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# taz.de -- Paul Ziemiak über die Junge Union: „An Sachpolitik arbeiten ist …
> Der Vorsitzende der Parteijugend erklärt, wie sie für Frauen attraktiver
> werden will. Auch für die Asylpolitik und den Streit zwischen CDU und CSU
> hat er Lösungen.
Bild: Die Junge Union Bayern weiß wie man Jugendlichkeit ausstrahlt
taz: Herr Ziemiak, Sie sind der erste Vorsitzende der Jungen Union, der mit
der taz spricht. Was ist anders im Jahr 2016?
Paul Ziemiak: Nach Brexit, Trump und diesem Interview werden ihre
Leser*Innen 2016 endgültig als Katastrophenjahr abhaken. Im Ernst: Ich
freue mich sehr auf das Gespräch.
Am Freitag beginnt der Deutschlandtag der Jungen Union. Laut Tagesordnung
sprechen dort vierzehn Männer und eine Frau – Angela Merkel. Offensichtlich
hat die JU ein ernsthaftes Frauenproblem. Woran liegt das?
Sie sprechen einen wunden Punkt an. Das missfällt mir genauso. Wir müssen
da viel sensibler werden, darauf achten, dass bei uns mehr Frauen zu Wort
kommen. Aber natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Wir laden die
Leute zum Deutschlandtag ja nicht wegen ihres Geschlechts ein, sondern vor
allem wegen ihrer Funktion. Es liegt bekanntlich nicht in meinem Ermessen,
wer welche Aufgaben in der Bundesregierung übernimmt.
Aber wann geht es denn mal los bei der Jungen Union, planen Sie etwas
Konkretes?
Wir arbeiten aktiv daran, die JU für Frauen attraktiver zu machen. Der
Austausch dazu findet nicht nur zwischen mir und der Vorsitzenden der
Frauen Union, Annette Widmann-Mauz, statt. Auch die Mitglieder werden
einbezogen. In einem gemeinsamen Workshop haben in diesem Sommer Frauen aus
der JU und der Frauen Union sehr intensiv darüber diskutiert, was wir
besser, anders machen können. Diese Ergebnisse werden wir auf dem
Deutschlandtag präsentieren. Keine Sorge, wir haben das Problembewusstsein,
und wir wollen da etwas ändern. In der Theorie klingt das oft einfach, aber
in der Praxis braucht es Zeit.
Aber es wäre machbar.
Bei der Frauen Union musste ich mich auch dafür rechtfertigen, dass bei uns
so wenige Frauen in den Gremien vertreten sind. Wie gesagt, wir arbeiten
daran. Ich bin mir sicher, dass der nächste Deutschlandtag auch in dieser
Hinsicht anders aussehen wird.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat der Partei eine Reform verordnet: Mehr
Junge, mehr Frauen, mehr Zuwanderer. Mehr Junge – das ist leicht für die
Junge Union. Mehr Frauen ist offenbar schwierig. Wie sieht es denn mit
Zuwanderern aus?
Ein Zuwanderer ist ja Vorsitzender – damit geht’s schon mal los. Aber
tatsächlich haben wir in den letzten fünf Jahren einen deutlichen Anstieg
von Mitgliedern mit muslimischem Hintergrund. Wir werben damit, dass wir
offen sind. Jeder ist bei uns willkommen, egal, wo er geboren ist, egal,
welche Konfession er hat. Aber es ist nicht so, dass wir nur Leute aufgrund
ihrer Herkunft fördern. Das machen wir nicht.
Seit Ihrem Amtsantritt 2014 hat sich Deutschland durch die
Flüchtlingspolitik der Union verändert. Braucht Deutschland eine
Obergrenze, wie sie CSU-Chef Seehofer fordert?
Ich glaube nicht, dass die Einführung einer Obergrenze jetzt unser
vordringliches Problem ist. Momentan geht es in erster Linie um die
Rückführung derjenigen, die keine Flüchtlinge sind. Wir müssen
unterscheiden zwischen Menschen, die Flüchtlinge sind oder denen wir Asyl
gewähren, und Migranten. Für die zweite Gruppe brauchen wir ein
Zuwanderungsgesetz. Denn ich bin der Meinung, wir sollten uns selbst
aussuchen können, wer zu uns kommt.
Kürzlich haben Sie von Angela Merkel gefordert, mehr und schneller
abzuschieben. Sie selbst sind das Kind von Eltern, die für eine bessere
Zukunft ihres Sohnes Polen verlassen haben. Wie machen Sie Ihren
persönlichen Frieden zwischen Ihren harten Forderungen einerseits und dem
persönlichen Wissen um die Probleme von Leuten, die eine neue Heimat
suchen, andererseits?
Gerade weil ich selbst eine Migrationsgeschichte habe, kann ich vieles gut
nachvollziehen. Als ich in den Kindergarten kam, konnte ich dort als
einziges Kind kein Deutsch. Das war damals kein Problem, mir wurde gut
geholfen. Heute sind in manchen Schulklassen die Kinder mit schlechten oder
keinen Deutschkenntnissen die größte Gruppe. Da ist die Situation
schwieriger, da braucht es größere Anstrengungen.
Wenn es aktuell bei der Integration hakt, liegt das auch an der Politik,
die für diese Menschen gemacht wird. Und sind Sie nicht Teil dieser
Politik?
Noch einmal: Sie müssen schon unterscheiden zwischen Flüchtlingen und
Migranten. Flüchtlinge müssen wir aufnehmen, dass gebietet uns nicht nur
das Gesetz, sondern auch unsere christliche Verantwortung. Aber damit
Integration gelingt, können wir nicht zur gleichen Zeit die Gesellschaft
durch unbegrenzte Migration überfordern. Hier müssen wir durch ein
Zuwanderungsgesetz steuern. Tun wir das nicht, spielen wir den Populisten
von der rechten Seite in die Hände.
