| # taz.de -- Das Jugendwort des Jahres: „Fly sein“ kennt schon wieder keiner | |
| > In einer Onlineabstimmung zum „Jugendwort des Jahres“ lagen „isso“ und | |
| > „Vollpfostenantenne“ vorne. Bei der Kür des Gewinners spielt das jedoch | |
| > keine Rolle. | |
| Bild: „Fly sein“ bedeuten soviel wie jemand oder etwas „geht besonders ab… | |
| München dpa | Alle Jahre wieder wird das „Jugendwort des Jahres“ verkünde… | |
| Und alle Jahre wieder bricht die Diskussion los, ob es tatsächlich junge | |
| Leute gibt, die wirklich so reden. Am Freitag war es wieder soweit: Das | |
| „Jugendwort“ 2016 ist ein Zweiteiler und lautet „Fly sein“, wie der | |
| Langenscheidt-Verlag in München mitteilt, für den die Wahl vor allem eine | |
| erfolgreiche Werbe-Aktion ist. „Fly sein“ kommt aus der Hip-Hop-Sprache und | |
| soll soviel bedeuten wie jemand oder etwas „geht besonders ab“. | |
| Leere Gesichter bei den Menschen, die in einem Hotel am Hauptbahnhof auf | |
| die Verkündung gewartet haben und den Begriff nun wohl zum ersten Mal in | |
| ihrem Leben hören. Damit sind sie nicht allein: „Ich hab zuerst gedacht: | |
| Das sagt mir gar nichts“, sagt Lutz Kuntzsch von der Gesellschaft für | |
| deutsche Sprache in Mannheim. „Ich hätte mir gewünscht, weil das ein | |
| Markenzeichen der Jugend ist, dass irgendetwas Ironisches, Flapsiges oder | |
| mit Computertechnik kommt. Aber das war nicht so und jetzt ist es halt ein | |
| Lebensgefühl – warum nicht.“ | |
| Nun gehört Kuntzsch, Vater eines Sohnes Mitte 20, auch nicht mehr zur | |
| Zielgruppe, wie er selbst einräumt – ebenso wenig wie | |
| „Jugendwort“-Jurymitglied Isabelle Deckert von der ProSieben-Sendung | |
| „Taff“, die für „Fly sein“ gestimmt hat, obwohl ihr der Begriff erstmal | |
| nichts sagte. | |
| Der 19 Jahre alte Maximilian Knab aus Amberg, der als ehemaliger | |
| Chefredakteur einer preisgekrönten Schülerzeitung in der Jury sitzt, muss | |
| zugegeben: Gehört hat er den Begriff schon mal, benutzt noch nie. Seinem | |
| Kumpel Julian Prechtl (18) geht es genauso. | |
| ## „Isso“ war zu unkreativ | |
| „Wir haben das Wort gar nicht entdeckt“, sagt der Sprachwissenschaftler | |
| Nils Uwe Bahlo von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er hat | |
| nichts mit der Wahl zum „Jugendwort des Jahres“ zu tun, befasst sich aber | |
| seit Jahren mit dem Phänomen Jugendsprache und dokumentiert jährlich anhand | |
| von authentischen Gesprächen, wie Jugendliche sprechen. Der Begriff „Fly | |
| sein“ passe aber durchaus zur Jugendkultur: „Emotionsbekundende Floskeln | |
| passen auf jeden Fall.“ Die Wahl zum „Jugendwort“ biete zwar immer wieder | |
| die Möglichkeit, über Sprache zu reden, sie sei aber „ziemlich | |
| unwissenschaftlich“: „Wenn überhaupt, wird nur Sprachwissen abgefragt und | |
| nicht Sprachgebrauch.“ | |
| Die Alternativen zu „Fly sein“ erschienen der Jury weniger brauchbar. Der | |
| Begriff „isso“ (Zustimmung oder Unterstreichung von etwas), mit 20 Prozent | |
| in einer Online-Abstimmung vor der Wahl vorne und auch in Bahlos | |
| Untersuchungen oft aufgetaucht, war zu unkreativ (Deckert: „Den benutzt | |
| auch mein Papa“), „Hopfensmoothie“ (Bier) könnte Alkohol verherrlichen u… | |
| „Tindergarten“ (für eine Sammlung von Online-Kontakten) die Promiskuität. | |
| „Vollpfostenantenne“ als Bezeichnung für einen Selfiestick fiel bei der | |
| Jury durch, „weil heute keiner mehr Vollpfosten sagt“, meint Knab. | |
| „Fly sein“ stellt sich in eine Reihe von Begriffen, die in schöner | |
| Regelmäßigkeit Zweifel daran säen, ob diese „Jugendwort“-Wahl wirklich | |
| irgendeinen Realitätsbezug aufweisen kann. „Smombie“, die Bezeichnung für | |
| einen Smartphone-Zombie, der von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, im | |
| vergangenen Jahr kannten noch nicht einmal die Youtube-Stars „Die Lochis“. | |
| Eine Ausnahme: „Läuft bei Dir“, das „Jugendwort“ 2014, war nach allgem… | |
| Einschätzung tatsächlich Teil der herrschenden Jugendkultur. | |
| ## „Fly sein“ mit Zukunft | |
| Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass der „Jugendwort“-Titel die | |
| Karriere des Gewinners erst so richtig beflügelt – so geschehen | |
| beispielsweise beim Gewinner-Wort von 2013, „Babo“, das an den türkischen | |
| Begriff für Vater erinnert und hierzulande vor allem von Rapper Haftbefehl | |
| aus Offenbach verbreitet wurde, bevor es durch die Kür bundesweit bekannt | |
| wurde. | |
| Nach der Wahl von „Babo“ im Jahr wurde änderte die Bild-Zeitung ihr | |
| Impressum, nannte den damaligen Chef Kai Diekmann nicht mehr | |
| „Chefredakteur“, sondern „Babo“ – und katapultierte das Wort so wohl … | |
| direkt wieder raus aus der Jugendsprache in den Alltagsgebrauch älterer | |
| Semester. | |
| „Es ist ein Phänomen des Jahres 2016“, betont dagegen die | |
| Sprachwissenschaftlerin Susanne Schräder, ebenfalls Jury-Mitglied. „Fly | |
| sein“ sei gerade erst auf dem Sprung in den Sprachgebrauch von | |
| Jugendlichen. „Wir sehen eine Zukunft für das Wort.“ | |
| 18 Nov 2016 | |
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