| # taz.de -- Staatsanwalt über Anti-Doping-Gesetz: „Ein konsequentes Schweige… | |
| > Sebastian Wußler darf nur bei konkretem Verdacht ermitteln. Seit Januar | |
| > liegen lediglich zehn Verfahren wegen Selbstdopings auf seinem Tisch. | |
| Bild: Ohne Test kein Verdacht, ohne Verdacht keine Ermittlungen | |
| taz: Herr Wußler, seit gut einem Jahr ist das neue Anti-Doping-Gesetz in | |
| Kraft, das unter anderem Selbstdoping unter Strafe stellt und damit auch | |
| Sportler in die Verantwortung ziehen soll. Wie zufrieden sind Sie bislang | |
| damit? | |
| Sebastian Wußler: Persönliche Zufriedenheit sollte nicht der Maßstab der | |
| Tätigkeit eines Staatsanwalts sein. Wir arbeiten mit Rechtsvorschriften, | |
| die uns der Gesetzgeber an die Hand gibt. Das Anti-Doping-Gesetz hat neue | |
| Rechtsbegriffe und Tatbestände geschaffen, weshalb die praktische Anwendung | |
| des Gesetzes juristisch sehr interessant ist. | |
| Wie viele Verfahren zu Selbstdoping hatten Sie denn? | |
| Seit Jahresbeginn ermitteln wir in zehn Verfahren wegen des Verdachts des | |
| Selbstdopings. | |
| Gab es Verurteilungen? | |
| Bislang nicht. | |
| Zehn Verfahren, noch kein Urteil: Kritiker hatten schon im Vorfeld des | |
| Gesetzes von Symbolpolitik gesprochen. Hätten Sie sich mehr erhofft? | |
| Seit Errichtung unserer Schwerpunktstaatsanwaltschaft waren die | |
| Verfahrenszahlen in Sachen Spitzensport nie sonderlich hoch. | |
| In anonymen Befragungen sind die Zahlen der Spitzensportler, die Doping | |
| nutzen, regelmäßig sehr viel höher. Warum gibt es so wenige Verfahren? | |
| Wir brauchen zwingend einen Anfangsverdacht, um überhaupt ermitteln zu | |
| können. Einen Anfangsverdacht wegen Selbstdopings von Spitzensportlern | |
| haben wir bislang nahezu ausschließlich aufgrund von Anzeigen der Nada | |
| (Nationale Anti-Doping-Agentur; d. Red.) gewonnen. Wir sind auf Anzeigen | |
| von Institutionen angewiesen, die verdachtsunabhängige Dopingkontrollen | |
| durchführen. Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die es | |
| Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, selbst derartige Kontrollen | |
| durchführen. | |
| Sie hängen dadurch am Tropf der Nada. Wäre es nötig, andere Institutionen | |
| mit einzubeziehen? | |
| Dass Ermittlungsverfahren aufgrund von Anzeigen der Nada zustande kommen, | |
| ist aus meiner Sicht die Intention des Anti-Doping-Gesetzes. Wenn man sagt, | |
| man möchte andere Beteiligte mit einbeziehen, müsste man das System | |
| grundsätzlich ändern. | |
| Von welchen Stellen haben Sie denn bislang einen Anfangsverdacht bekommen, | |
| außer von der Nada? | |
| Bislang haben wir fast ausschließlich Anzeigen der Nada bekommen. Von | |
| Privatpersonen oder von Sportverbänden gab es kaum Anzeigen. | |
| Liegt es auch daran, dass es zu wenig Schutz für Whistleblower gibt? Es gab | |
| Vorschläge, einen solchen Passus in das Gesetz einzuarbeiten. | |
| Eine Kronzeugenregelung wurde im Gesetzgebungsverfahren erörtert, hat aber | |
| keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Wir erleben in den bisherigen | |
| Verfahren jedenfalls ein konsequentes Schweigen der Beteiligten. | |
| Gab es bislang konkrete Situationen, in denen Ihnen das Anti-Doping-Gesetz | |
| Vorteile gebracht hat? | |
| Neben der Schaffung der Selbstdoping-Tatbestände wurden in das | |
| Anti-Doping-Gesetz Handlungsvarianten aufgenommen, welche die | |
| Strafverfolgung des Vertriebs und des Bezugs von Dopingmitteln erleichtern. | |
| Das hilft uns bei dem Großteil unserer Verfahren, die den Handel mit | |
| Steroiden in der Kraftsport- und Bodybuilding-Szene betreffen. Es gibt im | |
| Bodybuilding nicht wenige Persönlichkeiten, die als Spitzensportler im | |
| Sinne des Anti-Doping-Gesetzes gelten, weil sie durch ihren Sport | |
| erhebliche Einnahmen erzielen. Hier könnte auch der Tatbestand des | |
| Selbstdopings greifen. | |
| Wie groß ist der Anteil von Spitzensportlern bei Ihren Verfahren? | |
| In den Jahren 2012 bis 2015 ermittelten wir in rund 600 Verfahren pro Jahr, | |
| davon betrafen zwei bis fünf Verfahren den Spitzensport. | |
| Das ist sehr wenig. Warum ist es so schwierig, Verfahren gegen | |
| Spitzensportler zu führen? | |
| Weil wir das Entstehen eines Anfangsverdachts schwer beeinflussen können. | |
| Wir können nur bei konkretem Verdacht gegen eine bestimmte Person | |
| ermitteln. | |
| Sie haben im Ermittlungsfall eine Frist von sieben Tagen, bis die Nada | |
| Sportverbände und Vereine über die positive Dopingprobe informieren muss. | |
| Ist das genug? | |
| Es wäre hilfreich, wenn die Frist länger wäre. | |
| Ist es vorgekommen, dass Ermittler ankamen und schon alle vor Ort Bescheid | |
| wussten? | |
| Es gab Einzelfälle, in denen zumindest bei Verbänden schon bekannt war, | |
| dass es ein positives Dopingkontrollergebnis gab. Und die Verbände haben | |
| das an die Athleten weitergegeben. | |
| Wie zuverlässig sind Sportverbände als Partner? Es gab seitens der Verbände | |
| große Widerstände gegen das neue Gesetz. | |
| Wir bemühen uns, mit den Verbänden ins Gespräch zu kommen. Noch diesen | |
| Monat wird es eine Veranstaltung in Freiburg geben, wo wir uns mit den | |
| Vertretern der baden-württembergischen Spitzenverbände treffen und | |
| austauschen. | |
| Wie abschreckend kann ein Gesetz auf Topathleten wirken, wenn niemand | |
| verurteilt wird? | |
| Es ist aus meiner Sicht nicht verwunderlich, dass es bislang keine | |
| Verurteilung gab. Die Ermittlungen sind aufwendig und langwierig. Nach dem | |
| Abschluss unserer Ermittlungen muss gegebenenfalls ein gerichtliches | |
| Verfahren bis zu einem Urteil durchlaufen werden, gegen das eventuell ein | |
| Rechtsmittel eingelegt wird. Das dauert. | |
| Sind die Verfahren zu langsam? | |
| Das sind normale Verläufe eines Strafverfahrens. | |
| Das neue Gesetz sieht bei Selbstdoping sogar Gefängnisstrafen vor. Wäre es | |
| realistisch, dass irgendein Spitzensportler in Deutschland wegen Dopings in | |
| den Knast kommt? | |
| Möglich wäre das. | |
| 5 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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