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# taz.de -- Auszeichnung für Jérôme Boateng: Nicht ausgelacht werden
> Boateng erhielt im Berliner Roten Rathaus den Moses-Mendelssohn-Preis für
> sein soziales Engagement. Der „Fußballer des Jahres“ ist stolz.
Bild: Boateng (re), von der Osten-Sacken (li) und Müller bei der Preisverleihu…
Berlin taz | Es hatte ja niemand etwas gegen den ehrwürdigen Theologen
Peter von der Osten-Sacken, ein Mann, der für die intellektuelle Feinarbeit
im deutschen Protestantismus in Sachen Christen & Juden steht. Es gab viel
Beifall für ihn, der ja auch den Moses-Mendelssohn-Preis aus der Hand von
Michael Müller, Berlins Bürgermeister erhielt. Christian Stäblein, Propst
der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, sprach
sehr schön über ihn. Aber das konnte für das Gros des Publikums im
Wappensaal des Rathauses nur das Präludium für den eigentlichen Knaller des
frühen Abends sein: Allen silberhaarigen und honorationellen Würdenträgern
zum Trotz wartete man dann doch auf die Popfigur des deutschen Fußballs,
den Mann, der allen Deutschen mit Herz als Nachbar am liebsten wäre: Jérôme
Boateng.
Man nahm sogar hin, dass Yuliya Drogalova die Preismusik für den
Protestanten, die Ouvertüre aus dem „Sommernachtstraum“ von Felix
Mendelssohn-Bartholdy, eher zerklüftend als schwebend in den Flügel
hämmerte: Es war allein schon des deshalb die Veranstaltung des aktuellen
„Fußballer des Jahres“, weil schon Peter von der Osten-Sacken in seinen
Dankworten sich auf den Fußballer aus Berlin bezog, als wüsste er sehr
genau, dass er in gewisser Weise nur ein Sidekick sein könnte.
Ahmad Mansour jedenfalls, der 2014 den Preis für sein Wirken gegen den
Islamismus erhielt, laudatierte nach Kräften, schwärmte von Boateng und
ließ nicht unerwähnt, dass er vor Glück sich kaum einkriegte nach dem
WM-Finalsieg gegen Argentinien, dann hatten „wir“ den Titel. Soviel
selbstverständliches Deutschsein ist ja seitens eingewanderter Deutscher
nicht so oft vorhanden, allein schon all der Alexander Gaulands wegen, die
Topdeutsche wie Mansour oder Boateng nicht als 1-A-deutsch erkennen wollen.
Hübsch jedenfalls, dass Mansour freimütig in seiner Laudatio erwähnte,
exakt neun Monate nach dem WM-Sieg auch dank Boatengs famoser
Verteidigungsleistungen Vater wurde: Das Publikum lachte zufrieden mit.
Boateng jedenfalls stand auf, ging mit einer roten Mappe zum Rednerpult, in
dieser wohl eine vorbereitete Dankesrede, guckte jedoch nicht eine Sekunde
in sie hinein. Frei sprach er mit seinem wirklich angenehmen Sprechklang –
ein halb Berlinerisches Nuscheln, wie immer – Dank aus. Machte aber kein
Aufheben, beschwerte sich auch nicht über Floskeln wie „Migrant“,
„migrantisch“ oder „Flüchtling“, die im Hinblick auf Boateng ja selbst…
und dort gemurmelt wurden. Denn keine Person der Öffentlichkeit wirkt ja so
deutsch, so berlinerisch wie er, dieser Fußballer, aufgewachsen in Berlins
bürgerlichem Viertel Wilmersdorf. Nein, Boateng war weder geflüchtet noch
migriert: Er ist im Laufe seines Lebens als Deutscher einfach nur aus
Berlin weggezogen, momentan mit Wohnadresse in München, des FC Bayern
wegen.
## Unfeierliche Wandfarbe in Altrosa
Sei’s drum: Boateng, mit einer schönen, dezenten Brille, der aus der Nähe
viel schmaler aussieht als im Fernsehbild, ist ein höflicher Mensch und
verneigte sich. Er ließ Fotos zusammen mit dem wahlkämpfenden Bürgermeister
Müller machen, lächelte sein Jérôme-Boateng-Lächeln und meckerte auch nicht
über Fernsehjournalist*innen, die ihm ihre Mikrogalgen hinhielten, um über
die nächste Aufstellung des FC Bayern Auskunft zu geben („Ja, Lahm, muss
der Trainer entscheiden“). Die entsetzlich unfeierliche Wandfarbe in
Altrosa wäre fast ob der unpassenden Benutzung dieses Termins für
sportistische Zwecke ins Schamrot abgedunkelt, wenn Boateng selbst nicht
die Situation gerettet hätte. Er sagte dann nämlich zur Frage von sozialem
Engagement und Aufklärung, für das ja der Namensgeber des Preises, der
Philosoph Moses Mendelssohn steht, er sei sehr gern engagiert, und er mache
das nicht, weil er als Werbefigur ein soziales Label brauche, denn er kenne
die Not der Aufklärung ja selbst.
Was denn bitte genau? „Dass man als Kind, wenn man anders ist als die
anderen, nicht ausgelacht wird von anderen Kindern.“ Möglich, dass diese
Bemerkung genau umreißt, was AfD-Gesindel von Menschen mit Anstand
unterscheidet: Dass Auslachen von oben herab nicht sein darf.
Die wenigen Kinder und auch die Männer, die am ehesten nicht wie
honorationelle Würdenträgerschaft aussahen, an diesem Abend applaudierten,
nebenbei, am stärksten. Das eigens für und auf Jérôme Boateng komponierte
Lied des Musikers Juri de Marco sangen fast alle mit. Fotos, ein paar
Autogramme auf Trikots, viele Selfies: Boateng entschwand, und seine Eltern
sahen sehr glücklich aus.
7 Sep 2016
## AUTOREN
Jan Feddersen
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