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# taz.de -- „Riwan und der Sandweg“ von Ken Bugul: Schreiben als Therapie
> Die senegalesische Autorin Ken Bugul las anlässlich der deutschen
> Übersetzung ihres Erfolgsromans „Riwan und der Sandweg“ in Berlin.
Bild: Am Samstag las Ken Bugul, die mit bürgerlichen Namen Mariètou Mbaye Bil…
Berlin taz | Ken Bugul brodelt vor Energie, auch an ihrem 69. Geburtstag,
dem Tag der Lesung in Berlin. Hinter dem turbulenten Leben und den
schmerzhaften Erfahrungen, die sie in ihren Büchern beschreibt, steht eine
selbstbewusste Frau. Der Name der senegalesischen Autorin Ken Bugul
bedeutet auf Wolof „Die, die keiner will“. Unter diesem Pseudonym begann
sie in den 1980er Jahren, traumatische Erinnerungen aufzuarbeiten. „Das
Schreiben ist für mich eine Form der Therapie. Ich kann dadurch
reflektieren, verzeihen, abschließen und weitermachen“, sagt sie.
Das Buch „Riwan oder der Sandweg“ erschien im französischen Original 1999
und wurde 2000 mit dem Grand Prix Littéraire de l’Afrique Noir
ausgezeichnet. Gerade ist das Buch in deutscher Übersetzung, als Abschluss
einer autobiografischen Trilogie, von dem Verein AfricAvenir herausgebracht
worden. Es erzählt von ihrer Beziehung mit einem polygamen Serigne, einer
spirituellen Autorität im Senegal der 1980er Jahre.
Ken Bugul hat bei dem Zusammentreffen mit dem Serigne eine schwere Zeit
hinter sich, hatte Europa nach einer Prügelattacke ihres französischen
Mannes fluchtartig verlassen. Gezeichnet von dieser tiefen Verletzung, aber
auch von rassistischer Ausgrenzung in Belgien und Frankreich, kehrt sie
nach 15 Jahren in ihr Heimatdorf in den Senegal zurück.
Doch die Rückkehr bedeutet für die damals 30-Jährige kein Ankommen: Im Dorf
erwarteten sie eine gemachte Frau, eine, die es in Europa geschafft hat.
Ken Bugul aber ist gebrochen und wird von der Dorfgemeinschaft für verrückt
erklärt. Um den missbilligenden Augen zu entkommen, verlässt sie ihr Dorf,
führt ein Vagabundenleben und treibt sich zwei Jahre lang auf den Straßen
der Hauptstadt Dakar herum.
„Der Serigne war danach der Erste, der mich als Mensch wahrgenommen hat,
erzählt die Autorin im Gespräch. Der Serigne nimmt sich ihrer an, und Ken
Bugul wird seine 28. Tara. Taras sind Frauen, die der Serigne bei sich
aufnahm. Von der Gesellschaft verstoßene, Witwen oder psychisch kranke
Frauen.
Eindrucksvoll beschreibt Ken Bugul die hierarchische Ordnung und das Leben
der Frauen am Hofe des Serigne. Sie entführt den Leser in eine Welt, in der
auch die Autorin eine Außenseiterin ist, in ein Leben, das auch für sie
selbst bis dahin nie infrage kam. Sie erzählt von den Beziehungen unter den
Frauen, ihrem Verhältnis zum Serigne und reflektiert ihr eigenes Vordringen
und die privilegierte Stellung, die sie als studierte, weit gereiste Frau
im Haus des Serigne einnimmt.
Dabei wird die Polygamie zwar problematisiert, die Unterordnung der Frauen
unter einen Mann aber nicht wirklich infrage gestellt. Für Ken Bugul sind
diese Frauen keine Unterdrückten: „Ich habe von diesen Frauen gelernt, mich
um mich selbst zu kümmern. Ich war völlig europäisiert. Wollte und kannte
nur den europäischen Traum einer monogamen Beziehung, in der sich alles um
den Partner dreht – bis zum Tod.“ Die Frauen hätten ihr beigebracht, an
sich selbst zu denken.
Bis heute kommen monogame Beziehungen, in der man ein ganzes Leben mit
einer Person verbringt, für die 69-jährige Autorin nicht infrage. „Ich habe
zu viel zu tun, als dass ich mich die ganze Zeit um einen Menschen kümmern
könnte“, erklärt sie lachend. „Für mich zählen die Momente mit einem
Menschen. Ob der Mann den Rest seiner Zeit mit jemand anderem auch eine
schöne Zeit hat, interessiert mich nicht.“
„In Riwan oder der Sandweg“ werden Erinnerungen der Autorin, Fiktion und
die Realität der polygamen Beziehung vermischt. Es ist ein Zeugnis des
Lebens von polygam lebenden Frauen auf dem Land in den 1980er Jahren, das
heute im Senegal so nicht mehr zu finden ist. Gleichwohl stellt es Fragen
hinsichtlich der Emanzipation von Frauen – sowie zu Lebens- und Liebeswegen
in der heutigen Zeit.
28 Nov 2016
## AUTOREN
Katharina Lipowsky
## TAGS
Senegal
Afrika
Buch
Literatur
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