# taz.de -- Niederlage des FC Bayern in Madrid: Senatorenfußball aus Süddeuts… | |
> Die Niederlage des FC Bayern in der Champions League wirft eine Frage | |
> auf: Hat Trainer Ancelotti mehr zu bieten als einige reife Herren? | |
Bild: Sitzt vor einer komplizierten Saison: Carlo Ancelotti | |
MADRID taz | Diego Simeone drückte noch ein paarmal kräftig auf die Hupe | |
seines bayerischen Markenfabrikats, als er aus der Garage des Estadio | |
Vincente Calderón rollte. Draußen standen immer noch Fans, die ihn | |
hochleben ließen, ihn und dieses faszinierende Gesamtkonstrukt, das er auf | |
den Rasen gebracht hatte. | |
Eine Maschine, in der ein Rädchen perfekt ins andere griff, in der elf | |
Fußballer zwar wie üblich mit 22 Beinen agierten, aber immer mit denselben | |
Gedanken. „Ich fühle mich glücklich, diese Spieler zu trainieren“, sagte | |
Simeone feierlich. „Es war eine unserer besten Partien, seit ich bei | |
Atlético bin.“ | |
Wie gern würden die Bayern das auch sagen: dass sie am Optimum gespielt | |
haben, als es darauf ankam. Auf einer dieser international begutachteten | |
Messen, bei denen sich die Topteams präsentieren, überprüfen und sezieren | |
lassen: Wo steht eine Mannschaft wirklich? | |
Es war nur ein Gruppenspiel, natürlich, das die Münchner im Calderón mit | |
0:1 verloren. „Kein Drama“, wie Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge später | |
auf dem traditionellen Klub-Bankett beschied. Aber nimmt man die Partie | |
isoliert, dann muss das Fazit lauten: Die bajuwarische Titelkandidatur in | |
der Champions League hat nicht gerade an Fundament gewonnen. | |
Neben dem Siegtor von Yannick Carrasco in der 35. Minute trafen die Spanier | |
auch noch Pfosten (Kopfball Torres) und Latte (Elfmeter Griezmann). Sie | |
schossen öfter aufs Tor. Sie litten kaum in der Verteidigung. Wo der | |
1:0-Sieg an gleicher Stelle im Halbfinale der Vorsaison noch etwas vom | |
Triumph eines Underdogs hatte, wirkte er nun wie der Erfolg eines | |
Favoriten. | |
## Starres 4-3-3-System | |
Gegenüber dem freudig hupenden und zuvor wie immer feurig seine Mannschaft | |
coachenden Simeone gibt der bedächtige Bayern-Trainer Carlo Ancelotti eher | |
den gemütlichen Sonntagsfahrer. Das ist einerseits seine Art. Andererseits | |
war eine taktische Rückentwicklung der Mannschaft gegenüber dem flexiblen | |
Wundertütenfußball seines Vorgängers Guardiola kaum zu übersehen. Die | |
Bayern spielten ein relativ starres 4-3-3-System und waren anfällig für die | |
Pressing-Attacken Atléticos. | |
„Vom Gefühl her hatten wir heute ein bisschen wenig Spieler im Zentrum“, | |
sagte Thomas Müller. „Wenn man gesehen hat, wie die Stürmer von Atletico | |
heute gearbeitet haben, dann ist das ein Unterschied gewesen“, kritisierte | |
Jérôme Boateng. Von „fehlendem Killerinstinkt“ sprach Manuel Neuer. Kapit… | |
Philipp Lahm schließlich monierte, „zu viele Spieler haben nicht auf ihrem | |
Niveau gespielt, und da zähle ich mich dazu.“ | |
Das sind viele Faktoren, und so hinterließ der Abend in Madrid eine | |
Vorahnung, dass die erste Saison von Ancelotti komplizierter werden könnte | |
als erwartet. Das fußballerisch hochwertige Erbe Guardiolas neu zu | |
nuancieren und ein bisschen mehr Freiheiten zu gewähren – damit wird es | |
nicht getan sein. | |
Um der Konkurrenz zu begegnen, der Qualität von Barcelona oder Real Madrid, | |
dem Furor von Atlético, dem Elan von neuen Projekten wie Guardiolas | |
Manchester City oder auch Tuchels Borussia Dortmund, wird Ancelotti einen | |
stringenteren Ansatz benötigen. Dazu gehören womöglich harte | |
Entscheidungen, nicht zuletzt beim Personal. | |
## Lahm, Robben, Ribéry, Alonso | |
Spieler wie Lahm, Robben, Ribéry – Säulen der besten Bayern-Generation seit | |
den 1970er-Jahren – sind im Herbst ihrer Karriere angelangt, auch Xabi | |
Alonso ist 34 Jahre alt. Doch die Zukäufe der letzten Jahre erreichen | |
bisher nicht dieselbe Qualität (Thiago, Vidal, Costa) oder Ausstrahlung | |
(Lewandowski). Bleibt die Jugend (Kimmich, Coman, Sanches), die in der | |
Startelf diesmal außen vor blieb. Als ihr ausgewiesener Förderer galt | |
Ancelotti noch nie. In Madrid schickte er die älteste Bayern-Elf seit elf | |
Jahren auf den Platz. | |
Ob in Mailand, London, Paris oder Madrid – kaum ein anderer | |
Weltklassetrainer achtete an allen Stationen immer so penibel auf | |
Hierarchien. Insbesondere in Mailand ist er mit dieser Veteranentreue mit | |
zwei Champions-League-Titeln und einem Finale zwischen 2003 und 2007 | |
glänzend gefahren. Für die nationale Meisterschaft reichte die Puste in | |
acht Jahren Milan allerdings nur einmal. | |
In München kann man sich das nicht erlauben. Zudem ist das Spiel in der | |
zwischenzeitlichen Dekade physisch noch anspruchsvoller geworden. Atlético | |
gewann auch deshalb, weil es viriler war und acht Kilometer mehr rannte. | |
Mit Senatorenfußball kommt man gegen Typen wie Simeone nicht mehr an. | |
29 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Florian Haupt | |
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