# taz.de -- Bizarre Geldforderung an Flüchtlinge: „Unsensibel und hinterfotz… | |
> Die Stadt Hannover fordert für die polizeiliche Räumung eines | |
> sudanesischen Protestcamps 10.000 Euro vom Versammlungsleiter. Der wehrt | |
> sich jetzt. | |
Bild: Protestieren, um zu bleiben: Camp sudanesischer Flüchtlinge am Weißekre… | |
HANNOVER taz | Im April hat die Polizei in Hannover das Protestcamp der | |
Sudanesen auf dem Weißekreuzplatz räumen lassen. Das regionale | |
Abfallunternehmen Aha riss die großen grünen Schlafzelte und das offene | |
Küchenzelt ab und entsorgte die Habseligkeiten der Geflüchteten. Nun soll | |
der Versammlungsleiter der Protestaktion, Babakir I., der Stadt Hannover | |
dafür 10.186 Euro und 27 Cent zahlen. Er wehrt sich vor dem | |
Verwaltungsgericht gegen den Kostenbescheid. | |
„Wir werden nicht zahlen“, sagt Babakir I. der taz. „Wir klagen.“ Denn | |
schon [1][die Räumung durch die Polizei] sei nicht rechtens gewesen. „Wir | |
haben das Camp nicht freiwillig verlassen.“ I. und andere Sudanesen hatten | |
sich am 26. April mit dem Bürgermeister des Bezirks Mitte, Michael Sandow | |
(SPD), getroffen, um über die Zukunft des Camps zu sprechen. | |
Während dieser Zeit war keiner der Geflüchteten auf dem Weißekreuzplatz. | |
Die Polizei erklärte die Versammlung für beendet und begann mit der | |
Räumung. „Das war unsensibel und hinterfotzig“, kritisiert Kai Weber vom | |
niedersächsischen Flüchtlingsrat. Die Stadt und die sudanesischen | |
Aktivisten seien gerade dabei gewesen, sich „einvernehmlich zu einigen“ und | |
den Protest in eine politische Veranstaltungsreihe umzuwandeln, das Camp | |
also ohnehin abzubauen. | |
So aber schuf die Polizei Tatsachen. Webers Kollege Sigmar Walbrecht, der | |
an dem Tag vor Ort war, erinnert sich: Die Beamten hätten das Camp mit | |
Flatterband abgesperrt und schon einige Zelte zum Einfallen gebracht, damit | |
niemand mehr darin wohnen könne, sagt er. | |
Polizeisprecher Mirco Nowak bestätigt, dass Polizisten die Zelte „in | |
Teilen“ abbauten. Sie hätten die Aktivisten in den vorigen Wochen mehrfach | |
darauf hingewiesen, dass mindestens zwei Personen für eine Versammlung | |
anwesend sein müssten. Dass die Sudanesen an diesem Tag bei einem Treffen | |
mit dem Bezirksbürgermeister waren, „war der Polizei Hannover nicht | |
bekannt“, sagt Nowak. | |
Den eigentlichen Abbau des Zeltplatzes sollten die Geflüchteten bis zum | |
nächsten Tag selbst übernehmen. „Sie wollten aber nicht ihr eigenes Camp | |
räumen“, sagt Walbrecht. Also griff die Stadt ein – und schrieb nun die | |
Rechnung. | |
„Das soll wohl eine einschüchternde Wirkung auf zukünftige Aktivitäten | |
haben“, vermutet Walbrecht. Demonstranten sollten wissen: „So eine Aktion | |
kann euch teuer zu stehen kommen.“ Dem Flüchtlingsrat Niedersachsen ist | |
kein ähnlicher Fall bekannt. | |
Die Stadt erklärte auf taz-Anfrage, dass sich die Sudanesen zunächst bereit | |
erklärt hätten, die Zelte abzubauen, das aber dann doch nicht getan hätten. | |
Der Stadt seien dadurch Kosten für „Personal, Fahrzeuge, Container, | |
Einlagerung und schließlich Entsorgung der Gegenstände entstanden“, sagt | |
Udo Möller, Sprecher der Stadt Hannover. Diese Kosten solle nun der | |
damalige Versammlungsleiter tragen. Sollte das Gericht die Klage abweisen | |
und Babakir I. die 10.000 Euro trotzdem nicht zahlen, werde „die Stadtkasse | |
die Vollstreckung der Forderung betreiben“, sagt Möller. | |
Anwalt Paulo Dias aus Hannover, der Babakir I. unterstützt, hält es nicht | |
für wahrscheinlich, dass die Stadt das Geld bekommt. I. befindet sich | |
mitten im Asylverfahren. Er jobbe zwar als Hilfsarbeiter in einem Lager, | |
sein Einkommen liege aber unter der Pfändungsfreigrenze, sagt Dias. Eine | |
Chance auf Asyl bestehe aber: I. und andere Geflüchtete aus der Gruppe | |
müssten durch ihre „exilpolitische Betätigung gegen den sudanesischen | |
Präsidenten“ in ihrem Heimatland Verfolgung befürchten (siehe Kasten). | |
Die sudanesischen Geflüchteten hatten fast zwei Jahre lang [2][auf dem | |
Weißekreuzplatz campiert und mehrere Demonstrationen] in Hannover und | |
Berlin organisiert, um auf Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung in | |
ihrem Heimatland hinzuweisen und für ein Bleiberecht zu protestieren. Damit | |
aufhören wollen sie nach dem Abriss ihres Camps nicht. „Wir wollen immer | |
weitermachen“, sagt Babakir I. | |
17 Oct 2016 | |
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## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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