Sie haben zurzeit 110.000 Mitglieder. Warum treten junge Menschen bei Ihnen
ein? Die Aktentaschen-JUler sind ja längst passé.
Gut, dass selbst die taz das erkannt hat. Ich denke, dass die, die heute
bei uns eintreten, Deutschland mitgestalten wollen und durchaus ihre eigene
Zukunft ein Stück besser machen wollen. Ich bin froh über jeden, der bei
uns eintritt, jeden, der sich politisch engagiert. Übrigens auch bei den
Jugendorganisationen anderer demokratischer Parteien, selbst wenn ich deren
Richtung naturgemäß für falsch halte. Ich glaube, nur über das Mitmachen
geht’s. Damit vermeiden wir, dass die Leute frustriert und pöbelnd auf der
Straße stehen.
Die parlamentarische Demokratie steckt aktuell in einer tiefen
Glaubwürdigkeitskrise. Was sollte also sexy sein an einer
JU-Mitgliedschaft?
Sexy an einer JU-Mitgliedschaft ist es, die Möglichkeit zu haben,
konstruktiv an Sachpolitik zu arbeiten und wirklich etwas zu verändern. Das
bietet eine wirkliche Alternative zum hetzerischen und populistischen
Gerede der AfD oder dem abgehobenen Diskutieren über
Fair-Trade-Cola-Automaten auf der anderen Seite. Uns unterscheidet eine
Sache von allen anderen: Wir folgen nicht irgendeiner Ideologie. Wir sagen
den Leuten nicht, wie sie zu leben haben. Alle anderen sagen: Wir wissen
genau, wie diese Gesellschaft zu funktionieren hat. So sind wir nicht. Wir
sagen: Menschen sind unterschiedlich begabt und fähig, aber jedem haftet
die gleiche Würde an.
Weil Sie gerade die Würde erwähnen: Haftet auch den Pöblern von Dresden
eine Würde an?
Ja, selbstverständlich. Das ist meine Grundüberzeugung. Das ergibt sich
schon aus Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist
unantastbar. Egal, was er tut, egal, was er sagt, egal, was er macht.
Und wenn dieser Mensch die Würde anderer verletzt?
Auch dann. Wir sind der Überzeugung, egal, wie schlimm sich jemand verhält,
am Ende verliert er seine Würde nicht. Um das klarzustellen: Mir liegt viel
daran, diese Menschen dort in Dresden zu überzeugen. Von der Demokratie und
von diesem Staat. Ich weiß nicht, was die wählen, ich kann’s mir
vorstellen. Als politischer Akteur möchte ich diese Menschen davon
überzeugen, eine andere Wahl zu treffen.
Aber diese Leute hassen Leute wie Sie.
Ja, das habe ich selbst schon erlebt. Aber wir können sie nicht aufgeben.
Mich interessieren nicht die Organisatoren von Pegida, Bachmann und solche
Leute. Mich interessiert nicht die AfD und deren Vorsitzende Petry. Aber
mich interessiert jeder Einzelne, der dort mitgeht. Wenn die AfD im
Deutschlandtrend bei 14 Prozent liegt, muss uns das wachrütteln. Darüber
werde ich auch beim Deutschlandtag sprechen. Wir haben noch ein Jahr Zeit
bis zur Bundestagswahl. Ich verstehe nicht, dass man das so hinnimmt – na
gut, dann gibt es eben die AfD. Wir müssen sofort damit beginnen, dafür zu
arbeiten, dass diese Partei nicht im Deutschen Bundestag sitzt.
Themawechsel. Sie kandidieren 2017 erstmals für den Bundestag. Mit welchen
Machtoptionen für den Bund wollen Sie Ihre Wähler überzeugen?
Ich sage ganz deutlich: Eine Große Koalition möchte ich nicht noch mal.
Meine Wunschvorstellung wäre Schwarz-Gelb. Ansonsten müssen wir zu
gegebener Zeit mit anderen Parteien sprechen. Vielleicht auch mit den
Grünen.
In der Jungen Union sind ja junge CDUler und CSUler. Zwischen den beiden
Parteien knackt es gerade gewaltig. Wie wirkt sich das auf den
Deutschlandtag aus?
Das ist natürlich Thema in der Jungen Union, gar keine Frage. Aber wir
wissen, dass wir zusammengehören. Viele Punkte, die die CDU vertritt, tun
der CSU gut – und umgekehrt. Es gibt in Bayern Leute, die teilen Angela
Merkels Standpunkt. Und es gibt beispielsweise in NRW welche, die sagen:
Das, was Horst Seehofer sagt, ist richtig. Gerade in unserer Mischung waren
wir immer erfolgreich. Die Junge Union deckt Positionen ab von der
parlamentarischen Mitte bis in den Mitte-rechts-Bereich.
In der CSU wird ja schon laut darüber nachgedacht, unabhängig von der CDU
im Bundestagswahlkampf anzutreten. Das wäre dann wohl das Ende der Jungen
Union. Haben Sie sich für alle Fälle schon die Namensrechte gesichert?
Die Diskussion über eine Trennung halte ich für albern. Wir brauchen jetzt
Einigung in den wesentlichen Fragen und den Schulterschluss der beiden
Parteivorsitzenden. Und zwar bald, in einem Jahr ist Wahl.
So, das war für heute die letzte Frage. Wie lief denn aus Sicht des
JU-Vorsitzenden das erste Interview mit der taz?
Eigentlich ganz gut. Fast wie mit einer normalen Zeitung.
9 Oct 2016
## AUTOREN
Anja Maier
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