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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Nehm’n Sie ’n Alten!
> Junge Trainer wollen die Klubs aufmischen wie Start-ups. Doch deutlich
> gesetzte Herren liegen im Trend des Weltfußballs.
Bild: Freund des Dorsches, des Haflingers – und der wenig komplexen Mathemati…
Was macht eigentlich Giovanni Trapattoni? 77 Jahre alt ist er und betreut
immer noch eine Nationalmannschaft: die von Vatikanstadt. Und gerade hat
Horst Hrubesch (65) der Bild-Zeitung mitgeteilt, er könne sich ein
Trainerengagement in der Bundesliga vorstellen: „Es kommt auf die Anfragen
an. Ich bin da aber ganz entspannt.“
Alte Trainer liegen im Trend: Otto Pfister (78), der schon acht
Nationalteams betreute, trainierte bis letztes Jahr USM Algier, Dick
Advocaat (69) ist bei Fenerbahçe Istanbul unter Vertrag, der frühere
norwegische Nationalcoach Egil Olsen (74) ist immer noch Ko-Trainer, bei FK
Lyn. Gus Hiddink (69) hat bis neulich den Chelsea FC gecoacht. Und Henryk
Kasperczak (70) will mit Tunesien zu großen Turnieren vorstoßen.
Die Liste könnte lang werden, auch wenn Jürgen Klopp (immer noch U-50!)
partout nicht auf ihr landen möchte. Der hat nämlich gerade gesagt: „Dass
ich mit 60 noch auf der Trainerbank sitze, ist sehr, sehr
unwahrscheinlich.“
Gut, könnte man einwenden, der Klopp sitzt ja auch so gut wie nie, sondern
der rennt aufgescheucht hin und her. Mithin lebt er ein Verständnis des
Fußballlehrerberufs aus, das soignierten Herren wie Giovanni Trapattoni
oder Vincente del Bosque (65, gefühlt: 75) schon immer fremd war.
## Experimentierfeld für gesellschaftliche Trends
Was denn nun? Soll ein Profiklub einen Alten holen? Oder einen jungen
Hüpfer wie den Hoffenheimer Julian Nagelsmann (29)? Was sich letztlich
durchsetzt, ist von großer Bedeutung – der Fußball ist immer noch
Experimentierfeld für allerlei gesellschaftliche Trends. Passt Horst
Hrubeschs launige Aussage, er wolle entspannt Angebote abwarten, zu den
rentenpolitischen Vorstellungen der FDP?
Oder repräsentiert der Mann, der gerade mit der Olympiaauswahl Silber
holte, eine sympathische Entschleunigung auf dem Arbeitsmarkt? Schließlich
verkörpert er mit seiner entspannten Art, Mannschaften zu führen, mit
seiner Vorliebe fürs Fischen – er ist Koautor des Standardwerks
„Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“ – und seiner Tätigkeit als
Pferdezüchter – er zog Edelhaflinger heran – einen sympathisch-biederen
Hedonismus.
Für was aber stehen Klopp oder Trapattoni? Der Italiener betreut die
Auswahl von Vatikanstadt, ein Staatsgebilde, in dem seit jeher die
Kompetenz alter, weißer Männer so hoch geschätzt wird wie sonst nur von
Franz Müntefering.
## Gierig-besessener Turbokapitalist
Klopp aber spricht gern von „Gier“, er verlangt „leidenschaftliche
Besessenheit“ und nennt sich „Mentalitätsmonster“. Habituell verkörpert…
jemand Start-up-Kultur, immer bereit, sich auszupumpen – zum Wohle von
Arbeitgeber und Verwertungsinteresse.
Klopps Bemerkung, er wolle mit 60 nicht mehr auf der Bank sitzen, ist
keineswegs der sympathische Traum vom ruhigen Lebensabend, sondern die
Beteuerung seiner Hoffnung, wenigstens bis 60 noch durchzuhalten. Das Wort
„Turbokapitalismus“ wurde doch für Leute wie Klopp erfunden.
Es geht also gar nicht darum, ob an der Linie einer mit vollem Haupthaar
oder einer mit graumelierten Locken steht. Vielmehr fallen auf dem
Fußballplatz gesellschaftliche Vorentscheidungen, wie wir unser doch über
mehrere Jahrzehnte verlaufendes Leben gestalten wollen. Klopp oder
Trapattoni? Hrubesch!
30 Sep 2016
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Hedonismus
Horst Hrubesch
Trainer
Altern
Fußball
Carlo Ancelotti
England
Fußball
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