# taz.de -- Dienstleistungsabkommen TiSa: Abschied vom Datenschutz | |
> Kaum einer kennt das Dienstleistungsabkommen TiSA. Dabei könnte der | |
> Vertrag zwischen 51 Staaten den Schutz von Daten beeinträchtigen. | |
Bild: Lästige Regeln: TiSa soll freie Bahn für Daten schaffen | |
BERLIN taz | Dass der Abgesang auf den Datenschutz ausgerechnet im Berliner | |
Spionagemuseum stattfindet, ist kein Zufall. Die mühsam erkämpften | |
Grundrechte für sichere Daten in Europa sind in Gefahr. Einerseits. | |
Andererseits haben Greenpeace und die Aktivisten von netzpolitik.org | |
[1][Dokumente veröffentlicht], die die Bevölkerung lieber nicht kennen | |
soll. Ein klassischer Fall von Spionage also. | |
Kurz vor den letzten Verhandlungsrunden für das Dienstleistungsabkommen | |
TiSA stellen die Organisationen Papiere der Unterhändler ins Netz. Um den | |
Handel zu stärken, wird der Datenschutz, die Privatssphäre der Bürger | |
geopfert, befürchten die Aktivisten. Daten wären vogelfrei. | |
Ein Beispiel: Über den Messengerdienst Whatsapp will Facebook mehr über die | |
Nutzer herausfinden. Mobilfunknummern, aber auch Standortinformationen | |
sollen ausgetauscht werden. Dadurch verspricht sich Mark Zuckerbergs | |
Konzern passgenaue Werbung und Angebote für die Verbraucher. Das wiederum | |
ist für Firmen interessant, die über Facebook ihre Produkte bekannt machen | |
wollen. | |
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar geht derzeit gegen | |
diese Praxis vor und hat einen Stopp des Datenaustausches erreicht. Mit | |
TiSA wäre ein solcher Erfolg wohl nicht mehr möglich. Denn: Das Abkommen | |
sieht zwar vor, dass die unabhängigen Datenschutzbehörden in Europa eigene | |
Schutzregelungen aufstellen dürfen. Aber die Vorgaben dürfen nicht zum | |
„Handelshemmnis“ werden. | |
## Opfer auf dem Altar des Welthandels | |
„Datenschutz ist ein Grund- und Menschenrecht“, sagt Alexander Dix, | |
stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Akademie für | |
Informationsfreiheit und Datenschutz. „Dieser europäische | |
Grundrechtsstandard wird auf dem Altar des freien Welthandels geopfert.“ Er | |
glaubt, dass die Befugnisse der Datenschutzbehörden ausgehebelt werden. | |
Stattdessen entscheidet ein internationales Gremium, ein Schiedsgericht, | |
über die Fälle. | |
Auch die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff (CDU), ist | |
alarmiert. „Das Grundrecht auf Datenschutz darf nicht verhandelbar sein“, | |
teilt Deutschlands oberste Datenschützerin mit. „Politik und Wirtschaft | |
sollten den Datenschutz zum Qualitätsmerkmal entwickeln und nicht als | |
Handelshemmnis abstempeln.“ | |
Die Dokumente beinhalten weitere brisante Details. Für Markus Beckedahl, | |
Gründer von netzpolitik.org, könnten sich mit TiSA bei etlichen | |
Softwareanwendungen Sicherheitslücken auftun. Besonders angreifbar ist die | |
kritische Infrastruktur, das sind etwa Kliniken, Atomkraftwerke, | |
Wasserversorger. Künftig sollen die Staaten nicht mehr das Recht haben, den | |
Quellcode einer Software, das heißt die DNA einer Anwendung, zu erhalten. | |
„Das ist ein großes Sicherheitsrisiko“, sagt Beckedahl. „Die Staaten kau… | |
die Katze im Sack.“ Denn: Es gibt keine Möglichkeit nachzuvollziehen, wie | |
die Software-Infrastruktur funktioniert – und damit auch keine Garantie | |
dafür, dass die Anwendung sicher ist. Die Gefahr der Fremdkontrolle ist | |
groß. | |
## Die Ergebnisse sind geheim | |
Während das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) und TTIP, das | |
Gegenstück dazu mit den USA, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert | |
werden, ist über TiSA wenig bekannt. 51 Staaten verhandeln derzeit über das | |
Abkommen. Die EU-Länder sind dabei, die USA, aber auch Australien, Chile, | |
Taiwan, Hongkong, Japan, Pakistan, die Schweiz oder die Türkei sitzen mit | |
am Tisch. Schätzungsweise 70 Prozent des weltweiten Handels mit | |
Dienstleistungen wickeln diese Länder ab. Ziel ist es Regelungen zur | |
Lizenzierung, für Finanzdienstleistungen, für den elektronischen Handel | |
oder Kommunikationsdienste zu verbessern und zu vereinfachen. Die | |
Ergebnisse der Verhandlungen sind geheim – wie bei CETA und TTIP. | |
Die Schweigeklausel gilt nicht nur solange beraten wird, sondern auch bis | |
fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens – oder bis fünf Jahre nach | |
einem Scheitern der Gespräche. Dieser Passus macht Datenschützer Dix | |
schlichtweg fassungslos. Der Bundestag könne ein solches Abkommen nicht | |
ratifizieren, wenn es geheimgehalten werden soll. Kommt Tisa in der bisher | |
ausgehandelten Form, könnte das Abkommen sogar gegen das Grundgesetz | |
verstoßen. Auch das hält Dix für möglich. Damit wäre der Vertrag nicht | |
zustimmungsfähig. | |
Konstantin von Notz, Netzexperte der Grünen, hält die derzeitigen | |
Vereinbarungen für „gestrig und grundfalsch“. „Hohe Standards für alle … | |
das würde Handelsabkommen nicht hemmen, sondern vielmehr legitimieren“, | |
erklärt der Grünen-Politiker. Gerade im Internet, wo Nutzer viele Dienste | |
mit ihren persönlichen Daten statt mit Geld bezahlen, müssten Grenzen der | |
Datenweitergabe möglich sein. | |
Greenpeace hat bereits vor einigen Wochen TiSA-Dokumente veröffentlicht. | |
Dieses Mal kamen die Unterlagen aus den Niederlanden. „Wir sind nicht | |
generell gegen Handelsabkommen“, sagt Jürgen Knirsch von Greenpeace. „Aber | |
wir sind gegen Abkommen, die nicht transparent verhandelt werden, gegen die | |
Absenkung von Standards und dass die Parlamente nicht einbezogen werden.“ | |
Im Wahlkampf hat der designierte US-Präsident Donald Trump mehrfach | |
angekündigt, sämtliche Handelsabkommen zu stoppen. TiSA dürfte trotzdem | |
nicht Geschichte sein. „Vor allem US-Unternehmen haben einen großen Vorteil | |
durch TiSA“, sagt Beckedahl. Eigentlich sollte die letzte Verhandlungsrunde | |
bereits in wenigen Tagen stattfinden. Der Termin wurde zwar abgesagt, aber | |
ein Treffen der Unterhändler ist längst für den Dezember vereinbart. TiSA | |
ist also noch lange nicht vom Tisch. | |
25 Nov 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://ttip-leaks.org/ | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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