# taz.de -- Parteitag der Tories: Menschenrecht ist nichts für Soldaten | |
> Britische Soldaten sollen im Einsatz Entscheidungen treffen können, ohne | |
> Strafen fürchten zu müssen. Das will Premierministerin May. | |
Bild: Im Irak im Einsatz – aber künftig wohl, ohne an die Menschenrechtskonv… | |
BIRMINGHAM taz | Britische Soldaten müssen sich künftig nicht mehr um | |
internationale Menschenrechte scheren. Das hat Premierministerin Theresa | |
May auf dem Parteitag der Tories am Dienstag in Birmingham angekündigt. Bei | |
Kriegen oder Notstandssituationen will sich Großbritannien vorübergehend | |
aus Teilen der Europäischen Menschenrechtskonvention ausklinken, damit die | |
Soldaten „schwierige Entscheidungen auf dem Schlachtfeld“ treffen können, | |
ohne Angst vor strafrechtlicher Verfolgung nach ihrer Rückkehr in die | |
Heimat haben zu müssen, sagte May. | |
Das Verbot von Folter bleibt aber in jedem Fall bestehen, so schreibt es | |
der Europarat vor. Eigentlich wollte May, dass Großbritannien endgültig aus | |
der Konvention austritt. Davon ist sie jedoch abgerückt, weil sie im | |
Unterhaus keine Mehrheit dafür bekommen würde. | |
Verteidigungsminister Michael Fallon sagte, das Rechtssystem sei | |
missbraucht worden, um falsche Anschuldigungen gegen Soldaten „in | |
industriellem Ausmaß“ zu erheben. „Das hat bedeutendes Leid über diejenig… | |
gebracht, die ihr Leben riskiert haben, um uns zu schützen“, sagte er. | |
„Es hat die Steuerzahler Millionen gekostet, und es besteht die reale | |
Gefahr, dass unsere bewaffneten Kräfte ihren Job nicht mehr machen können.“ | |
Seit 2004 hat das Ministerium rund 100 Millionen Pfund an Gerichtskosten | |
wegen Tausender Klagen gegen Soldaten im Kriegseinsatz ausgegeben. | |
## Auch andere legen Menschenrechtskonvention mal auf Eis | |
Großbritannien hat die Menschenrechtskonvention 1951 ratifiziert. | |
Allerdings hat die Regierung mehrmals Teile der Konvention vorübergehend | |
auf Eis gelegt, um ohne lästige Behinderungen gegen Terrorismus im eigenen | |
Land vorgehen zu können, zum Beispiel in Nordirland. | |
Die türkische Regierung hat das gleiche nach dem Putschversuch im Juli | |
getan, und auch Frankreich, Griechenland und Irland haben zu diesem Mittel | |
aus innenpolitischen Gründen gegriffen. Es wäre jedoch das erste Mal, dass | |
sich ein Land wegen eines Militäreinsatzes im Ausland aus der Konvention | |
verabschiedet. | |
Militärrechtsexperten warnen, dass die Aussetzung der Konvention zur | |
Vertuschung echter Menschenrechtsverletzungen und zum Bau von | |
Gefangenenlagern im Stil von Guantanamo führen könnte. Darüber hinaus | |
müssten sowohl das Unterhaus, als auch das Oberhaus jeder Aussetzung der | |
Konvention zustimmen. | |
Nicholas Mercer, der frühere Rechtsberater der Regierung im Irak, der seit | |
seinem Austritt aus der Armee als anglikanischer Pfarrer arbeitet, meint, | |
dass viele Menschenrechtsverletzungen ohne die Konvention gar nicht ans | |
Licht gekommen wären. „Die Konvention verpflichtet die Regierungen zur | |
Rechenschaft“, sagte er. | |
## Umsonst wurden Entschädigungen sicher nicht bezahlt | |
Die Behauptung, dass die Klagen meist fadenscheinig seien, bezeichnete er | |
als Unfug: „Das Verteidigungsministerium hat in 326 Fällen bereits 20 | |
Millionen Pfund an die Opfer im Irak bezahlt, und jeder weiß, dass das | |
Ministerium nur dann zahlt, wenn der Fall eindeutig ist oder wenn man etwas | |
vertuschen will.“ | |
Martha Spurrier, die Direktorin der Menschenrechtsorganisation Liberty, | |
sagte, die Regierung traue den Soldaten offenbar nicht zu, die | |
Menschenrechte zu achten. „Es ist eine furchtbare Ironie“, fügte sie hinzu, | |
„dass unsere Regierung die Menschenrechte im Falle von Kriegen aussetzen | |
will, obwohl viele dieser Kriege wie im Irak und in Afghanistan im Namen | |
der Menschenrechte geführt worden sind.“ | |
5 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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