks, schon gar nicht von Converse. Auf | |
medizinisch heißen sie Orthesenschuhe. | |
Ich kann keine anderen Schuhe als diese tragen. Sie sind dreimal so teuer | |
wie Chucks. Und nicht annähernd so hübsch. Aber immerhin ähnlich und in der | |
Dunkelheit gleich. Das hatte ich nun bestätigt bekommen. | |
Schuhe auszusuchen war mein Leben lang eine Qual. Als ich noch Kind war, | |
war der Katalog mit den orthopädischen Tretern dünner als jetzt. Was es | |
gab, waren klobige Schuhe mit drei breiten Klettverschlüssen dran. | |
Unterschieden haben sie sich nur in der Farbe; Rosa und Rot mit | |
Schmetterlingen für Mädchen, Blau mit silbernen Reflektoren für Jungs und | |
Braun für die RebellInnen. Ich brauchte Abwechslung, also bestellte ich | |
jedes Jahr ein anderes Paare. | |
Dann kamen irgendwann die heutigen Modelle, die aussehen wie richtige | |
Turnschuhe. Seitdem bin ich sportlich unterwegs. Jedenfalls um die Füße | |
herum. Heiraten möchte ich einmal in weißen Turnschuhen. High Heels kann | |
ich nicht tragen. | |
## Sexappeal | |
Glaubt man den Frauenzeitschriften dieser Welt, fehlen mir dadurch zehn | |
Zentimeter Körpergröße und zehn Portionen Selbstbewusstsein. Und natürlich | |
Sexappeal. Aber wer glaubt schon Frauenzeitschriften, die den Namen nicht | |
verdienen? Ihre Hauptaufgabe scheint ohnehin zu sein, Komplexe zu befeuern. | |
Da mir Frauenzeitschriften also egal sind (außer es sind Pröbchen drin), | |
gebe ich auch nicht so viel auf aktuelle Modetrends. Meine Beine sind | |
ziemlich kurz, der Oberkörper ist nicht schmal genug – da kann man nicht so | |
viel mit machen. Auch Handtaschen haben es mir nicht so angetan. | |
Nach dem ich dem ganzen Zeug nicht verfallen bin, spare ich Geld. | |
Vielleicht sollte ich es verstärkt in Wollsocken investieren. Meine Füße | |
sind nämlich immer kalt, weil ich viel im Rollstuhl sitze und die Füße | |
darin nicht bewege. Die Rollstuhlindustrie hat sich für besagte Füße etwas | |
anderes überlegt: Schlupfsäcke. Sie haben grundsätzlich Oma-Charme und man | |
sieht darin aus, als wäre man sofort zum Sackhüpfen bereit. | |
An Regentagen werden dann nicht nur die Füße, sondern gleich die ganze | |
Person in ein Ganzkörperregencape eingepackt. Denn: RollstuhlfahrerInnen | |
können keinen Schirm halten, während sie unterwegs sind. Das | |
Ganzkörperregencape hat ebenfalls Oma-Charme. Es hätte ruhig in der Debatte | |
um die Vollverschleierung eingebunden werden können. Die günstige Variante | |
auf Berlins Straßen gesichtet: blaue Müllsäcke. | |
## Modisch ist anders | |
Man ist halt pragmatisch bei behinderten Menschen. Ästhetik, Weiblichkeit, | |
Schönheit – das dürfen sie nicht erwarten. Man muss Abstriche machen. | |
Blättert man die einschlägigen Kataloge durch, bekommt man den Eindruck: | |
Modisch ist was anderes, Hauptsache die Sachen sind funktional und passen. | |
Ich würde sagen: Hauptsache, man fühlt sich wohl – passt besser. | |
6 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Judyta Smykowski | |
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