# taz.de -- Gewalt auf der Diskomeile: Bremen legalisiert Glasflaschen | |
> Auf der Diskomeile durften seit 2014 keine Glasflaschen mehr mitgeführt | |
> werden. Das Verbot hat das Oberverwaltungsgericht jetzt gekippt | |
Bild: Gehören der Vergangenheit an: Illegale Flaschenlager | |
BREMEN taz | Flanieren mit Bieren ist wieder erlaubt: Gestern hat das | |
Bremer Oberverwaltungsgericht unter Richter Hans Alexy das seit 2014 | |
geltende Flaschenverbot auf der Diskomeile aufgehoben. Genauer: Es hat die | |
Änderungsverordnung für unwirksam erklärt, durch die auch Glasflaschen und | |
Trinkgläser zu jenen „gefährlichen Gegenständen“ gezählt wurden, die ne… | |
Baseballschlägern, Messern und Schusswaffen in dem Bereich zwischen | |
Hauptbahnhof und Wallanlagen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verboten sind. | |
Diese Änderung zur geltenden Polizeiverordnung hatte die Stadtbürgerschaft | |
auf Betreiben des Stadtamts und des Innenressorts im Jahr 2014 erlassen und | |
damit auf gewalttätige Vorfälle im Umfeld der Diskomeile reagiert, bei | |
denen auch Flaschen als Waffen eingesetzt worden waren. | |
Wie sich jetzt im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht herausstellte, | |
ist die Statistik, die diese Vorfälle dokumentieren sollte, ziemlich | |
fragwürdig. So wurde etwa nicht differenziert, ob die Gewaltdelikte mit | |
Flaschen innerhalb der Diskotheken oder außerhalb, also im öffentlichen | |
Raum, begangen wurden. Und nur dort gilt die Polizeiverordnung. Bei der | |
Überprüfung der Statistik fiel stattdessen auf: Ein großer Teil der | |
Vorfälle unter Flaschenbeteiligung fand entweder in Diskotheken statt, | |
wurde doppelt gezählt oder fällt überhaupt nicht unter den Tatbestand, auf | |
den die Verordnung abzielt. So wurden in die Statistik auch | |
Körperverletzungen aufgenommen, die beim Streit um Leergut auf dem | |
Bahnhofsvorplatz entstanden. In diesen Fällen kamen in der | |
Auseinandersetzung zwar Flaschen zum Einsatz, allerdings gingen jene | |
Kontrahenten mit ihren jeweiligen Leergutplastiktüten aufeinander los und | |
nicht mit zur Waffe umfunktionierten Flaschen mit abgebrochenen Hälsen. | |
Nicht nur die Statistik gibt demnach ein generelles Flaschenverbot nicht | |
her, außerdem, so Richter Hans Alexy, sei eine Polizeiverordnung dafür auch | |
das falsche Rechtsinstrument. Damit eine Polizeiverordnung greife, so Alexy | |
weiter, müsse eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit | |
bestehen. Und die liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann vor, | |
wenn eine Verhaltensweise im Einzelfall mit hinreichender | |
Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefahr begründet. Das bloße Mitführen von | |
Glasflaschen begründe eine solche Gefahr aber nicht. Eine Polizeiverordnung | |
eigne sich einfach nicht zur Gefahrenvorsorge, so der Richter weiter in | |
seiner Urteilsbegründung. Besser geeignet sei ein Landesgesetz, wie es auch | |
in Hamburg das Mitführen von Glasflaschen regle: „Die haben 2009 auch | |
diskutiert, wie sie ein Flaschenverbot auf der Reeperbahn umsetzen können“, | |
erklärte der Richter den Vertretern von Stadtamt und Innenressort. „Und sie | |
haben das Mittel der Polizeiverordnung verworfen“ – denn Gefahrenvorsorge | |
sei Sache des Gesetzgebers und nicht Sache der Polizei. | |
Angestrengt hatte das Normenkontrollverfahren ein Bremer Student. Der | |
befand sich zur Zeit der Urteilsverkündung zwar gerade für ein | |
Austauschsemester in Kanada und wird die neue Freiheit unter der Hochstraße | |
erst nach seiner Rückkehr genießen können. Sein Anwalt Sören Böhrnsen | |
zeigte sich zufrieden: „Wir haben in vollem Umfang obsiegt.“ Daran könne | |
man sehen, „dass irgendwelche zusammengeschriebenen Statistiken“ keine | |
solch schweren Eingriffe in die Grundrechte begründeten, so der Anwalt. | |
Marcus Schirmbeck vom Innenressort indessen will dranbleiben am | |
Flaschenverbot: „Wir stehen zu dem Verbot und prüfen jetzt, wie wir das | |
künftig umsetzen können.“ | |
Ein wenig Hoffnung konnte Richter Hans Alexy den Vertretern von Stadtamt | |
und Innenressort jedoch machen: „Der Staat ist keinesfalls machtlos“, gab | |
er ihnen mit auf den Weg. Es komme eben auf die Wahl des richtigen | |
Rechtsinstruments an. Und welches das ist, kann Bremen sich ja dann von | |
Hamburg abschauen. | |
15 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
## TAGS | |
Bremen | |
Oberverwaltungsgericht | |
Polizei | |
Polizei Bremen | |
Polizei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mehr Polizei am Bremer Hauptbahnhof: Obdachlose im Visier | |
Die Polizei hat ihre Präsenz am Hauptbahnhof deutlich verstärkt. Doch nicht | |
nur Drogendealern geht es an den Kragen, sondern auch Obdachlosen aus der | |
Trinkerszene. | |
Body-Cams zur Deeskalation: Polizei nimmt’s auf die sichere Schulter | |
Versuchsweise sollen Polizisten in Hamburg und Bremen beim Einsatz in | |
Vergnügungsvierteln Schulterkameras tragen. Datenschützer und Opposition | |
haben Zweifel | |
LANDGERICHT ÜBERTRIFFT STAATSANWALTSCHAFT: Discomeile, die vorerst letzte | |
Vier Jahre nach der Schießerei im Bahnhofs-Amüsierviertel werden zwei | |
Brüder zu sieben und acht Jahren Haft verurteilt - obwohl viele Fragen | |
offen geblieben sind |