| # taz.de -- Die Wahrheit: Perfect CV | |
| > Wenn die Kleinen ihre Kita einzig zur Vorbereitung auf die | |
| > Unternehmenswelt nutzen wollen, kann das schon mal einen Frühburnout | |
| > einleiten. | |
| Bild: Frau sucht Bauernleben: Charlotte Roche | |
| Sein erstes Wort war nicht Mama. Nicht Papa. Nicht Auto. Sein erstes Wort | |
| war „Preis-Leistungs-Verhältnis“. War ja schön gewesen im Uterus, Mutter | |
| Nichtraucherin, immer gewesen, kein Alkohol während der Schwangerschaft, | |
| klassische Musik, das ganze Programm. Eins-a-Fruchtwasser, fünf von fünf | |
| Sternen dafür. Immer wieder gerne. Aber wenn man weiterkommen will, muss | |
| man die Komfortzone halt auch mal verlassen. | |
| Also: problemlose Geburt hingelegt, mit dem Kopf voran, als hätte er nie | |
| was anderes gemacht. Dann direkt mit lebenslangem Lernen angefangen. Erster | |
| Job: Trainee als Säugling bei Familie Sperling, erste Erfahrungen in den | |
| Bereichen Stoffwechsel und Personalführung. 1990 bis 1993 dann | |
| Kindergartenkind in der Erdbeergruppe, evangelischer Kindergarten | |
| Hannover-Bothfeld. Zunächst: angenehme Arbeitsatmosphäre, flache | |
| Hierarchien. Ein junger Allrounder war er seinerzeit. Erwerb grafischer | |
| Grundkenntnisse, Erstellen von Dinosaurierbildern, später auch Autos und | |
| Kriegsschiffe. Erstellung dreidimensionaler Modelle in Lego Duplo und Lego. | |
| Opinionleader im Sandkasten, damals viel mit zielführenden Tools wie | |
| Schäufelchen gearbeitet. | |
| Dann: immer wieder Ärger mit den Erzieherinnen, weil er nicht eingesehen | |
| hat, die Low-Performer mit durchzuziehen. In der Zeit, bis die sich einen | |
| Schuh zugebunden hatten, hätte er schon im Zoo sein können. Das | |
| Sozialverhalten der Paviane schien ihm interessant. Als er sah, wie der | |
| starke Pavian dem schwachen Pavian das Essen zwischen den Zähnen heraus | |
| klaute, gefiel ihm das. Er hätte wieder Mecker dafür bekommen. Sein | |
| Consulting, mit dem Ziel, die Kita in einen Ort effektiver Vorbereitung auf | |
| die Unternehmenswelt zu machen, scheiterte an verkrusteten Strukturen und | |
| dem Unwillen der linksliberalen, durchweg weiblichen Führungsriege. | |
| Er selbst hatte das Schuhezubinden an Anna-Lena ausgesourct, man muss auch | |
| delegieren können. Außerdem: Sie wollte keine Gegenleistung. Dafür kann man | |
| es nicht selber machen. Die Erzieherinnen nervten immer mehr. Was an dem | |
| Satz „Ich mag keinen Fencheltee“ hatten die eigentlich nicht verstanden? | |
| Langsam hatte er es satt, hier nur mit Amateuren zusammenzuarbeiten, es | |
| wurde Zeit für die Einschulung. Leistung muss sich schließlich lohnen. | |
| Erste Klasse war enttäuschend, es gab keine Zensuren. Aber wenigstens ab | |
| jetzt jedes Jahr eine Beförderung, wenn man sich nicht ganz blöd anstellte. | |
| Als dann endlich Zensuren, also ein vernünftiges Controlling der | |
| Schulleistung eingeführt wurden, stellte er fest, dass er nicht überall zur | |
| Spitzengruppe gehörte. Seine Kleines-Einmaleins-Skills mussten optimiert | |
| werden. So würde das nichts mit der Uni in den USA, er brauchte Nachhilfe. | |
| Ein „Sehr gut“ in Rechen ist schließlich mehr als ein Nice-to-have. Zweimal | |
| die Woche Nachhilfe, dazu Excel und Überstunden im Offenen Ganztag. Erster | |
| Burnout mit acht. Obwohl er der Beste in der Kinder-Yoga-Gruppe war. Alles | |
| richtig gemacht! | |
| 13 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Gottschalk | |
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