# taz.de -- Buch über Sharing Economy: Solidarität ohne jeden Zwang | |
> Tragen Commons zum Wohle der Allgemeinheit bei? Ja, schreibt Friederike | |
> Habermann in „Ecommony, UmCARE zum Miteinander“. | |
Bild: Auch Carsharing kann ein Teil der Kultur des Teilens sein | |
Sein Titel wirkt völlig kryptisch – aber das sollte nicht davon abhalten, | |
das Buch zu lesen. Denn der Volkswirtin und Historikerin Friederike | |
Habermann gelingt es in „Ecommony, UmCARE zum Miteinander“ überzeugend | |
darzulegen, dass es gegenwärtig reale Chancen gibt, die Wachstumswirtschaft | |
zu unterlaufen und zu demontieren. | |
Die Stärke ihres Textes liegt darin, eine sowohl theoretisch fundierte als | |
auch lebendige Vorstellung zu vermitteln, was eine commonsbasierte Welt | |
bedeutet – und dass es attraktiv und für alle möglich ist, am Aufbau | |
mitzuwerkeln. Dieses Konzept von Solidarität bedeutet keineswegs | |
Gruppenzwang, den Verzicht auf Besitz oder das Hintanstellen der eigenen | |
Individualität. Im Gegenteil. Und es beschränkt sich nicht auf kleine, | |
kuschelige Kreise. Dezentralität und Globalität gehören zusammen. | |
Gegenwärtig ist die gesamte Gesellschaft auf eine wirtschaftliche | |
Perspektive ausgerichtet, die auf Knappheit und Eigentumslogik basiert: Nur | |
wem etwas gehört, der darf es nutzen. Wer kein Geld hat, ist unfrei und | |
verhungert im schlimmsten Fall – trotz formaler Gleichheit aller Menschen. | |
„Auch der oft zurückgewünschte Wohlfahrtsstaat beruhte wesentlich auf der | |
Ausbeutung des globalen Südens.“ Sorgearbeit wird entweder ignoriert oder | |
ökonomisiert. Doch ein Baby zu stillen, ist weder Privatvergnügen noch | |
Arbeit, sondern notwendig; die Vielfalt des Lebens ist rein wirtschaftlich | |
nicht erfassbar. | |
Die Existenz von Eigentum erscheint heute als völlig selbstverständlich, | |
ist in der Menschheitsgeschichte aber eine Ausnahmeerscheinung. Die Zeiten | |
für einen Umbruch sind im Prinzip günstig: Die Grenzkosten für die | |
Herstellung von Produkten fallen immer weiter, das System wird immer | |
instabiler. Zugleich sorgen neue Techniken dafür, dass Knappheit | |
verschwindet. | |
## Gemeinsame Baupläne | |
Inzwischen werden weltweit Gegenstände gemeinsam entwickelt und die | |
Baupläne allen zur freien Verfügung gestellt. „Je mehr Menschen sich in den | |
vernetzten Commons engagieren, desto mehr Nutzen ergibt sich für jeden | |
Einzelnen.“ Wer der Schlaueste oder Schnellste ist, verliert an Bedeutung. | |
Kooperation ist die optimale Strategie, „solange sie mit der Fähigkeit und | |
Bereitschaft verbunden ist, im Falle einer Nichtkooperation des Partners | |
unangenehm zu reagieren“. | |
Ein Spaziergang in eine schöne Zukunft wird das alles allerdings nicht. | |
Denn auch die Gefahren, die von den neuen Techniken ausgehen, sind immens. | |
Diktaturen arbeiten immer zuerst an der Abschaffung des Verborgenen – und | |
heute kontrollieren Internetkraken nicht nur unser Privatleben, sondern | |
etablieren Normen und akkumulieren damit ungeheure Macht. | |
Nicht fordern, nicht warten, sondern sich selbst für zuständig erklären und | |
einfach anfangen, ist Habermanns Motto. Wenn die nächste Krise kommt und | |
sich viele nach Alternativen umschauen, überzeugt nichts mehr als die | |
gelebte Praxis. | |
2 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
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