# taz.de -- Sanders-Bruder will Cameron beerben: Larry ist freundlich wie ein T… | |
> In David Camerons Wahlkreis wird ein neuer Abgeordneter gewählt. Der | |
> Grüne Larry Sanders, Bruder des US-Demokraten Bernie, tritt an. | |
Bild: Jede Menge Klimbim: Larry Sanders in seiner Oxforder Küche | |
Witney taz | Der weiße Kleinlaster kriecht schon zum zweiten Mal durch | |
Witney, eine kleine, aber reiche Marktstadt im Westen von Oxfordshire. | |
Untermalt von der Hymne „Jerusalem“ über Lautsprecher wirbt da ein rechter | |
Kandidat für Englands Selbstbestimmung. Plötzlich hebt ein alter | |
dickbäuchiger Mann im dunkelblauen Sakko am Straßenrand ein grünes Schild | |
hoch. „Larry Sanders, Green Party“ steht darauf. Dann sagt der Mann: „Wir | |
hatten bisher Glück in Großbritannien. Ukip war ja noch moderat. In Ungarn | |
und anderen Ländern Europas sieht es schon anders aus.“ | |
Der Mann mit dem Schild ist Larry Sanders selber – Bruder des weltweit | |
berühmt gewordenen Bernie Sanders aus den USA, der Hillary Clinton fast die | |
Präsidentschaftskandidatur der Demokraten streitig gemacht hätte. Der | |
81-Jährige kandidiert nun am Donnerstag für die englischen Grünen in | |
Witney, dem überraschend frei gewordenen Wahlkreis des infolge des | |
Brexit-Referendums zurückgetretenen Premierministers David Cameron, der die | |
Politik verlässt und jetzt seine Memoiren schreiben will. | |
Witney war 15 Jahre lang ein sicherer Wahlkreis für Cameron. Viele vor Ort | |
bedauern seinen Abgang und werden jetzt nicht wieder konservativ wählen. | |
„Einer von uns“, so beschreibt Cameron der Lkw-Fahrer Martin Whawell. Der | |
40-Jährige will nun für Ukip stimmen, „weil sie den Brexit garantieren und | |
die Einschränkungen der Zuwanderung“. Der 53-jährige IT-Berater Anthony | |
Brown hat wegen des Referendums die Nase voll, seine Stimme geht | |
voraussichtlich an Labour. | |
Larry Sanders lebt seit Jahren in der nahen Universitätsstadt Oxford. Dort | |
sind die Grünen stark. Das ländliche Umland hingegen ist tiefblau | |
konservativ. Als Sanders bei der Parlamentswahl 2015 im benachbarten | |
Wahlkreis Abingdon antrat, landete er bei 4,4 Prozent. Auch falls es in | |
Witney nicht mehr werden als das – es geht ihm nicht um den Sieg, sagt er, | |
vielmehr „ums Bloßstellen eines falschen Systems, um die echten Probleme zu | |
offenbaren und um das politische Bewusstsein ein bisschen zu bewegen“, | |
erklärt er. Fast wie sein Bruder in den USA. | |
## Bernie wird nicht kommen | |
In einer kleinen Gasse versucht er seine Flugblätter mit den Worten, | |
„Hallo, Ich bin Larry Sanders, Ihr grüner Kandidat“, unter die Menschen zu | |
bringen, freundlich wie ein Teddybär. Doch die Passanten schauen ihn nur | |
scheu an und gehen an ihm vorbei. Einer ruft: „Du verschwendest deine | |
Zeit!“ | |
„Es ist schwer“, seufzt Sanders. Auf einmal bittet ihn eine Dame mit | |
US-amerikanischem Akzent um ein gemeinsames Selfie. „Sie sind Bernies | |
älterer Bruder, nicht wahr? Wird Bernie hier herkommen, um Sie zu | |
unterstützen?“ Nein, der Bruder wird nicht kommen, sagt Larry, er hilft | |
Hillary gegen Trump, „aber es wird eine Videobotschaft von ihm für mich auf | |
dem Internet geben“. Die Frau, eine Touristin aus Kalifornien, ist ganz | |
aufgeregt. Sanders lächelt resigniert. „Das ist das Problem. Bisher sind | |
nur die ausländischen Menschen und Medien an mir interessiert.“ | |
Sanders lebt seit den 1960er Jahren in Großbritannien, seit Jahrzehnten | |
engagiert sich der ehemalige Sozialarbeiter in Kampagnen um | |
Gesundheitsfragen, jetzt ist er trotz seines Alters gesundheitspolitischer | |
Sprecher der Grünen. Im Gesundheitswesen fehlten 20 Milliarden Pfund, warnt | |
er: „Einige Krankenhäuser und Dienstleistungen werden verschwinden.“ | |
Der Wahlkampf seines Bruders habe ihm klargemacht, dass sich die Welt | |
radikal verändert, meint er. „Die sozialen Unterschiede sind größer | |
geworden.“ Was die Lösung betrifft, hat er keine Angst vor Naivität. „Vie… | |
erklären mir, dass politische Dinge komplex seien. Doch ich glaube | |
weiterhin, dass, wenn wir ein reiches Land sind, wir in unsere Gesellschaft | |
investieren müssen, um den Menschen Hoffnung zu geben.“ | |
Er verweist auf den Kleinlaster von vorhin und fährt fort: „Wenn wir das | |
nicht tun, dann wird sich unsere Lage, mit all dem Hass auf Ausländer und | |
dem destruktiven nationalistischen Gerede verschlimmern. Als Jude, der im | |
jüdisch-sozialistischen Brooklyn aufwuchs, fühle ich mich berufen, so etwas | |
zu verhindern.“ | |
19 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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