# taz.de -- Erfolgreiches Kassettenlabel Mmmodemm: Total verspult | |
> Form follows function: Die Kassette erlebt gerade einen Boom, ersichtlich | |
> am Erfolg des Tape-Labels Mmodemm aus Frankfurt am Main. | |
Bild: Spaß am Analogen: Kassetten sind auf Comeback-Kurs | |
Erstaunlich, aber analoge Kassetten erfreuen sich großer Beliebtheit. Damit | |
einhergeht auch ein Hype um Tape-only-Labels. Die Kassetten werden nicht | |
als Mixtape bestückt, sondern mit eigens dafür produzierten Songs und | |
Tracks. | |
Selbst in DJ-Kanzeln sind nun vermehrt Tapedecks installiert. Für Viele ist | |
das eine Antwort auf die Renaissance von Vinyl. Sie hat den Traum vom | |
eigenen Label komplizierter und kostspieliger werden lassen. Zudem ist | |
Geduld gefordert, denn Presswerke sind auf Monate ausgebucht. Derzeitig | |
kann es bis zu vier Monaten dauern, bevor eine Schallplatte auf den Markt | |
gebracht werden kann, im schnelllebigen Popbiz ein Unding. Mit mehreren | |
Kassettendecks hintereinandergeschaltet, lässt sich eine Veröffentlichung | |
jedoch binnen weniger Stunden organisieren. | |
Eines der angesagtesten Tape-Labels ist Mmodemm aus Frankfurt. Das Label | |
von Charlotte Simon, Toben Piel und Benjamin Bascom punktet mit | |
musikalischer Tiefe, aber auch durch eigenwillige Formate. Fünf Tapesingles | |
(Kassetten mit je einem Track) haben sie zu einer Compilation in eine Box | |
verpackt. Musikalisch stringent ist jeweils Noise, Lo-Fi und elektronische | |
Avantgarde darauf veröffentlicht. „Wir hatten zwei Vorgaben: Die Tracks | |
mussten tanzbar sein und zwischen 4:20 und 4:50 Minuten lang“, erzählt | |
Piel. Charlotte Simon ergänzt: „Wir kennen viele Musiker, die gar nicht aus | |
der elektronischen Tanzmusik stammen. Die haben trotzdem tolle B-Seiten am | |
Start.“ Ein reines Kassettenlabel sollte es ursprünglich nicht sein, auch | |
an Flexidiscs und 3-D-Modelle mit Download-Code hatte das Trio gedacht. | |
„Neben dem musikalischen Zugang stand die Frage nach der Wertigkeit und dem | |
Fetischcharakter von Musik und dem Medium“, erklärt Piel. Man meint es | |
ernst, ohne dabei prätentiös zu sein. | |
So kam es nach sechs Tapes zum logischen nächsten Schritt. Sie | |
veröffentlichen die erfolgreichste Produktion mit dem Namen „MDM D“ auf | |
Vinyl. Dass der Vertrieb Lobster sich diese für die Zusammenarbeit | |
ausgesucht hat, ist nicht verwunderlich: Die fünf Stücke sind in ihrer | |
Lo-Fi-House-Machart unwiderstehlich. So darf Privacy, einer der Berliner | |
Undergroundhelden von 2015, den Auftakt-Track „Density“ beisteuern. | |
Trockene, tapegesättigte Drums, Hi-Hats und Claps stellen das Gerüst dar, | |
um das sich Synthesizer-Hooklines spannen. | |
## Carpenter goes Dancefloor | |
Ein Sound, wie gemacht für einen schwitzigen Keller. Chinaskis Antwort | |
wirkt da schon melodiöser. Immer noch mit viel Wumms aus der analogen | |
Drum-Machine, landet er mitten in einem Soundtrack der Achtziger: John | |
Carpenter für die Tanzfläche. Beide Künstler passen vortrefflich ins | |
Label-Programm. Während Privacy eher aus einer Do-it-yourself-Szene kommt, | |
wie die Labelmacher selbst, die ihre Sozialisation in selbstverwalteten | |
Jugendzentren bei Hardcore--Konzerten hatten, stammt Chinaski aus dem | |
Großraum Frankfurt. | |
„Regional, aber auch international“, will sich Mmodemm aufstellen. Den | |
internationalen Teil übernimmt bis jetzt der Künstler Umberto, dessen | |
Markenzeichen Neo-Giallo-Sound, irgendwo zwischen Dario Argento und | |
Stranger Things anzusiedeln ist und groovy klingt. Das Finale von Nick | |
Klein hingegen wirkt straight: Weniger Dancefloor, dafür mehr | |
Noise-Experiment mit Industrial-Einfluss. Hier fadet es ein letztes Mal aus | |
und bleibt stumm, bis die nächste Compilation dann auf Platte | |
veröffentlicht wird. Was dauern kann, da Mmodemm ein Freizeitprojekt ist. | |
Abwarten und Tapes machen. | |
5 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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Neue Deutsche Welle | |
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