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# taz.de -- Psychologisches Gutachten über Zschäpe: Die letzte Schlacht
> Im NSU-Prozess soll der Gerichtspsychiater sein Gutachten über die
> Angeklagte Beate Zschäpe vorstellen. Deren Verteidiger wollen das
> verhindern.
Bild: Durfte am Dienstag noch nicht aussagen: Henning Saß
München taz | Henning Saß hat noch kein Wort gesprochen, als Wolfgang Heer
zum Mikrofon greift. „Der Sachverständige ist wegen fachlicher
Ungeeignetheit zu entbinden“, sagt der Verteidiger von Beate Zschäpe.
Dessen vorläufiges Gutachten beinhalte „schwere methodische Fehler“. Klar
sei: Saß könne unmöglich angehört werden.
Genau das aber hatte Richter Manfred Götzl vor. Die Anhörung des
Psychiaters sollte einer der Schlusspunkte im seit dreieinhalb Jahren
währenden NSU-Prozess in München werden, auf dessen Ende Götzl drängt. Über
Dutzende Prozesstage saß Saß, bundesweit einer der renommiertesten
Psychiater, im Saal. Vor sich seine Notizblätter, den Blick nur auf Zschäpe
gerichtet. Direkt sprechen will die 41-Jährige bis heute nicht mit ihm.
Also studierte Saß die Prozessakten. Beobachtete, wie Zschäpe auf Zeugen
reagierte, auf Opferangehörige und einstige Weggefährten. Bewertete ihre
Erklärungen, die sie ihre Anwälte im Prozess verlesen ließ. Und legte Ende
Oktober ein vorläufiges Gutachten vor, 173 Seiten stark, mit harschem
Urteil: Zschäpe sei voll schuldfähig. Und potenziell weiter gefährlich.
Gegen Saß’ finalen Auftritt nun wehren sich Zschäpes Anwälte erbittert.
Eine „reine Ferndiagnose“ habe der Psychiater abgeliefert, kritisiert Heer.
Da Saß Zschäpe nicht befragte, liefere er „lediglich ein Gemenge an
psychischen Befindlichkeiten“. Auch neige er zu „subjektiven Wertungen“. …
schreibe er etwa über einen „ablehnenden Zug um den Mund“ Zschäpes oder w…
diese sich hinter ihren Haaren verberge, mit der „Funktion eines
abschirmenden Vorhanges“. Eine reine Interpretation, so Heer. Aber kein
wissenschaftlicher Befund.
## Zschäpe steuert wohl auf eine lange Haftstrafe zu
Heers letzter Punkt: die Sicherungsverwahrung, die nach einer Haftstrafe
für besonders gefährliche Täter verhängt wird. Auch diese hatte Saß in
seinem Gutachten für Zschäpe nicht ausgeschlossen. „Nicht nachvollziehbar“
sei das, so der Verteidiger, sage Saß doch selbst, Zschäpe sei aus
psychiatrischer Sicht unauffällig.
Über eine Stunde dauert Heers Vortrag. Saß verfolgt ihn ungerührt, macht
sich auch dazu Notizen. Am Ende fordern die Verteidiger von den Richtern
nicht nur seine Ablösung, sondern auch einen Gegengutachter: Pedro
Faustmann, Professor an der Ruhruniversität Bochum. Dieser hatte den
Anwälten bereits die Fachexpertise für ihre Attacke auf Saß zugearbeitet.
Bundesanwalt Herbert Diemer lehnt den Vorstoß ab. Saß sei eine „allseits
anerkannte Kapazität, an deren Integrität kein Zweifel bestehen kann“. Auch
Opferanwälte werfen den Verteidigern einen „Verlust der Rechtsrealität“
vor. Götzl vertagt die Entscheidung: Er beendet am Nachmittag den
Prozesstag, am Mittwoch soll es weitergehen.
Für die Zschäpe-Anwälte war der Dienstag der Beginn ihres wohl letzten
Abwehrkampfs im NSU-Prozess. Trügen die Eindrücke nicht, steuert Zschäpe
auf eine lange Haftstrafe zu. Die Bundesanwaltschaft betont, sie sehe ihre
Anklage bisher bestätigt. Zschäpe selbst hatte über ihre Anwälte behauptet,
für die NSU-Taten seien allein ihre Kumpanen Mundlos und Böhnhardt
verantwortlich. Sie habe diese stets verurteilt, habe sich von ihnen aber
nicht lösen können. Saß hält das für unwahrscheinlich: Alle Zeugenaussagen
sprächen dagegen, dass sich Zschäpe „über eine sehr lange Periode entgegen
ihrer eigenen Auffassung in einer so dramatischen Frage wie dem Begehen
einer Serie von Tötungshandlungen dem Willen der beiden Lebenspartner
gebeugt hätte“.
21 Dec 2016
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Beate Zschäpe
NSU-Prozess
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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Beate Zschäpe
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Beate Zschäpe
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