# taz.de -- Bayerns dritter Nationalpark: Ene, mene, muh | |
> Den heißesten Anwärter auf den dritten Nationalpark Bayerns hat Horst | |
> Seehofer aus dem Rennen gekegelt – und Unmut geweckt. | |
Bild: Schöner Ausblick: Besucher blicken auf die Weinberge im fränkischen Ste… | |
MÜNCHEN taz | Fagus sylvatica nennt sie sich. Sie kann bis zu 45 Meter hoch | |
und 300 Jahre alt werden. Auf Deutsch heißt sie Rotbuche. Und den größten | |
Anteil an ihrem Verbreitungsgebiet hat Deutschland und damit auch, so sehen | |
es zumindest Naturschützer, die größte Verantwortung für ihren Schutz. | |
Naheliegend, dass der Buche bei der Planung eines neuen Nationalparks | |
besondere Aufmerksamkeit zukommt. Doch Buchenwald ist nicht gleich | |
Buchenwald. So sehr sich Naturschützer und Staatsregierung mittlerweile | |
einig sind, dass ein dritter Nationalpark in Bayern eine feine Sache wäre, | |
so sehr unterscheiden sich die Ansichten bei der Standortfrage. | |
Lange Zeit fiel vor allem der Name eines Mittelgebirges, wenn es um diese | |
Frage ging: Steigerwald. Kein anderes Gebiet, so hieß es, hätte so sehr | |
„das Zeug zu einem Nationalpark“. Eine riesige zusammenhängende Waldfläch… | |
ein Großteil davon im Staatsbesitz und mehrere Naturwaldreservate, in denen | |
schon lange keine Bewirtschaftung mehr stattfindet – beste Voraussetzungen. | |
Und das Ganze auch noch in Franken, was dem im Freistaat verbreiteten | |
Proporzdenken entgegenkommt. Schließlich befinden sich die bestehenden | |
Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden in Nieder- und Oberbayern. | |
Ein Selbstläufer also? Von wegen. | |
Ende Juli beliebte der bayerische Ministerpräsident mal wieder, Freund und | |
Feind zu überraschen. Horst Seehofer verkündete die Beschlüsse einer | |
Kabinettsklausur, darunter auch die Entscheidung für den dritten | |
Nationalpark. Man wolle diverse Standortmöglichkeiten untersuchen, sagte | |
er, und, nein, es gebe keinerlei Fokussierung auf eine bestimmte Region. | |
Aber: „Ein Gebiet kann ich ausnehmen, weil wir da in meiner Anwesenheit in | |
der bayerischen Staatskanzlei vor einigen Monaten eine Vereinbarung | |
unterzeichnet haben mit drei Landräten, das ist der Steigerwald.“ | |
Anruf bei Hubert Weiger, dem Vorsitzenden von Bund Naturschutz und BUND. | |
Was hält er von Seehofers Machtwort? „Das war durch nichts gerechtfertigt.“ | |
Der Steigerwald erfülle aus fachlicher Sicht die höchsten Voraussetzungen | |
für einen Nationalpark. „Und die zunächst ablehnende Stimmung der Menschen | |
hat sich deutlich geändert.“ Es gebe sogar schon einen Verein von | |
Parkbefürwortern mit weit über 1.000 Mitgliedern. „Und das sind Bürger aus | |
der Region.“ | |
## Mehrere Kandidaten | |
16 Nationalparks gibt es derzeit in Deutschland, von den Wattenmeeren über | |
die Eifel bis zum Schwarzwald. Der älteste von ihnen ist der Nationalpark | |
Bayerischer Wald, der am heutigen Freitag seinen 46. Geburtstag feiert. | |
Neben dem Steigerwald gelten zwei andere Mittelgebirge, der Spessart und | |
die Rhön, als die aussichtsreichsten Kandidaten für einen dritten | |
Nationalpark. Auch da käme Franken zum Zug. Aber auch Alpengebiete wie das | |
Karwendel oder das Ammergebirge sind im Gespräch. | |
Umtriebigster Gegner eines Nationalparks Steigerwald ist Bayerns | |
