# taz.de -- Zirkusrevue im Berliner Tempodrom: Wieder Menschen, Tiere, Sensatio… | |
> Gut gelaunte Gelassenheit und entspannte, routinierte Improvisation in | |
> der Manege: zu Besuch bei den Proben des Roncalli Weihnachtscircus. | |
Bild: Noch bis zum 2. Januar zeigen ZirkuskünstlerInnen im Tempodrom die ganze… | |
Es ist dunkel in der Zirkusmanege. In der Luft eine dezente Note von | |
Pferdedung. Rundherum geschäftiges Treiben und eine spürbar freudige | |
Anspannung. Plötzlich gehen die Lichter an. Das Orchester fängt an zu | |
spielen. Gabi Donnert betritt gemeinsam mit vier Araber-Pferden die Manege. | |
Geradezu tänzelnd bewegen sich die Tiere durch den Bühnenraum. Selbst, wenn | |
sie sich auf die Hinterbeine stellen und dabei Pirouetten drehen, scheinen | |
die Pferde noch im perfekten Einklang mit der Musik und ihrem ungarischen | |
Dresseur zu sein. | |
Souverän und würdevoll absolvieren sie die Show. Und wenn nicht | |
Kapellmeister Georg Pommer dem Orchester zwischendurch Anweisungen zurufen | |
würde, würde man nicht glauben, dass es sich hierbei um die allererste | |
Probe des Roncalli Weihnachtscircus in Berlin handelt. | |
In diesem Jahr darf der Zirkus Jubiläum feiern. Roncalli gibt es nun schon | |
seit 40 Jahren. Der spezielle Weihnachtscircus, traditionell mit | |
gesondertem Revueprogramm, besteht seit 13 Jahren. Unter dem Motto | |
„Roncallis winterliche Traumreise“ wird es im Tempodrom dieses Jahr wieder | |
internationale Größen aus der Pferdedressur, aber auch Kontorsion-, | |
Handstand- und Hochseilakrobatik sowie Jonglage und natürlich den berühmten | |
Clown Housch ma Housch in der Schau zu sehen und erleben geben. | |
Was während der Proben im Tempodrom zu beobachten ist, fasziniert bereits. | |
Erst einige Tage vor der Premiere finden sich die an der Show beteiligten | |
internationalen Akteure in Berlin zusammen und haben so nur wenig Zeit, um | |
die gemeinsame komplette Weihnachts-Revue auf die Beine zu stellen. Trotz | |
des enormen Organisations- und Koordinationsaufwands herrscht drei Tage vor | |
der Premiere dennoch gut gelaunte Gelassenheit in der Manege. Was an der | |
Routine des Roncalli-Personals liegen dürfte, und auch an der großen | |
Professionalität der teilweise nur für diese eine Show in Berlin | |
verpflichteten KünstlerInnen, die zu den besten ihres Fachs gehören. | |
## Mit dem Publikum spielen | |
So stammen Gabi Donnert und sein Sohn Sandor aus einer ungarischen | |
Zirkus-Dynastie, die sich bereits vor mehreren Generationen auf | |
Pferdedressuren spezialisiert hat. Sie versichern, hohen Wert bei ihrer | |
Arbeit darauf zu legen, mit ihren Pferden und Ponys „einfühlsam und mit | |
viel Geduld und Liebe“ zu trainieren. Und sie offensichtlich auch liebevoll | |
und akkurat zu frisieren. Pony Harvey etwa kommt im Punk-Look daher, der | |
einem zusammen mit der eigensinnigen Gangart des Ponys vor Lachen die | |
Tränen in die Augen treibt. | |
Für eine hochkarätige Besetzung sorgt auch Hochseilartist Freddy Nock mit | |
seinen zahlreichen Einträgen im Guinness Buch der Rekorde – unter anderem | |
bezwang er auf dem Hochseil die Zugspitze und überquerte den Zürichsee. | |
Auch wenn – oder gerade weil – sich seine öffentlichen Auftritte derzeit | |
auf vereinzelte Veranstaltungen und Fernsehauftritte beschränken, haben die | |
Vorstellungen im Weihnachtszirkus für ihn einen ganz besonderen Reiz: „Es | |
ist eben etwas anderes, wenn du ein Publikum hast, weil du mit ihm spielen | |
kannst. Erst dann wird es spannend und fängt an, so richtig Spaß zu | |
machen.“ | |
Mit dem Publikum spielen – das erfordert Einfühlungsvermögen und | |
Improvisationstalent. Bei den Proben stellt letzteres vor allem das | |
Orchester unter Beweis. Die Akteure schickten vorab die Musik, die sie für | |
ihre Shows benötigten, Kapellmeister Pommer brachte sie zu Papier. Während | |
der Proben sind Zurufe seinerseits wie „Haut nicht immer alles so voll mit | |
Vierteln!“ oder „Spielt doch eben die Klavierstimme mal mit“ an der | |
Tagesordnung, wobei das Orchester immer direkt reagiert, ohne dabei das | |
Geschehen in der Manege aus dem Blick zu verlieren. | |
Die Interaktion zwischen Orchester und Manege offenbart sich am | |
eindrücklichsten bei den Tieren: Drosselt das Orchester das Tempo, fangen | |
die Pferde an, ebenfalls langsamer durch die Manege zu traben – und das, | |
obwohl sie erstmals mit der Musik konfrontiert werden. Selbstverständlich | |
läuft bei den Proben nicht alles so glatt ab: „Die Beteiligten finden sich | |
und finden sich manchmal eben auch nicht“, berichtet Betriebsleiter und | |
Tagesregisseur Patrick Philadelphia, „außerdem haben einige KünstlerInnen | |
gerade immer noch mit ihren Visa zu kämpfen und werden voraussichtlich erst | |
kurz vor der Premiere in Berlin ankommen.“ Dennoch bleibt er entspannt: | |
„Eigentlich sieht man sowieso erst, wie es läuft, wenn das Publikum da | |
ist.“ | |
28 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Annika Glunz | |
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