# taz.de -- Kommentar Doppelanschlag in Istanbul: Die Schwäche des starken Man… | |
> 38 Tote und 150 Verletzte sind für die Türkei ein Schock. Für Erdoğan | |
> sind die Anschläge hingegen Teil seines politischen Kalküls. | |
Bild: Erdoğan bleibt, solange Krieg, Angst und Trauer bleiben | |
Die Spirale der Gewalt hat Samstagnacht in Istanbul erneut eine schlimme | |
Umdrehung gemacht. [1][38 Tote und 150 Verletzte mitten in Istanbul] sind | |
auch für die mittlerweile an Gewalt und Terror gewöhnte Türkei ein Schock. | |
Der Doppelanschlag von Istanbul ist der erste große Terrorakt nach dem | |
Putschversuch vom 15. Juli. Trotz Ausnahmezustand, trotz Tausender von | |
Verhaftungen in den letzten Monaten, schafft die türkische Regierung, | |
schafft es Präsident Recep Tayyip Erdoğan nicht, Terroranschläge zu | |
verhindern. | |
Dennoch inszeniert er sich unentwegt als starker Mann, der allein dazu in | |
der Lage sei, den Terror zu besiegen. Auch dieses Mal tönte er im gewohnt | |
aggressiven Sound von Vergeltung und „die werden dafür einen hohen Preis | |
bezahlen“. | |
Am Sonntag haben sich die kurdischen Freiheitsfalken TAK, eine | |
Unterorganisation der PKK, zu dem Doppelanschlag bekannt. Als Grund nannte | |
sie die Gewalt des Staates in den kurdischen Gebieten. Tatsächlich hat | |
Erdoğan die Repressionen dort erheblich verschärft. Verhaftungen wegen des | |
Vorwurfs der Unterstützung der PKK sind an der Tagesordnung, und | |
reihenweise werden gewählte kurdische Bürgermeister abgesetzt. | |
Neben der PKK verüben aber auch andere Organisationen, vor allem die | |
Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), immer wieder grausame Anschläge in | |
der Türkei. Erst am Samstag hatte das türkische Militär den erfolgreichen | |
Angriff auf die syrische IS-Hochburg al-Bab, 30 Kilometer nördlich von | |
Aleppo, gemeldet. Der IS drohte schon vor Tagen, den Vormarsch mit | |
Anschlägen zu beantworten. | |
Beide Kriege, sowohl gegen den IS als auch gegen die Kurden, haben ihren | |
Preis. Erdoğan weiß das und hat Anschläge wie die jetzt in Istanbul längst | |
in sein politisches Kalkül einbezogen. | |
Ebenfalls am Samstag hat seine AK-Partei im Parlament den Entwurf für eine | |
Verfassungsänderung eingebracht, durch die Erdoğan zum uneingeschränkt | |
herrschenden Präsidenten werden würde, dem starken Mann schlechthin. Diese | |
Verfassungsänderung wird ihre finale Weihe durch eine Volksabstimmung im | |
Frühjahr erhalten. Solange das Land Krieg führt, solange die Menschen nach | |
Vergeltung rufen, kann sich Erdoğan sicher sein, dass die Mehrheit für ihn | |
stimmen wird. Frieden wird in der Türkei deshalb immer unwahrscheinlicher. | |
11 Dec 2016 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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