Innenstaatssekretär Gerhard Eck, dessen Wahlkreis Schweinfurt sich mit dem | |
Steigerwald überlappt. Eck ist auch Chef der Unterfranken-CSU und besitzt | |
somit durchaus Einfluss bei seinen Parteifreunden. Eck und die anderen | |
Parkgegner fürchten vor allem Einbußen für die Holzwirtschaft und in deren | |
Folge auch den Verlust von Arbeitsplätzen. Dazu kommt die Angst vor | |
Schädlingen in einem sich selbst überlassenen Nationalpark. | |
„Absolut lächerlich“, findet Günther Denzler. Und Denzler ist keiner dies… | |
unverbesserlichen Ökos. Der Mann ist Bezirkstagspräsident von Oberfranken, | |
seit 40 Jahren CSU-Mitglied, Träger des Bayerischen Verdienstordens und | |
jeglicher linker Umtriebe völlig unverdächtig. Es gebe gerade noch 10 bis | |
20 Holzarbeiter im Steigerwald, sagt er. Und der Borkenkäfer, der den | |
Fichten im Bayerischen Wald so zugesetzt hat und vor dem jetzt so gewarnt | |
wird, sei für Buchen ungefährlich. „Aber Eck ist natürlich näher am | |
Ministerpräsidenten dran als andere. Und er sagt ihm immer, dass die Leute | |
hier dagegen sind – auch wenn das nicht stimmt.“ | |
Das sieht auch Naturschützer Weiger so. „Ein Nationalpark heißt ja auch, | |
dass das Land erhebliche Gelder zur Verfügung stellt“, sagt er. Der | |
Nationalpark Bayerischer Wald etwa sei heute der größte Arbeitgeber in der | |
Region. Tourismus, Forschung, Umweltbildung: „Unterm Strich entstehen | |
wesentlich mehr Arbeitsplätze als verloren gehen. Die Holzarbeiter von | |
heute sind die Ranger von morgen.“ | |
Günther Denzler war bis vor zwei Jahren Landrat des Landkreises Bamberg, in | |
dem ebenfalls ein Teil des Steigerwalds liegt. Kurz vor Ende seiner | |
Amtszeit ließ er noch den „Hohen Buchenen Wald im Ebracher Forst“ als | |
Schutzgebiet und Kern eines künftigen Nationalparks oder Weltnaturerbes | |
ausweisen. 2015 wurde der Beschluss allerdings von der Regierung von | |
Oberfranken kassiert – auf Betreiben des Umweltministeriums. Eine Klage | |
gegen diese Entscheidung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zwar | |
zurückgewiesen, eine Revision jedoch ausdrücklich zugelassen. | |
Denzler und Weiger sind zuversichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht | |
nun in ihrem Sinne entscheiden wird. „Wir werden jedenfalls nicht | |
nachlassen“, sagt Weiger. „Und ich bin sicher, der Nationalpark Steigerwald | |
wird kommen. Wenn nicht in dieser, dann eben in der nächsten | |
Legislaturperiode.“ | |
Denzler setzt seine ganze Hoffnung noch in den amtierenden | |
Ministerpräsidenten. Der habe schließlich sein Ohr stets dicht am Volk und | |
werde bald merken, dass sich die Stimmung dort geändert habe. Es genüge | |
eben nicht, ein paar Dörfer im unterfränkischen Teil des Steigerwald zu | |
befragen, sondern es komme auf die ganze Region an. Und die sei inzwischen | |
mehrheitlich für den Park. | |
Und dann erinnert Denzler noch an einen Vorgänger Seehofers: Als Franz | |
Josef Strauß gefragt worden sei, warum er sich bei der Erweiterung des | |
Nationalparks Bayerischer Wald über die Wünsche einiger Kommunalpolitiker | |
hinwegsetze, habe er geantwortet: „Weil es sich hier um nationale | |
Interessen handelt. Ginge es um kommunale Interessen, würde es ja | |
Kommunalpark heißen.“ | |
7 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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